Oekonomie

Dienstag, 16. Februar 2010

Vor über einem Jahr... (belogen und betrogen)

Lehmann-Pleite - Beginn der Finanzkrise?

Von Karl Weiss

Wenn die "Financial Times Deutschland" (FTD) einen Artikel mit "Ein schockierender Schock" überschreibt, weiß man schon, da wird ironisiert. In diesem Fall belegt die FTD mit eindeutigen Zahlen: Der angebliche Schock der Pleite der Lehmann Brothers vor über einem Jahr, im September 2008, war nicht der Auslöser, sondern die Folge der Finanzkrise. Wenn aber die Gefährdung der Banken lediglich Ausdruck, nicht Ursache der Krise ist, kann man sie auch nicht durch Banken-Retten bekämpfen – oder?

D: Exportvolumen in % gegen Vorjahresmonat

Wie, was, wo, das kann doch nicht sein! Alle diese Hunderte von Milliarden Dollar und Euro von unseren Steuergeldern wurden an die Banken transferiert, ohne dass dies gegen die Krise wirken konnte? Man hat uns belogen und betrogen? Also das wollen wir nun genau wissen!

Nun, hier ist, was die FTD sagt, und die ist eine Autorität in diesen Dingen:

„... war die Finanzmarktkrise schon seit einem Jahr in vollem Gange, als Lehman unterging. Die US-Rezession war bereits ein Dreivierteljahr alt und hatte das erste Fiskalpaket verschlungen. Die Kreditvergabe an die privaten US-Haushalte hatte sich bereits von einem annualisierten Wert von 813 Mrd. $ im dritten Quartal 2007 auf 7 Mrd. $ im dritten Quartal 2008 verlangsamt (jene an die nichtfinanziellen US-Firmen von 1439 auf 547 Mrd. $). Entsprechend war der Frühindikator für den OECD-Raum per September 2008 schon seit Monaten im freien Fall. Die Auslandsaufträge in der deutschen Industrie lagen bereits damals um 13,3 Prozent unter dem Vorjahr.“

USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

Und weiter:

„Ein ... durchsichtiger Versuch, sollte man meinen. Aber dann geschah das Bestürzende: Die meisten Journalisten hatten sich den Bären aufbinden lassen. (...). ... Schockstarre ... ist das Ding, in welches die Pleite von Lehman Brothers ... angeblich die ganze Welt versetzt hatte. In der Lesart der Politiker und der Bankiers war die Lehman-Pleite nämlich nicht etwa die Folge der Kreditklemme, sondern ihre Ursache. Das gab den einen den perfekten Vorwand dafür, Billionen in das Finanzsystem reinzupumpen, und den anderen die willkommene Ausrede dafür, diese Billionen in Empfang zu nehmen.“

Ja, nun mal langsam, was war denn dann die Ursache der Finanzkrise? Die FTD bleibt uns keine Antwort schuldig: „...die Ursache der Krise sind und bleiben überschuldete und daher zahlungsunfähige Verbraucher sowie Firmen rund um die Welt.“

Der Rettungs-Plan

Sie sagt uns zwar nicht, warum denn die Verbraucher und Firmen überschuldet waren, aber sagt klar und deutlich, was die Krise nicht bekämpft: „ ... ist dieses Problem nicht dadurch passé, dass die Staaten auf die Pleite zusteuern.“

Es sei noch nachgetragen, warum es so viele Zahlungsunfähige gab zu diesem Zeitpunkt: Die Banken hatten Kredite zu vorteilhaften (und teilweise unanständigen) Bedingungen gegeben, so wie auch andere Finanzinstitutionen. Sie mussten wissen, das können viele der Kreditnehmer nicht zurückzahlen, aber sie waren wohlgemut, sie wussten ja, sie könnten sich im Zweifelsfall am Staat (und Steuerzahler) gütlich halten, denn sie sind es schließlich, die anschaffen.

Fazit: Man hat uns von vorne und hinten belogen und betrogen.

Die Rettung der Banken hat uns nicht aus der Kreise geholfen, sondern eine neue Dimension hinzugefügt, das Problem der überbordenden Staatsverschuldung.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Und da gibt es – das erwähnt die FTD nur indirekt – das eigentliche Problem: Die Überproduktionskrise: Die tendenziell sinkenden Löhne reichen nicht mehr aus, um alle produzierten Güter zu kaufen. Die gesetzmäßige kapitalistische Krise muss Unmengen von Produktionskapazitäten (und damit meist auch Arbeitsplätzen) vernichten, um einen neuen Beginn auf niedrigerem Niveau möglich zu machen.

Und das hat bisher nicht stattgefunden in Deutschland. Die Kurzarbeit löst dies Problem nicht. Die Krise steht uns noch in ihrer Wucht bevor. Und alles Geld, das die Regierung dringend brauchen würde, um die Folgen abzudämpfen, hat sie bereits an die Banken vergeben.

Die neue Regierung versucht all das noch ein wenig hinauszuschieben, wenigstens bis nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, aber das ist ein Tanz auf dem Vulkan. Je weiter sich die Probleme aufstauen, desto steiler der Abfall.

Die spontanen Streiks bei Daimler-Benz in Sindelfingen gegen die Verlegung der C-Klasse in die USA waren das Wetterleuchten.

Nur der konsequente Kampf kann verhindern, dass alles auf die Schultern des „kleinen Mannes“ abgeladen wird.


Veröffentlicht am 16. Februar 2010 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 10. Februar 2010

Die Bank-Hilfen gingen an die gleichen, ...

... welche teilweise die deutschen Schulden halten!

Von Karl Weiss

Also hört da niemand die Nachtigall trapsen außer mir? Ist das nicht so offensichtlich wie die sich ständig verstärkenden Unwetter? Es wurden von der Regierung Geldmengen an Banken und andere Finanzinstitutionen verteilt, die unvorstellbar sind. Und genau diese gleichen Institute halten große Teile der deutschen Staatsschulden. Sollte man da nicht zwei und zwei zusammenzählen? Es kann ja wohl nicht sein, dass für Staatsschulden, die von Empfängern von Bankenhilfen gehalten werden, auch noch Zinsen und Tilgung gezahlt werden, solange diese jene Hilfen nicht zurückgezahlt haben, oder?

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Eine interessante Frage hat der Blogger „weissgarnix“ mit Datum vom 26. November gestellt und beantwortet: Wer hält eigentlich die Staatsschulden?

Ergebnis: Gesamtschulden um die 1,8 Billionen (also Tausend Milliarden) Euro, davon werden etwas über die Hälfte im Ausland gehalten, fast die Hälfte im Inland. Im Inland sind es 56% der Schulden, die von Banken gehalten werden.

Sieht man sich die Aufstellung genauer an (detailliert unter obigem Link), so fallen wichtige Tatsachen auf:

1. Die Länder und Gemeinden sind zu einem wesentlichen Teil bei den Landesbanken, Banken mit Sonderaufgaben (KfW und vergleichbare Länderinstitute), Sparkassen und bei Hypothekenbanken verschuldet, die eben genau im Besitz oder Mehrheitsbesitz von Ländern und Gemeinden sind. Das ist so, als wären Mitglieder einer Unternehmerfamilie heillos bei ihren eigenen Firmen verschuldet - oder man kann das Bild auch anders herum drehen: Als ob Unternehmen einer Gruppe massiv bei Familienmitgliedern der Besitzer-Familien verschuldet wären. Auf jeden Fall könnten Länder und Gemeinden sich eines wesentlichen Teiles ihrer Schulden mit einem Federstrich entledigen: Sie könnten sich die Schulden erlassen.

Natürlich wäre das mit einer Schwächung jener Landes- und Hypothekenbanken, Banken mit Sonderaufgaben und Sparkassen verbunden, aber wenn es um konkrete Einschnitte beim Bürger geht, die fast alle Länder und Gemeinden bereits angekündigt haben, dann kann die Prestige-Frage, ob die eigene Landesbank die größte ist oder nicht und ob diese oder jene Bank oder Sparkasse in öffentlichem Besitz besonders gewinnträchtig ist, keine Rolle mehr spielen. Vor allem würde damit ein wesentlicher Teil der Länder- und Gemeinde-Haushalte entlastet, wo nämlich für diese Schulden Zinsen und Tilgung an solche Institute gezahlt werden. Speziell bei den Landesbanken, von denen man nun weiß, dass diese Zinserträge zum Zocken auf der großen Derivate-Börse verwendet wurden, ein überfälliger Schnitt. Wenn dadurch das eine oder andere Institut nicht mehr die notwendige Größe hat, so wird darüber keine Träne fließen, denn ein Zusammenlegen solcher Institute war sowieso schon lange überfällig.

