Dienstag, 3. Juni 2008

UN-Berichterstatter: Rio hat Sicherheitspolitik der Ausrottung

Polizisten foltern in der Freizeit Reporter

Von Karl Weiss

Der UN-Berichterstatter für summarische, willkürliche und außergerichtliche Hinrichtungen, Phillip Alston, hat im November 2007 Rio de Janeiro besucht und hat sich über die Sicherheitspolitik der Landesregierung informiert, der die Polizei untersteht. Er legte am Montag, den 2. Juni 2008 den vorläufigen Bericht darüber auf der Eröffnungssitzung des Menschenrechtsrates der UNO in Genf vor.

Favela in Belo Horizonte

Der Autor hatte Zugang zu einer Zusammenfassung des Berichts.

Wie um seinen Bericht zu unterstreichen, wurde in der vergangenen Woche bekannt: „Milicias“, wie sich Gruppen von Polizisten und Ex-Polizisten nennen, die ähnlich wie organisierte Kriminelle Favelas beherrschen und die Einwohner tyrannisieren, haben Mitarbeiter der Rio-Zeitung „O Dia“ als Geiseln genommen, verprügelt und gefoltert.

In jener Zusammenfassung des UN-Berichts werden vor allem die „Feldzüge“ in einem bestimmten Favela-Komplex hervorgehoben („Complexo de Alemão“), die sich über etwa ein Jahr lang wiederholten. Diese Feldzüge sind mit großem Polizeiaufwand (gepanzerte Fahrzeuge, Maschinenwaffen usw.) vorgetragene Eroberungszüge den Hügel hinauf (die Favelas in Rio de Janeiro sind meistens auf Hügeln gelegen), die üblicherweise damit begründet werden, es müssten bestimmte Führer der kriminellen Banden festgenommen werden, die sich meist auf den höchsten Stellen der Hügel verschanzt haben.

In der Operation im Juni 2007 wurden 19 Personen umgebracht und danach erklärten die Verantwortlichen der Sicherheitspolitik in Rio, dies sei eine Modell-Operation gewesen. Tatsächlich entwickelte sich diese Art des Vorgehens zum Modell: Im Januar 2008 wurde wieder der gleiche Hügel in Angriff genommen, mit dem Ergebnis von sechs Toten, erneut im 3. April: 11 Tote und wieder am 15. April: 15 Ermordete.

Danach, so wird berichtet, erklärte einer der obersten Verantwortlichen, die Polizei sei das beste „soziale Insektizid“, die Ermordeten mit Insekten vergleichend.

Der Berichterstatter der UN hatte Gelegenheit, mit den Bewohnern der Favela zu sprechen, mit Opfern, mit Familienangehörigen, sozialen Organisationen, wie auch mit Polizisten, mit Verantwortlichen der Polizei und mit den politisch Verantwortlichen. Er hebt hervor, die Toten waren nicht Ergebnis des intensiven bewaffneten Widerstandes bei der Besetzung des Favela, wie die Verantwortlichen in allen Fällen behaupten. Es wurden keine Polizisten getötet und nur wenige verletzt.

Es handelte sich schlicht um das Ergebnis der Taktik, auf alles zu schiessen, was Füsse hat – und das in einer dicht mit Menschen vollgepackten Favela. Die Überprüfung der Berichte der Gerichtsmediziner über die Leichen ergab eindeutig: Der grösste Teil wurde aus nächster Nähe erschossen und viele wiesen Schüsse in den Rücken, den Nacken und den Hinterkopf auf. Diese Tatsache wurde später in den offiziellen Berichten unterdrückt.

Alston charakterisiert dies als summarische, außergerichtliche Hinrichtungen, die wegen der hohen Anzahl als „Sicherheitspolitik der Ausrottung“ bezeichnet werden müssten. Wen er dies bereits als Ausrottung bezeichnet, was würde er dann sagen, wenn er die israelischen Schlächtereien untersuchte?