Der Rettungs-Plan

2. Nimmt man die von Landesbanken, Hypothekenbanken, Sparkassen und Banken mit Sonderaufgaben gehaltenen öffentlichen Schulden (also auch die des Bundes) zusammen, kommt man auf überschlägig 375 Milliarden Euro, das ist in etwa ein Sechstel, also fast zwanzig Prozent der Gesamtschulden (ohne Anleihen). Dabei sind allerdings die Bundesanleihen und Länderanleihen noch nicht miteingerechnet, weil sie nicht nach Besitzern aufgeschlüsselt wurden. Nimmt man auch noch einen Anteil von einem Sechstel dieser Anleihen hinzu (das wäre eine grobe Schätzung), so kommen weitere überschlägige 233 Milliarden Euro hinzu, die wohl von diesen im Besitz der deutschen öffentlichen Gebietskörperschaften befindlichen Institute gehalten werden. Zusammen macht das ziemlich genau 600 Milliarden Euro aus, das ist also grob ein Drittel aller öffentlicher Schulden deutscher Gebietskörperschaften.

Würden die Zinsen für ein Drittel aller Staatsschulden nicht mehr gezahlt zu werden brauchen – ganz zu schweigen vom Abstottern der eigentlichen Summe (Tilgung), wären riesige neue Möglichkeiten in allen öffentlichen Haushalten geschaffen. Das andauernde Gejammer über die „klammen Kassen“ ist also im wesentlichen der Sorge um das Wohlergehen der öffentlichen Finanzinstitute zuzuschreiben, die eine riesige Quelle von hochbezahlten Positionen für aktive und abgewrackte Politiker darstellen.

3. Ganz besonders muss man aber sehen, was den Kreditbanken (das ist eine Umschreibung für Deutsche Bank, Commerzbank, Postbank usw.) geschuldet wird, die ja in wesentlichen Teilen eben genau jene sind, welche von den Bankenhilfen profitiert haben. Es wird zwar gezielt das Gerücht verbreitete, die Deutsche Bank habe nicht von Bankenhilfen profitiert. Das ist aber doch der Fall. Wäre die Hypo Real Estate nicht mit einem Geldsegen von annähernd 400 Milliarden Euro gerettet (und in wesentlichen Teilen praktisch verstaatlicht) worden, gäbe es heute auch keine Deutsche Bank mehr.

Die Commerzbank (das ist ja das aus der Fusion zwischen Dresdner- und Commerzbank hervorgegangene Institut) wurde sowieso praktisch verstaatlicht (was ebenfalls wesentlich zum Überleben der Deutschen Bank beitrug). Diese Art von Instituten in Deutschland hält etwa 10% der staatlichen Schulden. Es kann ja wohl nicht angehen, dass Bund, Länder und Gemeinden Zinsen und Tilgung von Schulden an Banken zahlen, die von den Geldern der Banken-Rettung aus Steuergeldern bedacht wurden bzw. von ihnen profitiert haben. Es ist vielmehr zu fordern, dass für diese Teile der öffentlichen Schulden ein sofortiges Moratorium von Zins- und Tilgungszahlen erklärt wird – zumindest bis alle diese Hilfsgelder zurückgezahlt sind.

Zusammenfassend: Die deutschen öffentlichen Hände könnten sich schnellstens eines wesentlichen Teiles ihrer drückenden Schulden entledigen. Sie könnten sie sich erlassen. Ein anderer wesentlicher Teil müsste ebenfalls sofort von Zins- und Tilgungszahlungen freigestellt werden, das ist jener, der Banken geschuldet wird, die öffentliche Rettungs-Gelder erhalten haben bzw. von ihnen profitiert haben. Genau gesagt, sind dies sogar alle deutschen Banken in Privatbesitz, denn die unglaublich großen Mengen an Geldern für die Rettung der Hypo Real Estate und der Commerzbank wurden ja eben damit begründet, dass die gesamte Finanzwirtschaft zusammengebrochen wäre, hätte man dies nicht aus Steuergeldern erledigt. Dies ist zu fordern, zumindest bis diese Bank-Hilfs-Milliarden zurückgezahlt wurden. Am einfachsten wäre es, wenn man diesen Banken auferlegt, ihre Rückzahlungen eben genau in Abzahlungen von Schulden des deutschen Staates zu tätigen

Sofortiges Moratorium von Zins- und Tilgungszahlungen des Staates an deutsche Banken und Finanzinstitute!

Sofortiges Erlassen der Schulden des Staates bei öffentlichen Finanzinstituten!


Veröffentlicht am 9. Februar 2010 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 25. November 2009

Deutschland: Fortschreitende Handels-Umsatzeinbrüche

Gezielte Verarmungspolitik

Von Karl Weiss

Auch jetzt noch, nach den Wahlen, versuchen die Politik und die Massenmedien den Bundesbürger an der Nase herumzuführen. Während sie andauernd von „guter Konsum-Laune“ der deutschen Verbraucher faseln, basiert auf Meldungen der „Gesellschaft für Konsumforschung“, wo anscheinend berufsmäßige Fälscher sitzen, ist die Wirklichkeit eine andere.

Im September (jetzt veröffentlichte Zahlen des statistischen Bundesamtes) fielen die Umsätze im Großhandel in Deutschland real (also unter Herausnahme der Preisänderungen) um 9,8% im Vergleich zum Vorjahr. Im Vergleich zum August lag der Rückgang (preis-, kalender- und saisonbereinigt) bei 1,7%. Die gleichen Zahlen in Bezug auf den Einzelhandel lagen bei real 3,9% weniger gegen den Vorjahresmonat und real 0,5% gegen den Vormonat.

Doch das ist noch keineswegs alles: Nimmt man nämlich statt der realen Umsätze (also preisbereinigt) die nominalen, also in Euro, so sind die Rückgänge noch höher, es gibt also Preisverringerungen oder mit anderen Worten das Gespenst: Deflation!

Nominal fiel nämlich der Großhandels-Umsatz im Jahresvergleich September-September um 17,2% und gegen den Vormonat um 2,8%; sowie der Einzelhandelsumsatz im Jahresvergleich um 4,8%.

In der Regel geht man davon aus, dass die Umsätze im Lebensmittel-Einzelhandel außer in einigen kaum vorstellbaren Extremsituationen nie zurückgehen, oder im Normal-Fall nur um die Verminderung der Bevölkerung (die liegt in Deutschland um 0,1% im Jahr und kann daher vernachlässigt werden).

Nun, wir haben eine solche kaum vorstellbare Extremsituation: Der Einzelhandelsumsatz sinkt auch im Lebensmittel-Einzelhandel und zwar sowohl nominal wie auch real! Der Bundesbürger ist im Schnitt gezwungen, auf billigere Marken oder Lebensmittel überzugehen! Eventuell sind auch schon einige dabei, die schlicht und einfach weniger Lebensmittel kaufen, weil es nicht mehr für die gewohnte Menge reicht.

Hier die Zahlen für den Lebensmittel-Einzelhandelsumsatz: Im September-September-Jahresvergleich real minus 2,3% und nominal minus 3,7%. Im Laufe der letzten zwei Jahre ist damit der Einzelhandel mit Lebensmitteln um mehr als 6% zurückgegangen.

EU: Einzelhandelsumsatz (EU der 15) 2005 bis 2009

Das unterscheidet Deutschland auch ganz klar von anderen europäischen Ländern: Im Vergleich mit Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien, Niederlande, Belgien, Österreich, Dänemark, Finnland, Schweden, Portugal, Irland und Griechenland ist die Entwicklung in Deutschland bezüglich der Einzelhandelsumsätze von 2005 bis 2009 am negativsten.

Das sind die Erfolge der Schröder- und dann der Merkel-Regierung: Gezielte und brutale Verarmung der breiten Mehrheit der deutschen Bevölkerung, während für die Zocker an den Derivate-Börsen der Himmel offen steht: Wenn sie sich verzocken, springt die Regierung mit Steuerzahlergeld in die Bresche!

Der Ex-Bankier Jürgen Jahnke nimmt diese Entwicklung mit spitzem Bleistift aufs Korn in diesem Artikel in seinem mit vielen interessanten Statistiken gespickten Internet-Portal.

Allerdings kann er nicht sehen, dass dies eine Verarmungspolitik ist, und zwar eine absichtliche: Es wird den weniger Bemittelten genommen, so dass sie in die Armut absinken und den Reichen gegeben, die damit dann die Zockereien finanzieren, die uns in die Finanzkrise geführt haben. Er meint, es habe mit einer Verunsicherung der Verbraucher zu tun (was auch ein Faktor sein mag), aber der Begriff Verunsicherung ist wohl für jemanden, der sich einfach nicht mehr leisten kann, was er noch vor kurzem konsumierte, nicht der richtige.


Veröffentlicht am 25. November 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 24. November 2009

US-Zahlen: Wunderliche Unerklärbarkeiten

Produktion steigt ohne Stellenzuwachs

Von Karl Weiss

Die US-Industrieproduktion sei im Oktober erneut leicht gestiegen, erklärt die US-Notenbank, allerdings nur um 0,1%, gegenüber dem Vormonat. Das wäre immerhin der vierte Monat in Folge mit einer leichten Steigerung. Sieht man allerdings den Vergleich zum Vorjahresmonat an, so bricht die Illusion gleich zusammen: Minus 7,1% nach – 6,1% im September. Gleichzeitig wird schon wieder heftig in Derivaten spekuliert, dass die Bankpforten wackeln.


Die Produktionssteigerung wurde völlig ohne neue Arbeitsplätze geschafft. Es wurden im Gegenteil weitere Arbeitsplätze vernichtet. Wie das geht? Fragen Sie die US-Statistiker!

Der Einbruch in der Industrieproduktion seit dem Beginn der Wirtschaftskrise in den USA (Dezember 2007) beträgt -12,3 %. In diesem Zusammenhang muss allerdings darauf hingewiesen werden, was schon in diesem Artikel erläutert wurde: „Fortschreitende Des-Industrialisierung der USA“: Der Anteil des Industrieumsatzes am gesamten Brutto-Inlands-Produkt (BIP) der USA war bereits am Beginn der Krise auf 11, 47% gesunken! Das sind Werte eines Schwellenlandes, aber nicht die einer Industrienation!

In Deutschland zum Vergleich beträgt der Anteil der Industrieproduktion am BIP 23,5% (2008), der des gesamten produzierenden Gewerbes sogar bei 26%.

US: Employees Manufacturing 1941 to 2009

So wundert es denn auch nicht, wenn man über die USA liest: „Im Oktober 2009 waren nur noch saisonbereinigte 11,675 Millionen Arbeitnehmer im verarbeitenden Gewerbe (Manufacturing) beschäftigt. Die Anzahl der Industriejobs ist auf dem tiefsten Stand seit April 1941!“. Elf einhalb Millionen von 300 Millionen Einwohnern!

Der „Manufacturing Output“, das würde man auf Deutsch ‚Absatz des verarbeitenden Gewerbes’ nennen, fiel dagegen im Gegensatz zu den drei vorhergehenden Monaten, um 0,1% gegen den Vormonat. Der Einbruch dieses Wertes gegenüber dem Höchststand im Dezember 2007 beträgt 14,2%.

Auch von der Front der Hypotheken-Schuldner schlechte Nachrichten: 15% aller Hypotheken in den USA sind bereits in Vollstreckung oder drohen bald in Vollstreckung zu gehen (das bedeutet, diejenige Familie wird ihr Haus verlieren). Die umfangreichen Hilfen für Hypothekenschuldner durch die Regierung haben die Situation nicht verbessern können.

Kurz: Die Riesenmengen von Dollar, die Obama in die Wirtschaft der Vereinigten Staaten gepumpt hat, die vor allem den Banken zugute kamen und die für kurze Zeit die Illusion eines beginnenden Wiederaufschwungs aufkommen ließen, sind fast ohne Ergebnis auf die wirkliche Produktion der USA geblieben – vor allem aber auf die Beschäftigung. Dafür ist aber die Staatsverschuldung auf Werte gestiegen, die mehr und mehr unbezahlbar werden. Die USA nähern sich dem Staatsbankrott.

Veröffentlicht am 24. November 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 11. November 2009

Roubini sagt Monsterblase voraus

Weit mehr als alle Inlands-Produkte zusammen

Von Karl Weiss

Er wird „Mr.Doom” genannt, denn er hat die Krise vorhergesagt (im Gegensatz zu fast allen anderen bürgerlichen Ökonomen, allerdings hat der Bürgerjournalist sie schon vor ihm vorhergesagt): Nouriel Roubini, Professor der Ökonomie an der Universität von New York. Nun sagt er, nach der damaligen Blase, die sich auf riskanten Hypotheken aufgebaut hatte, eine neue, noch weit größere Blase voraus: Die Carry-Trade-Blase. Sie werde, so Roubini, den „größten koordinierten Vermögenskollaps der Geschichte“ hervorrufen.

Roubini

Also eins nach dem anderen. Was sind Carry-Trades? Also, man leiht sich Dollars, die im Moment (für die Herren Spekulanten, für Sie nicht, Sie Nichtsnutz!) überreichlich und zu Null Prozent Zinsen zur Verfügung stehen, sagen wir 2 Milliarden Dollar (Roubini belegt sogar, dass es Dollar zu Negativ-Zinsen gibt, aber lassen wir das nun einmal außen vor). Dann investiert man dieses Geld in einer Wirtschaft (oder einen Wert), die reale Zinsen anbietet, sagen wir: Auf dem brasilianischen Aktienmarkt, der gerade boomt.

Nach drei Monaten hat man dort dann seine Aktien wieder verkauft und 20% Gewinn gemacht, also 400 Millionen Dollar. Zusätzlich hat der Dollar aber während dieser Zeit noch 5% gegen den Brasilianischen Real verloren, das ergibt noch einmal 100 Millionen Dollar. Für die Reais, die man da gewonnen hat, kauft man jetzt wieder Dollar und kann sich über ein Geschäft freuen, das in drei Monaten 500 Millionen Dollar gebracht hat, also glatte 25% in drei Monaten, das macht aufs Jahr 100 Prozent Gewinn.

Toll, was?

Und das machen nun alle. Das kann man mit Rohstoffen machen oder mit allen Werten, die steigen.

Man kann auch einfach nur gegen den Dollar wetten. Man verkauft Dollars zum heutigen Kurs zu einem zukünftigen Datum. Man hat diese Dollars aber gar nicht, man wird sie an jenem zukünftigen Datum kaufen. Ist der Dollar weiter gefallen, hat man gewonnen.

Nun, so sagt Roubini, wird aber der Moment kommen, in dem der Dollar aufhört zu fallen – aus welchem konkreten Grund auch immer – Roubini sagt, er kann ja nicht bis auf Null fallen. Dann könnten zum Beispiel der brasilianische Real beginnen zu fallen und mit ihm die brasilianische Börse und gleichzeitig auch die Rohstoff-Preise.

Dann müssten alle diese Millionen von Spekulanten (die sitzen üblicherweise in Bank-Hochhäusern, aber es gibt auch andere) innerhalb weniger Tage alle diese Positionen auflösen und Dollars kaufen. Das würde zu einem katastrophalen Anstieg des Dollars führen und dazu, dass alle diese Millionen von Spekulanten immense Mengen an Geld verlieren. Typischerweise ist das ja Geld, das ihnen gar nicht gehört, sondern das ihnen gutgläubige Einleger zur Verfügung gestellt haben.

Wenn das eintritt, also die Blase platzt, so meint Roubini, könnte das zu noch weit spektakuläreren Crashs von Banken und von ganzen Ökonomien führen als vor einem Jahr (beim Crash vor einem Jahr ging ja nur die isländische Ökonomie auf Grund).