Er hebt hervor, dass die Ergebnisse der mehrmaligen Einfälle in die Favela völlig unzureichend waren. Weder wurden die gesuchten Verbrecher angetroffen noch wurden irgendwelche illegalen Stoffe, wie Waffen oder Drogen in erwähnenswerten Mengen gefunden und beschlagnahmt. Trotzdem bestehen die Polizei-Oberen und die Verantwortlichen, wie der Governeur des Staates Rio, der Minister für Sicherheit und der zuständige Staatssekretär darauf, dies sei die richtige Methode des Vorgehens gegen die kriminellen Organisationen, welche die Favelas beherrschen.

Alston betont, dass diese Methode der Sicherheitspolitik sich bereits in vielen Ländern als völlig kontra-produktiv erwiesen hat. Obrigkeitsstaatliche, gelegentliche Gewaltausbrüche, die jeden treffen können, ob Krimineller oder nicht, waren schon zu den Zeiten der Obrigkeitsstaaten unsinnig im Sinne der Eindämmung der Verbrechen.

Er sagt, dass in den Fällen krimineller Gross-Organisationen, die ganze Stadtviertel beherrschen, moderne Sicherheitspolitik angebracht ist, die auf vielen Hochschulen gelehrt wird. Er bezieht sich dabei u.a. auf unabhängige Untersuchungen von Tötungen durch Polizisten, auf die Bezahlung der Polizisten, auf technische Beweissicherung, auf Schutz für Opfer und Zeugen, auf eine institutionalisierte Polizei-Beschwerde-Stelle und auf das System der Gefängnisse.

Neben der Unterdrückung und Verfolgung der Verbrecher muss eine städtebauliche Politik durchgeführt werden, die den Slum-Charakter der Stadtteile aufhebt, es müssen Arbeitsplätze fur die Bewohner geschaffen werden und es muss durch intensive Durchsetzung mit staatlichen Hilfen und den Aufbau unabhängiger eigener Sprecher und Sprecherkreise der Bewohner in den betroffenen Stadtteilen der Schild-Charakter der Einwohner genommen werden, den solche kriminellen Organisationen sich zu nutze machen.

Eine entsprechende Politik wird in Rio de Janeiro nicht einmal ansatzweise versucht.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Alston sagt, diese Art von Sicherheitspolitik durch Ausrottung sei politisch motiviert. Für die Bevölkerung, die unter den Kriminellen leidet, ist vordergründig eine Ausrottungspolitik, die sich scheinbar gegen die Kriminellen richtet, erwünscht. Die Politiker stellen sich als Männer der harten hand dar und werden gewählt bzw. wiedergewählt. Nur ist dieses Vorgehen eben nicht wirksam gegen die kriminellen Organisationen.

Tatsächlich steigt die Zahl der schweren Delikte, wie Morde, bewaffnete Raubüberfälle und Geiselnahmen, in Rio weiterhin an.

In einem Teil seines Berichtes bezieht sich Alston speziell auf den Widerspruch als Schlüsselfrage, dass sich die Polizei einerseits in solchen Vorgehen der übertriebenen und nicht effektiven Gewalt bedient, während die gleichen Polizisten in ihrer Freizeit oft Teil der organisierten Kriminalität sind.

Genau dieser letzte Punkt wurde nun, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, mit aller Deutlichkeit bestätigt.

Es haben sich in Rio de Janeiro eine Anzahl von Gruppen von sogenannten ‚Milícias‘ gebildet, die eine Widerspiegelung der bereits bekannten Exterminationsgruppen sind. Sie setzen sich aus Polizisten, Ex-Polizisten und einigen anderen zusammen. Diese haben bereits in einer beträchtlichen Anzahl von Favelas (Rio hat etwa 600 Favelas) die kriminellen Organisation vertrieben und beherrschen dort jetzt selbst die kriminelle Unterwelt mit Drogen, 'Schutzgeldern' und nicht zuletzt Geldwäsche.