Vor allem hätten dann die Staaten aber auch nicht mehr das Geld, um wieder haufenweise Banken und Versicherungen zu retten – oder wenn sie es dennoch geben, würden die Staaten als solche bzw. ihre Währung als solche zusammenbrechen. (Dieser letzte Absatz steht nicht in Roubinis Artikel, aber die Folgerung ist logisch).

Hier steht Roubinis Artikel.

Nach Roubinis Angaben werden in diesem Moment Hunderte von Millionen von solchen Carry-Trades veranstaltet und keiner von ihnen geht über weniger als Millionen Dollar.

Millionen mal Millionen mal Hundert = ...... na, rechnen Sie selbst nach.

Das wäre jedenfalls weit mehr als alle Brutto-Inlandsprodukte der Welt zusammen (zum Vergleich: Das Welt-„Gross-Domestic-Product“ (nach PPP-Methode) von 2006 war etwa 6 500 Milliarden US-Dollar; siehe auch diesen Artikel ).


Veröffentlicht am 11. November 2009 in der Berliner Umschau


Zusatz zum Artikel
Die Aussage am Schluss de Artikels ist etwas grob (weil es hier auf ein paar hundert Milliarden nicht ankommt). Der exakte Begriff für die hier genannte Zahl 6 500 Milliarden Dollars ist "Brutto-Inlandseinkommen", auch wenn oben im Artikel der Begriff "Inlands-Produkt" verwendet wird, was nahelegen könnte, es sei vom "Brutto-Inlandsprodukt"(BIP) die Rede. Die beiden Werte sind aber verbunden und liegen beide in der gleichen Grössenordnung.

Ausserdem ist die Währung bei der Zählung des "Gross Domestic Product" nach der PPP-Methode nicht US-Dollar, sondern "Internationaler Dollar", eine künstliche Währung, welche die Kaufkraft der einzelnen Währungen besser repräsenteren soll. Aber auch hier sind die Werte in der gleichen Grössenordnung. Wer mehr wissen will, kann sich hier informieren: "Brutto-Sozialprodukt: China und Indien schon auf Platz 2 und Platz 4"

Dienstag, 10. November 2009

Und Spanien? Niemand spricht von Spanien!

41,7% Jugend-Arbeitslosigkeit

Von Karl Weiss

Hatten wir vorletzte Woche noch geschrieben: „Die Briten schlagen alle Minus-Rekorde“ (https://karlweiss.twoday.net/stories/6011424/ ), meldet sich jetzt ein anderer Kandidat für Krisen-Minus-Rekorde zu Wort: Spanien. „Und wir, haben wir etwa nichts zu bieten?“ Tatsächlich gibt es so viele Kandidaten für die mieseste Krisen-Situation, dass man mit den Berichten kaum noch nachkommt. Spanien ist zweifellos ein erstklassiger Kandidat.

Spanien hat nun 3,8 Millionen Arbeitslose – und das sind nur die offiziell registrierten. Das sind über 35% mehr als vor einem Jahr. Spaniens Besonderheit (zusammen mit den USA und Großbritannien) ist die Verbindung der Wirtschaftskrise mit einer Immobilienkrise. In allen drei Ländern hatte sich eine Immobilienblase aufgebaut, also ein gewaltiger Preisanstieg der Haus- und Wohnungspreise, der Wohnungsbesitzern die Möglichkeit gab, hohe Hypotheken aufzunehmen. Als dann im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise die Wohnungspreise begannen steil zu fallen, hatten Viele nach kurzer Zeit mehr Schulden als das ganze Haus noch Wert war.

Die schlimmste Folge der Immobilienkrise aber war das fast völlige Erliegen der Bautätigkeit. Über 700.000 der Arbeitslosen waren vorher Bauarbeiter. Die Zahl verkaufter Häuser bzw. Wohnungen fiel auf unter 35.000 pro Monat, während sie noch vor zwei Jahren bei über 80.000 im Monat lag.

Die spanische Arbeitslosigkeit beträgt jetzt 19,3% (Angabe von 'eurostat' für September). Damit übertrifft man nun sogar die desaströsen Zahlen der USA. Allerdings können beide Länder wegen der stark unterschiedlichen Bevölkerungszahl nicht so einfach verglichen werden.

Im spanischen Fall war die Situation – ähnlich wie in Deutschland – stark durch die Freigabe befristeter Arbeitsverhältnisse gekennzeichnet. Vor allem Jugendliche und junge Leute bekamen fast nie feste Anstellungen. So ließen die spanischen Unternehmen die Arbeitsverhältnisse auslaufen und hatten nicht einmal die Arbeit, kündigen zu müssen.

Das Ergebnis sind die hohen Arbeitslosenzahlen und speziell die höchste Jugendarbeitslosigkeit aller vergleichbaren Länder: 41,7% der Jugendlichen in Spanien (Angaben für September) sind arbeitslos! EU-Vergleichszahl: 20,1% Jugendarbeitslosigkeit.

Auch in Spanien sinkt das Brutto-Inlandsprodukt bereits das fünfte Quartal in Folge und das laufende Quartal wird nicht besser aussehen, wenn auch der Absturz nicht mehr so brutal ist.

Dabei versuchte die spanische Regierung noch, die Konjunktur anzukurbeln und verschuldete sich weiter. Nun aber wird (wie auch in den Fällen USA und Großbritannien) die Verschuldung selbst zum Hauptrisiko. Die gesamte Verschuldung Spaniens (Regierung, Unternehmen und Haushalte) beträgt 2 700 Milliarden Euro. Heute muss Spanien bereits höhere Zinsen anbieten, um noch Staatsanleihen loszuwerden. Zusammen mit Griechenland und Irland gefährdet Spanien damit die Stabilität des Euro. Deutschland und Frankreich könnten es noch bitter bereuen, in den Euro eingestiegen zu sein.


Veröffentlicht am 10. November 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 9. November 2009

Die zweite Phase der Krise hat begonnen

Wir brauchen den Sozialismus

Von Karl Weiss

Alles Gesundbeten hat nichts geholfen. Die Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise ist nicht nur nicht beendet, sie geht gerade in die zweite Phase großer neuer Probleme. Wie auch die erste Phase wurde diese eingeläutet mit der Pleite einer Grossbank. War es am 15.9.08 die Pleite der Lehmann Brothers, so ist es am vergangenen Wochenende die Pleite der CIT Group gewesen, die nach der erstgenannten die größte Bankpleite der Welt ist

Der Rettungs-Plan

Gleichzeitig wurde ein neuer großer Milliardenbedarf von Fannie Mae in den USA, dem größten Immobilienfinanzierer der Welt, gemeldet. Damit werden die finanziellen Möglichkeiten der US-Regierung, die bereits an die äußerste Grenze der möglichen Neuverschuldung gegangen ist, noch enger.

Auch die von der deutschen Regierung aus unerfindlichen Gründen gerettete Hypo Real Estate hat erneut weiteren Milliarden-Bedarf angemeldet, den die Bundesregierung offenbar erneut bedienen wird. Die Insolvenz dieser Bank hätte keinen größeren Einfluss auf die Finanzmärkte gehabt als die der Lehmann Brothers.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Nach Angaben der FED, der (privaten) US-Zentralbank, stehen die Subprime-Kredite, also Hypothekenkredite mit äußerst fraglicher Rückzahlungswahrscheinlichkeit, heute wieder bei etwa 20% der ausstehenden Kredite. Das ist exakt der Stand vom Anfang der Krise, der ausschlaggebende Faktor für das Eintreten in die Finanzkrise (die Wirtschaftskrise war in den USA bereits im Dezember 2007 ausgebrochen).Man kann also erneut mit dem Platzen einer Blase rechnen.

Dass die Politik in Wirklichkeit weiß, dass die Krise nicht zu Ende ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass weder die US-Notenbank, noch die Bank von England noch die europäische Zentralbank die Leitzinsen erhöht haben. Angesichts der riesigen Verschuldungen müsste dies nämlich geschehen, wenn sich erste Anzeichen einer Erholung bemerkbar machten.

USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

Inzwischen wurde offiziell zugegeben, dass die tatsächliche Arbeitslosigkeit in den USA jetzt bei 17,5% liegt. Damit haben die USA die höchste Arbeitslosigkeit aller Industrieländer, eine Arbeitslosigkeit, wie sie sonst nur in Entwicklungsländern angetroffen wird.

Da klingt es fast lächerlich, wenn für die USA im dritten Quartal ein Wirtschaftswachstum von 3,5% gemeldet wird und behauptet wird, die Krise sei zu Ende. Dieses scheinbare Wachstum wurde nur durch Gelddrucken „gefertigt“ und repräsentiert keinerlei realen Zuwachs an Werten. Die Industrieproduktion liegt weiterhin am Boden, wenn auch durch das Programm „Cash for Klunkers“ ein geringfügiges Wachstum im Bereich unter 1% erreicht wurde. Sobald das Programm ausläuft, steht man wieder vor dem Nichts. Wenn keine Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn es keine Lohnzahlungen gibt, kommt man auch nicht aus der Krise.

Deutschland - Brutto-Inlands-Produkt gegen Vorjahr - quartalsweise

Was tatsächlich passiert, ist: Die Kapitalvernichtung, welche die Krise mit sich bringt, soll der ganzen Gesellschaft auferlegt werden, ebenso die Spekulationsverluste. Dagegen muss gekämpft werden.

Wer glaubt, er wird durch die Krise kommen, wenn er sich nur gut weg duckt, bald werde es wieder besser, wird bald merken, wie schief er liegt. Das Monopolkapital an der Macht wird jeden Einzelnen zur Kasse bitten. Nur Kampf kann das Schlimmste verhindern.

Karl Marx

Dieser bereits stinkende Kapitalismus hat nur mehr Krieg, Not, Elend, Arbeitslosigkeit, Massaker, Verblödung und Erniedrigung zu bieten. Wir brauchen den Sozialismus - und so schnell wie möglich!


Veröffentlicht am 9. November 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 5. November 2009

GM hat nicht alle Karten in der Hand

Was sollen die Opel-Werker tun?

Von Karl Weiss

GM wird Opel nicht verkaufen. Nach fast einem Jahr von Vorspiegelungen falscher Tatsachen hat GM nun endgültig zugegeben: Man hat überhaupt nicht vor, Opel zu verkaufen (und hatte es wahrscheinlich nie). Man hat ausgelotet, wie viel herausspringen kann an Staatshilfen und an Abstrichen der Arbeiter und will dies Geld nun selbst einstreichen. Danach kann man Opel immer noch zumachen. Die Alternative für Opel ist laut GM-Chef Henderson die Insolvenz. Doch der deutsche Treuhänder Pfeil sagt, wenn es das wollte, hätte GM das längst haben können.

Ford Trucks in Detroit auf Halde

Und damit kommen wir bereits auf den Punkt: GM hat keineswegs alle Karten in der Hand in diesem Spiel. Die Insolvenz von Opel wäre auch für GM ein Desaster. Damit haben die Opel-Werker Trümpfe in der Hand. Die lauten: Streik, Werksbesetzung, so wie 2004 in Bochum. Das ist die Sprache, die man auch in Detroit versteht.

Ein Streik in den vier deutschen Opel-Werken (Rüsselsheim, Kaiserslautern, Eisenach und Bochum) würde die GM TÄGLICH zwischen 10 und 90 Millionen Euro kosten (je nach den genauen Bedingungen), das ist für einen sowieso schon angeschlagenen Konzern nicht mehr als eine Woche durchzuhalten. Erinnern wir uns: Als die Bochumer Opel-Werker, von der Schließung des Werkes bedroht, im Herbst 2004 zu streiken begannen, knickte GM bereits nach einer Woche ein und der Streik konnte nach 10 Tagen beendet werden.

Würden die Antwerpener Kollegen sich anschließen – was wahrscheinlich ist – würde die Kampfkraft noch stärker. GM ist darauf angewiesen, dass die Opel-Werke Autos bauen und Geld hereinkommt. Es besteht kein Grund zu glauben, GM würde Opel wirklich pleite gehen lassen. Wie gesagt, das hätten sie längst haben können.

Opel Merkel

Wie ist die Situation von GM? Von allen in den USA entwickelten Autos lassen sich außerhalb der USA praktisch keine verkaufen – mit einigen Ausnahmen in Entwicklungsländern, in China und Australien. Das technische Niveau ist viel zu schwach. Das ist auch der Grund, warum GM von der Krise besonders hart getroffen wurde.

Dagegen hat man bei Opel ein anspruchsvolles technisches Niveau. Im Prinzip kann man mit VW mithalten. Hier in Brasilien zum Beispiel kann GM mit Ausnahme eines 'Truck' und eines „SUV“, von dem nur einige hundert im Jahr abgesetzt werden, ausschließlich von Opel entwickelte Fahrzeuge verkaufen und nimmt immer noch den dritten Platz der Verkäufe nach Fiat und VW ein. Im Süden des Landes wird der Kleinwagen „Celta“ mit Opel-Technologie gebaut, daneben im Südwesten der Corsa in mehreren Versionen, dann der Astra und auch der Vectra, alles Original-Baupläne aus Deutschland.

Ähnlich geht es GM, wenn man Märkte in China, in Russland, in Indien usw. erobern will: GM ist mehr auf Opel angewiesen als Opel auf GM.

In den USA selbst hat man es mit geschickten Verkaufs- und Rabatt-Taktiken verstanden, die US-Amerikaner doch noch eine ganze Zeit dazu zu bringen, GM-Autos zu kaufen. Vor allem das intensive Appellieren ans Nationalgefühl hat am Ende doch immer wieder viele US-Bürger dazu gebracht, GM-Autos zu kaufen. Doch dieser Bonus ist nun dahin.

Die leichten Verkaufszuwächse nach dem tiefen Tal der Tränen mit praktisch halbierten Absatzahlen im Verlauf der aktuellen Krise sind ausschließlich auf das mit riesigen Geldsummen ausgestattetet Programm „Cash for Clunkers“ der US-Regierung zurückzuführen. Sobald das ausläuft, beginnt wieder Heulen und Zähneknirschen bei GM. Man hat sich in Detroit bisher von keinem der „bewährten Rezepte“ für die Insolvenz der Firma verabschiedet.

Barack Obama

Die Beteiligung des Staates „Vereinigte Staaten von Amerika“ nützt GM gar nichts, außer für die Geldausstattung. Aber auch die ist nicht endlos. Hohe Verluste wegen Streiks in Europa werden automatisch dazu führen, dass Anweisung gegeben wird: „Erledigen Sie das!“. Gemeint ist: „Bringen Sie die Leute mit Zugeständnissen dazu, aufzuhören.“

Also: Die Opel-Belegschaft (und das gilt natürlich auch für Vauxhall in England) sitzt am längeren Hebel, wenn man wirklich streikt (keine 1-Stunden-Streiks, die hinterher reingearbeitet werden, keine „Warnstreiks“, stattdessen Vollstreik und Werksbesetzung, so wie damals in Bochum!). Magna hätte noch die Möglichkeit gehabt, den Kauf rückgängig zu machen. Die hat GM nicht. Man ist Besitzer und muss für alles aufkommen. Die Drohung mit dem Opel-Konkurs braucht nicht ernst genommen zu werden, denn den will man nicht und er würde die schlechteste aller Möglichkeiten für GM bedeuten.

Es ist sehr wohl möglich, dass Opel noch geschlossen wird, eventuell auch GM überhaupt, denn die USA können nicht Geld bis zum ‚geht nicht mehr’ einschießen, aber das ist ein anderes Kapitel. Wenn es überhaupt eine Möglichkeit des Überlebens von Opel mit einem wesentlichen Teil seiner Arbeitsplätze gibt, dann kann dies nur durch konsequenten Streik erreicht werden.


Veröffentlicht am 5. November 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 4. November 2009

Brasilien ist der Renner der Saison

Wird Brasilien das Land des Jahres 2010?