In einer dieser Favelas, Batan, wurde ein Reporter der Zeitung ‚O Dia‘ überwältigt, der über die Milícia recherchierte, zusammen mit einem Fotografen des Blattes, mit deren Fahrer und einem Bewohner der Favela von mehr als zehn mit Kapuzen unkenntlich gemachten Kriminellen. Sie wurden mit Handschellen gefesselt und offiziell als verhaftet erklärt. Die Vermummten wiederholten mehrmals, sie seinen keine Kriminellen, sondern Polizisten.

Es folgte eine Sitzung vom mehreren Stunden der Folter. Allen vier Betroffenen wurde immer wieder gesagt, sie würden nun zu Tode gefoltert, weil sie die gute Arbeit der Polizei schlecht machten. Die Zeitungsleute wurden grün und blau geprügelt und wurden einer nach dem anderen Elektro-Schocks ausgesetzt. Ihnen wurden Plastiktüten über den Kopf gestülpt, bis sie keine Luft mehr hatten und ohnmächtig wurden. Dann wurden sie mit Schlägen wieder aufgeweckt.

Einige der Folterer spezialisierten sich darauf, mit schweren Stiefeln Tritte zu geben. Der Reporter wurde gezwungen, das Material zugänglich zu machen, das er bereits über die Milicia gesammelt hatte. Dort war klar zu sehen, wie die Mitglieder der Bande, Polizisten in Zivil, sich immer wieder mit Polizisten im Dienst trafen und unterhielten und bewiesen, es handelt sich nicht nur um kleine Gruppen, sondern die offizielle Polizei-Politik der Stadt. Die Vermummten waren sich klar, dies Material würde viele von ihnen identifizieren und war bereits bei der Zeitung. Nach einigen Stunden weiterer Folter wurden die vier plötzlich freigelassen.

Sie hatten nicht den Mut zur Polizei zu gehen mit ihren Verletzungen, weil sie wussten, dort würden sie mit grösster Wahrscheinlichkeit auf Verbündete ihrer Folterer treffen. Erst mehrere Monate nach der Tat wurde sie jetzt veröffentlicht, weil man sich sicher war, die Polizei bis in höchste Stellen war in diese Taten eingeweiht und würde nicht untersuchen, sondern die Anzeige unterdrücken. Man befürchtete auch Gegenanzeigen mit erfundenen Beschuldigungen.

Erst jetzt, nach einer Vereinbarung des Gouverneurs des Staates mit der Chefredaktion von ‚O Dia‘, brachte man das Geschehen ans Tageslicht.

Die eigentliche Reportage wurde bis heute nicht veröffentlicht.

Bleibt noch zu erwähnen, der Hauptverantwortliche für all dies, der Gouverneur des Staates Rio, mit Namen Cabral, ist einer der engsten und wichtigsten politischen Verbündeten von Präsident Lula.


Veröffentlicht am 3. Juni 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Donnerstag, 29. Mai 2008

Die Tinner-Connection, Teil 1

Eine Hand wäscht die andere, oder: Haben die USA Atomgeheimnisse an den Iran geliefert, um einen Kriegsgrund zu haben?

Von Karl Weiss

Am Freitag, den 23. Mai 2008 gab der Innenminister der Schweiz bekannt, umfangreiche Akten und Computerdokumente über einen Atomdeal und dessen Inhalte, über die man seit 2003 verfügt, seien bereits im letzten Jahr vernichtet wurden, „um dem Diebstahl der Akten vorzubeugen“.

Wie? Wenn Akten sehr brisant sind, dann werden sie nicht besonders sicher aufbewahrt, sondern vernichtet? Seit wann?

Eine F14 der US-Luftwaffe, zum Training bemalt wie ein Flugzeug der iranischen Luftwaffe
Beleg für konkrete Kriegsvorbereitungen gegen ein bestimmtes Land: Eine US-F14, wie sie auch der Iran hat, wurde zum Üben des Luftkrieges gegen den Iran mit den Farben der iranischen Luftwaffe bemalt.

Die Story hört sich an wie ein Drehbuch für eine Art von James-Bond-Film, aber einem sehr schlecht gemachten. Warum? Sie ist einfach zu unwahrscheinlich. Jeder Filmkritiker würde einen entsprechenden Film in der Luft zerreissen, denn: Die US-Regierung wird darin dargestellt, als sei sie zu dumm, ihre Interessen gegen wichtige Feinde wahrzunehmen. Die Schweizer Regierung scheint ihre Neutralität nicht mehr für wichtig zu halten, sondern völlig einseitig den US-Interessen zuzuneigen. Andererseits würde die Schweiz aber gleichzeitig eben diese Interessen massiv beeinträchtigen. Dann kommt auch noch eines der grossen Bankhäuser der Schweiz ins Blickfeld, das Dinge tut, die selbsverständlich eine solche Bank nie tun würde.

Nur: Leider (mag man sagen) ist die Geschichte nicht erfunden, ist kein Drehbuch, sie ist die Wahrheit, die oft unwahrscheinlicher ist als es sich der ausgeflippeteste Drehbuchschreiber in seinen schlimmsten Träumen vorstellen mag. Sie ist, wie es die Neue Züricher Zeitung (NZZ), eines der konservativsten Organe der Presse, formulierte, „gut dokumentiert“.

Iranische Atomanlagen

Bevor die Geschichte erzählt wird, sei hier noch ein Link zu einer „seriösen Zeitung“ angebracht, denn der geneigte Leser glaubt oft, im Internet würde eine Menge Erfundenes erzählt, während „seriöse Zeitungen“ die Wahrheit sagen würden.

Eins nach dem anderem: Es handelt sich um „detaillierte Baupläne für Nuklearwaffen, für Gas-Ultrazentrifugen zur Anreicherung von waffenfähigem Uran sowie für Lenkwaffen“, also um die Essenz der Pläne, um Atomwaffen zu bauen und auch die Trägerraketen, das Brisante der Atomtechnologie, alles aus US-Quellen.

Diese brisanten Daten waren in die Hände von Abdul Khan gelangt, dem „Vater der pakistanischen Atomwaffe“. Wie sie dorthin gelangt sind, darüber haben wir hier schon in den beiden Teilen der „Türkei-Connection“ berichtet, Teil 1 und Teil 2.

Diese brisanten Unterlagen seien dann an die Schweizer Familie Tinner gelangt, einen Vater und zwei Söhne, alle drei Ingenieure. All dies, wie gesagt, „gut dokumentiert“ nach NZZ.

Tinners Haus in Haag in der Schweiz

Nun kommt der entscheidende Teil: Die drei Tinners haben, nach allem, was man heute weiss, diese Unterlagen an Libyen und an den Iran verkauft. Den IRAN??? Ja, den Iran!

Aber das würde ja bedeuten, ultrageheime Atom- und Raketen-Unterlagen der Vereinigten Staaten wären in die Hände des Erzfeindes Iran gelangt und die US-Regierung hätte nicht einmal davon gewusst???

Gemach, gemach, die CIA ist immer und überall. Natürlich hat man davon gewusst, hat es aber nicht verhindert. Warum? Ja, das wäre die Frage.

CIA-Hauptquartier Langley

Statt den Deal mit den beiden Erbfeinden der Vereinigten Staaten zu verhindern (damals galt Libyen auch noch als Hauptfeind), wartete man ab, bis alles übergeben war und erpresste dann die drei Tinner. Sie waren gezwungen, nun auch für die CIA zu arbeiten.

Zuerst Geheimnisse liefern, um dann Anlass für Krieg zu haben?

Wenn Sie den Berichterstatter fragen, warum man das so gemacht hat: Das bleibt im Dunkeln der Geschichte. Bleibt der Verdacht, man wollte absichtlich, dass die Feindstaaten in den Besitz dieser Unterlagen gelangten, um sie dann später anklagen zu können, nach dem Besitz von Atomwaffen zu streben und damit einen Krieg gegen sie zu begründen.