Von Karl Weiss

So unglaublich es klingen mag: das Entwicklungsland Brasilien hat es fertig gebracht, sich vom Trend der (fast kompletten) Welt abzukoppeln und aus der Krise heraus zu kommen. Während die USA in einer Arbeitslosigkeit nie gekannten Ausmaßes versinken, während China nun selbst „Bubbles“ erzeugt, während Großbritannien zu einem der Haupt-Risikofaktoren in Europa geworden ist, während Japan in einer Deflation bei gleichzeitigem BIP (Brutto-Inlandsprodukt)-Rückgang versinkt, während Deutschland die ganze Krise noch vor sich hat, hat sich Brasilien durch den Hinterausgang aus der Krise geschlichen.

Brasilien (topographisch)

Wie hat man das geschafft? Nun, Brasilien hat schlicht und einfach das genaue Gegenteil getan, was die bürgerlichen Ökonomen raten. Statt die öffentlichen Ausgaben zusammenzustreichen, hat man sie erhöht. Statt die Sozialausgaben zu kappen, hat man sie gewaltig erhöht. Statt zu privatisieren, hat man das wichtigste Staatsunternehmen, die Petrobras, in staatlicher Mehrheit behalten.

Logo Petrobras

Zum Beginn der Krise waren die brasilianischen Exporte auf etwa 15% des BIP gewachsen, was schon gewisse Bedenken hervorrief. Der Außenhandelsüberschuss war schon nicht mehr so riesig wie ein oder zwei Jahre zuvor, aber dies war auf einen Anstieg der Importe wegen der gut laufenden Konjunktur zurückzuführen, nicht auf eine Verminderung der Exporte. Und dies war erreicht worden mit einem brasilianischen Real, der extrem hoch bewertet war. Zum Beginn der Krise im September 2008 lag der Real bei 1 Dollar 50 – das war im Vergleich zur damaligen Kaufkraft eine Überbewertung von 30 bis 40%. Und – so unglaublich das klingen mag, das war mit den extrem hohen Zinsen geschafft worden, wie sie den Entwicklungsländern auferlegt werden. Zum damaligen Zeitpunkt lag der brasilianische Leitzins bei 12%! Versuchen Sie einmal in Deutschland mit einem Leitzins von 12% zu arbeiten. Sie würden sofort einen extremen Wirtschaftsabschwung auslösen.

All das sind Zahlen, bei denen ein bürgerlicher Ökonom sagt: „Das gibt’s nicht“, aber es war so. Das Wachstum des BIP in Brasilien war zu diesem Zeitpunkt bei 5%, das wurde nur von China und Indien übertroffen. Aber: dieses Wachstum war nur zu einem geringem Teil vom Export abhängig, der größte Teil war Wachstum des Binnenkonsums - also völlig verschieden von der im wesentlichen vom Export getragenen chinesischen Wirtschaft. Wie hatte man das geschafft?

São Paulo, grösste Stadt der südlichen Hemisphere

Präsident Lula, der in seiner ersten Amtszeit noch Neo-Liberales verbrochen hatte, dass man schon meinen konnte, es würde einen Schröder-Verschnitt geben, warf in seiner zweiten Amtszeit das Ruder herum und setzte auf Bekämpfung des Hungers und der Armut. Es wurden die zwei Programme „Fome Zero“ („Hunger Null“) und „Bolsa Familia“ („Familien Stipendium“) aufgelegt, die den Ärmsten der Armen monatlich eine kleine Geldsumme zukommen ließen, die zwar keinerlei Sprünge zuließ, aber zumindest reichte, um nicht zu hungern.

Dazu wurde der Mindestlohn Jahr für Jahr deutlich über der Inflationsrate angehoben. Zudem wurde die Erhöhung jedes Jahr einen Monat früher vorgenommen – er wurde also im 11-Monatsrhythmus angehoben. Heute steht der Mindestlohn bei 450 Reais im Monat bei einer 44-Stunden-Woche, das sind also etwa 250 Dollar. Das ist für ein Entwicklungsland viel. Zwar ist der Mindestlohn in Brasilien nicht zwingend – es gibt keine Strafe für jemanden, der ihn nicht einhält, aber er ist die wichtigste Bezugszahl für Renten und eben auch für Löhne. Viele der anderen Lohnerhöhungen orientierten sich an den Zuwachsraten des Mindestlohns.

Amazonas

Auch im öffentlichen Dienst wurden deutliche Lohn- und Gehaltserhöhungen gewährt, sodass das gesamte Lohnniveau bis hinauf in die Gehälter einen Sprung machte.

Die Effekte dieser Maßnahmen, die relativ billig waren, ist beeindruckend (alles das zusammen kostete deutlich weniger in den vier Jahren der zweiten Amtszeit des Präsidenten als in Deutschland die Rettung der Hypo Real Estate und der Landesbanken). Der Hunger wurde in Brasilien (mit bestimmten Ausnahmen) beseitigt. Das führte dann auch zu einer Verringerung der Kindersterblichkeit in den besonders armen Gebieten und einem Zurückdrängen von Krankheiten. Die Armen in Brasilien (also nicht die, welche in totaler Misere gelebt haben) haben in großen Teilen nun ein Lebensniveau erreicht, das ihnen zum ersten Mal ein Minimum von menschenwürdigem Leben ermöglicht. Wer wenig verdient hat, kann jetzt in vielen Fällen daran denken, die eine oder andere Anschaffung zu machen. Die Zahl der Brasilianer, die sich ein Auto leisten können, ist steil gestiegen, was wiederum einen wesentlichen Teil des Wachstums ausgemacht hat.

Favela in Belo Horizonte

Die Nicht-Regierungs-Organisation „Action Aid“ hat diese Anstrengungen der brasilianischen Regierung gewürdigt. Sie erklärte, Brasilien habe eine Vorbildfunktion für alle Entwicklungsländer mit dieser Politik. Das Land zeige, „was erreicht werden kann, wenn die staatlichen Mittel und die Bereitschaft zur Bekämpfung von Hunger vorhanden sind.“

Nach Ansicht der Direktorin der ‚Action Aid, Anne Jellema, ‚“ist die Rolle des Staates und nicht das Ausmaß des Reichtums für die Fortschritte in Bezug auf Hunger verantwortlich.”

Nach Angaben der Organisation werden in Brasilien etwa 44 Millionen Menschen von den sozialen Programmen erreicht und hungern nicht mehr. Die Programme hätten zu einer Reduzierung von 73% der Unterernährung von Kindern im Lande geführt. Allerdings mahnt die Organisation an, dass viele Landlose und Kleinbauern weiterhin keine Möglichkeit haben, sich ausreichend zu ernähren.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Vielleicht war es nicht ganz unbedeutend für diesen Fortschritt, dass Präsident Lula selbst aus einer extrem armen Gegend stammt und als Kind und Jugendlicher hungern musste. Er weiß, wie weh das tut.

So wurde also Brasilien im Oktober 2008, als sich die Wellen der Krise über die ganze Welt ausbreiteten, mit einem Brutto-Inlandsprodukt angetroffen, das zu fast 80% auf internem Konsum basierte. (Zum Vergleich: In Deutschland waren etwa 40% auf Export basiert).

Rio de Janeiro Botanischer Garten 1

Was passierte? Nun, im wesentlichen das gleiche wie in anderen Ländern: Der Export krachte zusammen wie von einem Tsunami getroffen. Der Kurs des Real fiel innerhalb von Tagen von 1 Dollar 50 auf 2 Dollar 40. Der Index der brasilianischen Börse halbierte sich praktisch. Fast alles Spekulationsgeld aus dem Ausland, das nach Brasilien geflossen war, wurde innerhalb einer Woche abgezogen. Der Verkauf von Autos ging fast auf Null, weil es keine (relativ) billigen und langfristigen Kredite mehr gab. Die Autoindustrie dekretierte Zwangsferien und die Auto-Teile-Industrie entließ Tausende von Arbeitern. Die Auto-Teile-Industrie beschäftigt in Brasilien weit mehr als die Auto-Industrie selbst. Auch die Minengesellschaften und die Stahlindustrie wurden hart getroffen und entließen.

VW Brasilien Autohalde
VW Brasilien: Autohalde auf dem Höhepunkt der Krise

Das ergab natürlich eine deutliche Verringerung des BIP. Fast der ganze Zuwachs bis zum September 2008 wurde bis zum Jahresende aufgezehrt. Allerdings hatte Brasilien keine einzige Bank zu retten und keine Versicherungsgesellschaft. In Brasilien hatte sich niemand in erkennbarem Ausmaß an den Spielkasino-Orgien der Finanzmärkte der ach wie so entwickelten Länder beteiligt.