Urs Tinner

Wie auch immer, die Vereinigten Staaten haben kein Recht, den Iran anzuklagen, wenn sie selbst solche Unterlagen geliefert haben bzw. bewusst nicht verhindert haben, dass all dies dort ankommt!

Aber, zurück zur Geschichte, das Ganze blieb den Schweizer Behörden nicht lange verborgen und die drei Tinners wanderten in Untersuchungshaft. Es wurden all jene Unterlagen gefunden, deren Brisanz dann schnell klar war. Die Untersuchungshaft zog sich für die beiden Tinner-Söhne auf über 3 Jahre hin. Immerhin kein üblicher Fall. Eine Untersuchungshaft von mehr als eineinhalb Jahren gilt international als Bruch der Menschenrechte.

Doch was tun mit all der Brisanz? Die Unterlagen sind extrem kompromittierend für die Vereinigten Staaten, denn aus ihnen geht hervor, sie stammen von dort. Aber aus Gründen, die man nur vermuten kann, - und welch sinistre Vermutungen – wurden sie nicht zu den Gerichtsakten der Verfahren gegen die drei Schweizer gegeben. Ende des Jahres 2007 wurde vielmehr beschlossen, diese Unterlagen zu vernichten, insgesamt 30.000 Akten und Computerarchive!

Das stinkt meilenweit! Jetzt haben die Tinners nämlich eine schöne Ausrede: Auch entlastende Akten wurden vernichtet und damit wird man sie nicht mehr verurteilen können. Der Vater wurde schon aus der Untersuchungshaft entlassen.

Schon vorher hatte die Schweizer Regierung den Justizbehörden offiziell verboten, die Tinners wegen Spionage für eine fremde Macht anzuklagen.

Sie fragen: Aber warum denn das? Ja, das fragen sich alle.

Anscheinend hat die Schweizer Bundesregierung in der Sache Dreck am Stecken, aber wie? Sollten die Tinners etwa Schweizer Geheimdienstagenten sein, also Angestellte der Regierung?

Nun, auf jeden Fall – und nun wird es wirklich kompliziert: Die UBS, eines jener grossen, extrem geheimen und extrem zuverlässigen Schweizer Bankinstitute, war anscheinend in Geldwäsche- bzw. Steuerhinterziehungsdinge in den USA verwickelt (was beides meistens Hand in Hand geht). Der Spitzenmanager dieser Bank in den USA, Martin Liechti, wird im Moment in den USA festgehalten – als Zeuge. Es läuft ein Verfahren gegen einen Mitarbeiter der Bank. Sollte die Bank da verwickelt werden, wäre das ein Desaster für das Geldinstitut.

Doch da gibt es eine Reise des damaligen Justizministers der Schweiz, Christoph Blocher, in die USA, im Oktober 2007. Unmittelbar nach seiner Rückkehr wurden die kompromittierenden Unterlagen aus US-Besitz vernichtet.

Nun erwarte die Schweiz, wie Berns Botschafter in Washington verlauten liess, der Fall möge “so behandelt werden, wie es der sehr guten Rechtstradition zwischen den USA und der Schweiz entspricht.“

Nachtigall, ick hör dir trapsen!

Eine Hand wäscht die andere?

Aber nur eine Person, die extrem bösartig ist und immer Schlechtes denkt, würde annehmen, hier sei ein Deal getätigt worden nach dem Motto: „Ich vernichte Unterlagen, die belegen würden, du hast selbst dem Erzfeind die Atomunterlagen geliefert und du hältst dafür meine Bank aus jenem Skandal heraus.“


Veröffentlicht am 29. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Zusatz zum Artikel

In der Originalveröffentlichung (Link oben) ist ein You Tube Video zu sehen, in dem die moderneren Waffen des iranischen Militärs gezeigt werden. Nichts besonders auffallendes, aber die USA würden bei einem Angriff auf den Iran auf deutliche Gegenwehr treffen.