Damit blieb Geld in den Kassen für ein Konjunktur-Programm. Das allerdings war ein Mini-Programm und beschränkte sich auf zwei Maßnahmen: Es wurde die Verkaufssteuer auf Kleinwagen und elektrische Haushaltsgeräte zeitweise ausgesetzt und die staatliche Bundes-Sparkasse stellte wieder (relativ) billige und langfristige Kredite zum Auto- und Haushaltsgerätekauf bereit – und zwang damit die Banken, dies auch zu tun.

Carnaval Rio 2009 20

So rappelte sich Brasilien langsam wieder auf, was die entwickelten Länder nicht schafften. Mit dem zeitweisen Erlassen von Steuern wurde nicht viel Bedarf vorgezogen, so dass Brasilien jetzt nicht wie Deutschland und andere Länder mit Abwrackprämien ein Loch im Autoabsatz erwarten muss. Ein Teil des Exports ist schon wieder ins Laufen gekommen. China als wichtiger Abnehmer des Eisenerzes aus Brasilien kauft schon wieder recht munter und die ehrgeizigen Pläne zur Ausweitung der Erdölförderung im Meer vor der brasilianischen Küste wurden nicht um einen Cent zusammengestrichen.

Zwar hat das BIP noch nicht wieder seinen Monatshöchststand vom September 2008 erreicht, aber es fehlen nur ein paar Monate, bis dies geschafft sein wird. Der Real hat sich am Dollar schon wieder auf einen Stand von 1,75 hochgearbeitet, die Börse hat einen wesentlichen Teil der Verluste schon wieder aufgeholt und Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungsbetriebe stellen wieder ein.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Voraussichtlich bis zum März 2010 ist alles wieder auf Vorkrisenstand. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen sind es jetzt schon! Zwar sind die - wie auch in anderen Ländern – in Brasilien getürkt, aber das waren sie vorher auch. Relativ ergibt sich da wieder eine Wahrheit.

Inzwischen ist der Ruf Brasiliens als „gute Anlage“ auch bereits auf den flüchtigen Kapitalmärkten angelangt. Spekulationskapital strömte wieder nach Brasilien, einerseits um die weiterhin hohen Zinsen einzustecken und andererseits, um sich am boomenden Aktienmarkt gütlich zu tun. Die Milliarden waren so viel, dass die brasilianische Regierung eine Spekulationsabgabe beschloss für Kapital, das nicht in Sachgütern oder Produktionsmitteln angelegt wird, sondern in Papieren der brasilianischen Zentralbank oder auf dem Aktienmarkt. Die Abgabe beträgt immerhin zwei Prozent. Hätte nun einer gemeint, damit würde der Zufluss von Spekulationskapital gebremst, sah er sich nur einen Tag lang bestätigt. Nach der ersten Schrecksekunde rechneten die Anleger nach und kamen zum Schluss, das zu gewinnende Geld ist auch dann noch ausreichend, um diese Anlage attraktiv zu machen. Der Kapitalzufluss setzte am zweiten Tag nach der Gültigkeit der Abgabe wieder ein. Hier ist die Rede von Milliardenbeträgen von Dollar pro Tag.

Ethanol- und Zuckerfabrik in Brasilien

Das Interesse der Finanzmärkte – und nicht nur dieser – für Brasilien geht sogar so weit, dass der renommierte Kommentarist der Britischen ‚Financial Times’, Michael Skapinker, in seinem neuesten Kommentar schrieb: „Brasilien ist die Macht, die es gilt, im 21. Jahrhundert zu beobachten.“ Er sagt, es gibt zwei Möglichkeiten, wie es mit Brasilien weitergeht. Die eine wäre, dass die Probleme der schreienden ökonomischen Ungleichheit und des organisierten Verbrechens zum Ausschlaggebenden werden und Brasilien nach unten reißen. Die andere Möglichkeit wäre, die ökonomischen Fortschritte Brasiliens könnten die Probleme bei weitem in den Hintergrund drängen und dem Land eine glänzende Zukunft geben.

Skapinker nimmt keine Stellung, welche der Möglichkeiten er für wahrscheinlicher hält, aber er legt ausführlich die positiven Aspekte dar: „Brasilien wird die große Geschichte des kommenden Jahres sein. (...) Brasilien ist in guter Form aus der Krise herausgekommen. Das Land sitzt auf einer riesigen - gerade eben entdeckten – Erdölreserve im Meer vor der Küste. Es erhielt die größte Finanzinvestition dieses Jahres: 8 Milliarden US-Dollar hat die [spanische] Banco Santander für seine Ausweitung auf Brasilien ausgegeben. Außerdem wird Brasilien Gastgeber der beiden größten Sportereignisse der Welt sein: Die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2014 und die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro im Jahre 2016.“

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Was auch immer die Zukunft Brasiliens bestimmen wird, die Bevölkerung des Landes hat sich in Umfragen extrem optimistisch gezeigt. Man glaubt an eine positive Entwicklung. Die höchste Zustimmung von allen hat der Präsident. Lula kommt in Brasilien in den berühmten demoskopischen Umfragen, bei denen man die Regierung mit „sehr gut“, „gut“, „befriedigend“, „ausreichend“ und „ungenügend“ einstuft, in der Summe von ‚sehr gut’ und ‚gut’ auf 84%! Das ist die beste Beurteilung, die je ein Regierungschef in dieser Art der Umfragen geschafft hat und auch die bei weitem beste in der Geschichte Brasiliens.

Chávez und Lula

Ein brasilianischer Freund des Bürger-Journalisten charakterisierte das so: „Von 100 schweren Problemen Brasiliens hat Lula EINES in wesentlichen Teilen gelöst, den Hunger, und schon liegen ihm alle zu Füssen.“


Veröffentlicht am 4. November 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Hat Deutschland die Binnennachfrage gebremst?

Wird der deutsche Export je wieder alte Höhen erreichen?

Von Karl Weiss

Eine Melvyn Krauss, die in einer „Denkfabrik“ der Universität Stanford arbeitet, einer der führenden US-Universitäten, hat einen Gastartikel in der Financial Times Deutschland (FTD) geschrieben, der als Kernthese hat, Deutschland habe gar nicht die Binnennachfrage gebremst, was von der G20 als eine der Ursachen der internationalen Schieflage angesehen wird, die zu den katastrophalen Folgen der Krise führten.

Die G20 hat dann auch Deutschland aufgefordert hat, etwas für die Binnennachfrage zu tun, damit auch andere nach Deutschland exportieren können und nicht immer nur Deutschland in andere Länder.

Deutschland: Exportabhängigkeit: Anteil Auslandsumsatz am Industrieumsatz 1995 bis 2008
Hier wird die völlig absurde Einseitigkeit des Exports im Industrieumsatz dokumentiert.

Diese Kritik und die Empfehlungen der G20 stimmen auch mit dem überein, was der Ex-Bankier Jürgen Jahnke in seinen Internetportal https://www.jjahnke.net/index.html
immer wieder schrieb: Die drei Länder mit gigantischen Exportüberschüssen vor der Krise, China, Deutschland und Japan, haben damit Ungleichgewichte geschaffen, die wesentlich für die Außenhandelsdefizite anderer Länder, vor allem der USA und Großbritannien, verantwortlich waren. Wenn hier diese fünf Länder erwähnt werden, so sind das (nicht zufällig) genau die fünf größten Volkswirtschaften der Erde. Die G20 haben betont, die Ungleichgewichte dieser fünf Volkswirtschaften müssten ausgeglichen werden, was für die Export-Giganten bedeutet, sie müssen die Binnennachfrage gezielt stützen, um damit dem Rest der Welt die Möglichkeit zu geben, in diese Länder zu exportieren.