Hier geht es zum 2.Teil des Artikels "Die Tinner-Connection"

Dienstag, 27. Mai 2008

Bodenhaftung - oder: Wie mache ich einen Politiker schlecht

Die bürgerlichen Medien und Lafontaine

Von Karl Weiss

Die Berichterstattung der „Süddeutschen“ (die sich gerne selbst als ‚Qualitätszeitung’ feiert) über den Parteitag der Linken in Cottbus vom 24. Mai ist ein deutliches Beispiel, wie deutsche bürgerliche Medien in die tiefe Kiste der Demagogie, der gezielten Auslassung, der Verschleierung und der versteckten Andeutungen greifen, wenn es darum geht, unliebsame Politiker schlecht zu machen. Ebenso zeigt sie: Es ist pure Illusion, Bericht und Kommentar trennen zu können.

Süddeutsche - historisches Foto des Redaktionsgebäudes in der Münchener Sendlinger Strasse

Der Artikel, gezeichnet von einem Subjekt namens Denkler, ist nicht als Kommentar gekennzeichnet, sondern steht im Teil der Berichterstattungen, die - nach der eigenen Ideologie bürgerlicher Medien – strikt objektiv und neutral sei. Nun, betrachten wir die Neutralität und Objektivität dieser Berichterstattung:

Die untergründigen Andeutungen beginnen schon in der Überschrift: „Oskar stellt die Überlebensfrage“. Also ist die Linke vom Untergang bedroht, es geht ums Überleben! Was hat Oskar Lafontaine wirklich gesagt? (Nebenbei, hat man bei Schröder auch „Helmut“ geschrieben, oder gilt der Vorname nur für Leute, die keinen Respekt verdienen?) Lafontaine hat einfach die Wahrheit ausgesprochen, die für jede Partei in Deutschland und vergleichbaren Ländern gilt: „...die Linke braucht immer ein eigenständiges Profil. (...)Wenn sie [das] nicht hat, wird sie nicht überleben.“ Ein deutlicher Wink an den rechten Flügel der Partei, immer unterscheidbar zu bleiben von der SPD. Wenn der Titelschreiber daraus macht, für die Linke stünde die Überlebensfrage, so ist das infam – oder sagen wir, reines Wunschdenken.

Was auf keinen Fall in den Artikel darf, ist natürlich, was Lafontaine gesagt hat. Nicht ein einziges zusammenhängendes Zitat von mehr als drei Zeilen aus seiner Rede.

Die nächste Aufgabe: Lafontaine muss als wildgewordener, hartleibiger Trottel dargestellt werden, der nie Kompromisse kennt, sondern immer ALLES will. Nichts einfacher als das: „Die Nato lehnt er ab, solange diese aus seiner Sicht völkerrechtswidrige Kriege unterstützt, und Hartz IV muss weg. Beides Ziele ohne Bodenhaftung...“

Ja, die Bodenhaftung. Was ist denn das? Kontakt zur Realität. Kontakt zum einfachen Bürger. Will also sagen, die Unterstützung der Nato und ihrer völkerrechtswidrigen Kriege, die 70% der Bevölkerung in der Bundesrepublik ablehnen, das ist mangelnde Bodenhaftung. Hartz IV, mit gleicher Mehrheit abgelehnt, das ist Bodenhaftung. Wer das ablehnt dagegen, der hat die Bodenhaftung verloren, der schwebt in den Lüften der Illusionen. Immerhin bemerkenswert, 70% der deutschen Bevölkerung in der Luft.

Wer hat in Wirklichkeit die Bodenhaftung verloren? Die korrumpierte Politikerkaste und die 30% der Bevölkerung, die sie noch (zeitweise) überzeugen kann oder die riesengrosse Mehrheit der Bevölkerung und mit ihnen Lafontaine? Dass man selbstverständlich völkerrechtswidrige Kriege nicht unterstützen darf, dass Hartz IV weg muss, das sind tatsächlich grundlegende Dinge, die nur Ignoranten als verhandelbar ansehen können. Ein bisschen völkerrechtswidrig darf sein? Ein bisschen Hartz IV darf sein?