Die deutsche Politik, allen voran Frau Merkel, setzen dagegen ausschließlich auf eine Erholung der Exporte, wenn es darum geht, wie Deutschland wohl aus der Krise kommen könnte. Und mit ihr zusammen die Westerwelles, die Steinmeiers, die Schäubles und was da sonst noch so kreucht und fleucht und natürlich die großen Gurus, an deren Lippen die Massenmedien hängen, wie Ifo-Chef Sinn und Arbeitgeber-Chef Hundt.

Deutschland ist völlig unschuldig, so wird wieder und wieder versichert, man sei lediglich Opfer der Krise, die von den USA ausgegangen wäre. Das Fehlen eines Unrechtsbewusstsein ist frappant. Genau in diese gleiche Kerbe hackt nun auch Melvyn Kraus, die sich sogar erdreistet, die Aussagen der G20 als ausschließlich von Präsident Obama inspiriert anzusehen und zu fragen „Was erlaubt sich Washington“ und zu konstatieren: „Die Kritik an den deutschen Exportüberschüssen ist eine Frechheit.“

Das ist allerdings starker Tobak. Dieser Tobak wird völlig ungenießbar, wenn sie dann noch behauptet: „...Deutschland einen Exportüberschuss aufweist, ... nicht, weil man die Inlandsnachfrage bremst.

Das ist kein Tobak mehr, das ist eine freche Lüge.

Was war die Agenda 2010 anders als eine massive Bremse der Binnennachfrage, was war Hartz IV, was war die Freigabe der Leiharbeit, was die Weigerung, einen Mindestlohn einzuführen, wie ihn alle anderen großen Volkswirtschaften haben (mit Ausnahme von China und Japan – welch Zufall, nicht?), was waren die Ein-Euro-Jobs, die viele tausend reguläre Arbeitsstellen ersetzt haben und was war vor allem das Verweigern von Lohnerhöhungen über ein Jahrzehnt, die zumindest auch nur die Inflation ausgeglichen hätten? Dazu kam die grösste Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik mit 3 Prozent-Punkten in der Mehrwertsteuer, nachdem man vor der Wahl 2005 geschworen hatte, man werde genau dies nicht tun.

Vergleichen wir die bekannte Statistik zwischen Deutschland und anderen großen Volkswirtschaften: Die Reallöhne, also Löhne von 2000 bis 2008 minus Inflation:

Statistik Reallöhne

Deutschland: - 0,8%

Spanien: + 4,6%

Italien : + 7,5%

Frankreich: + 9,6%

Niederlande: + 12,4%

Polen: + 19,0%

Großbritannien: + 26,1%

Wenn das in Deutschland alles zusammen kein Bremsen, ja sogar eine Vollbremsung, der Binnennachfrage war, dann gibt es kein solches Bremsen.

Und wenn man dieses Argument wegnimmt, dann bleibt von der ganzen Stellungnahme nichts übrig.

Westerwelle

Der Artikel der FTD setzt sich ausführlich mit der Politik der USA auseinander, die ja genau das Gegenteil Deutschlands gemacht haben, riesige Haushaltsdefizite Jahr für Jahr übereinander gepackt haben, riesige Außenhandelsdefizite dazu, finanziert mit Dollar-Bonds, mit Geld-Drucken und mit einem Exzess von Krediten an die Bürger. Natürlich war dies, der umgekehrte Weg Deutschlands, genauso falsch und hat wesentlich zur momentanen Krise beigetragen.

Pfau

Nur war der Deutsche Weg eben die andere Seite der gleichen Medaille, indem bewusst und gezielt die Bevölkerung verarmt wurde, unter dem Vorwand, international „konkurrenzfähig“ zu werden. Nur war man in Wirklichkeit längst konkurrenzfähig, die Lohnstückkosten der Bundesrepublik lagen im Mittelfeld der vergleichbaren Länder. Heute sind sie ganz dort unten angekommen, wo man nur ausgesprochen arme Länder antrifft.

Welt: Vergleich - Arbeitnehmerentgelt in Kaufkrafteinheiten
Hier wird deutlich, wie die Kaufkraft in Deutschland mit Gewalt verringert wurde, um die Lohnkosten so weit zu senken, dass niemand mehr Industrieprodukte so gut und so billig anbieten konnte wie Deutschland.

Sieht man sich nun an, was seit dem Ausbruch der Krise in Deutschland getan wurde: Es gab nicht eine einzige Maßnahme, die zu einer deutlichen Festigung der Binnennachfrage geführt hätte. Die Gelder an die Banken wurden nicht in Kredite an den kleinen Mann umgewandelt, sondern dienen schon wieder zum Aufbau neuer „Blasen“. Die Abwrackprämie, fälschlich Umweltprämie genannt, zog nur Bedarf vor, was sich jetzt besonders negativ bemerkbar machen wird. Das Konjunkturprogrammchen kam praktisch ausschließlich Betrieben und Reichen zu Gute und die stellen eben nicht die Binnennachfrage dar. Binnennachfrage schaffen praktisch nur die Massen der Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen, also 85 - 90% der Bevölkerung.

Lohnstückkosten
Diese Statistik geht nur bis 2002, aber bereits zu diesem Zeitpunkt gehörten die deutschen Lohnstückkosten zu den niedrigsten der Industrieländer. Danach ging es, wie bekannt, noch weiter bergab.

Auch das, was die neue Koalition, fast nicht von der alten zu unterscheiden, als Programm vorgestellt hat: Fast nichts für die Binnennachfrage, nur Vorteile für Unternehmen, den „Mittelstand“ (sprich Besitzer kleinerer Unternehmen) und für Reiche und Superreiche – und die alle schaffen eben fast keine Binnennachfrage. Für den "kleinen Mann" werden die geringen Steuererleichterungen und die minimale Erhöhung des Kindergeldes bei weitem durch die vollständige Übernahme der Kostenerhöhungen im Gesundheitswesen überkompensiert. Die Verarmung der Bevölkerung wird bewusst und konsequent fortgeführt!



Die einzige Hoffnung ist, der Export würde wieder auf frühere Höhen steigen. Ob das mit einem Euro, der ständig gegen den Dollar und das Pfund gewinnt, realistisch ist, sei dahingestellt. Auch die anderen europäischen Länder in der Euro-Zone werden sich gegen ein erneutes Überschwemmen mit deutschen Industrieprodukten zu wehren wissen.

Bundesregierung 3

„Die deutsche Bundesregierung hat in der Krise keinerlei Zugeständnisse gemacht. Warum sollte wir den Deutschen denn nun auf die Beine helfen?“


Veröffentlicht am 28. Oktober 2009 in der Berliner Umschau

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

Willkommen / Impressum

Willkommen im Weblog Karl Weiss - Journalismus.
Der Weblog Karl Weiss - Journalismus ist umgezogen. neue Adresse: www.karl-weiss-journalismus.de
IMPRESSUM
Ich bin zu erreichen über weiss.karl@ rocketmail.com
Ich wünsche also allen (und mir) viel Spaß (und Ernst) mit diesem Blog.
Karl Weiss, Belo Horizonte, Brasilien

Artikel und Dossier der Woche

Artikel der Woche "CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft" Da wurde es von Frau Merkel vorhergesagt

Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Israel und der Konflikt...
ICH FRAGE MICH WARUM DIE JUDEN SO BRUTAL GEGEN DIE...
mik4777 - 30. Jan, 20:32
Abscheulich!!!
Wie man überhaupt im Ansatz auf den Gedanken kommen...
david3371 - 3. Okt, 19:02
Der Vatikan schützt die...
Sehr geehrter Herr Weiss, der Vatikan k a n n die...
MoMa - 6. Jan, 10:28
Fünf Jahre ist das jetzt...
Fünf Jahre ist das jetzt her!!! Die eine Immobilienkrise...
girico - 6. Mär, 13:34
Ich teile nicht diese...
Ein führender Landespolitiker oder ein wichtiger Geschäftsmann...
Nonkonformer - 21. Sep, 23:42

Status

Online seit 6871 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Jul, 02:01

Credits

Archiv

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Zufallsbild

Fisk Iraqi 'Terrorist' 8

kostenloser Counter

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

AbbauRechte
AlternativPolitik
Brasilien
Deutschland
Fussball
Imperialismus
InternetundMeinungsfreiheit
Lateinamerika
Medien
NaherOsten
Oekonomie
Sozialabbau
Umwelt
Willkommen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development