Ein Student, der zwei Semester Völkerrecht gehört hat, kann bereits einstufen: Der Afghanistan-Krieg ist völkerrechtswidrig. Niemand hat das Recht, ein anderes Land zu überfallen, zu besetzen und dort eine Marionettenregierung einzusetzen, wenn das Land nicht seinerseits vorher andere Länder überfallen hat. Diese Regeln sind einfach und klar und Deutschland hat sie als UN-Mitglied ebenso ratifiziert wie die USA.

Und Hartz IV?.Seit 1948 in die Köpfe der Bundesbürger einhämmern: Nein, wir leben nicht in einem kapitalistischen Unnrechtsregime, wir leben angeblich in einem Sozialstaat. Wer arbeitslos wird, braucht sich keine Sorgen zu machen. Er wird ein Auskommen haben. Die Abgabe dazu ist Pflichtabgabe, nicht etwa freiwillig. Zwangsabgabe - 57 Jahre lang. Und dann nach 57 Jahren darf man das einfach aufheben (das Auskommen, nicht etwa die Abgabe) und die Arbeitslosen in absoluter Armut lassen? Ätsch! Wers geglaubt hat, ist selber schuld! Wer gezahlt hat, ist gelackmeiert! Hahahaha, leichtgläubiges Volk!

Wer hat die Bodenhaftung verloren? Die Hartz IV gemacht haben und sich übers Volk lustig machen? Oder das Volk, das nun in steigender Armut leben muss und selbstverständlich Hartz IV weghaben will?

Die Linke 2008

Aber auch das reicht noch nicht. Lafontaine muss auch noch als brutaler Machtmensch dargestellt werden, der im Zweifelsfall über Leichen geht. Nur kann man das ja nicht so einfach behaupten. Also sagen wir einfach, andere haben es behauptet: „Es ist einiges geschrieben worden im Vorfeld – vor allem über Lafontaine. Dass vielen in der Partei das Alleinherrscher-Gehabe ihres Vorsitzenden nicht passe, vielen sein Macho-Auftreten gegen den Strich gehe.“

Haben Sies gemerkt, wie man das macht? Man nennt nicht Ross und Reiter, aber hat gesagt, was man sagen wollte. Ist aber noch ein wenig schwach. Also tragen wir dicker auf: Wir setzen ein Foto von Lafontaine in den Artikel, auf dem er die Faust zeigt und schreiben drunter: „Oskar Lafontaine: Alleinherrscher-Gehabe, Macho-Auftreten“

Sie glauben es nicht? Sie meinen, die „Süddeutsche“ würde eine solche Schweinerei nicht machen? Sehen Sie selbst.


Veröffentlicht am 27. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Montag, 26. Mai 2008

Rettet Brasilien den Ölpreis?

„Alles was besteht, ist Wert, dass es vergeht“

Von Karl Weiss

In einem Artikel des New Yorker Wall Street Journal vom 23. Mai 2008 wird die Erwartung geäußert, die riesigen neu entdeckten Vorkommen durch die brasilianische Petrobras könnten dem knapper werdenden Öl den nötigen Nachschub verschaffen, um den Ölpreis im Zaum zu halten. Das ist aber eine eher vage Hoffnung. Währenddessen überstieg der Erdölpreis, vor wenigen Monaten noch bei 70 Dollar, die Grenze von 135 Dollar pro Barrel.

Brasilien (topographisch)

Wie bereits berichtet (hier und hier), wurden in den letzten Monaten zwei riesige und ein mittleres Feld von Erdöl vor der brasilianischen Küste gefunden. Es handelt sich um sogenannte Unter-dem-Salz-Ölfelder, die im Prinzip an mehreren Stellen der Welt bekannt sind, aber bisher noch nie erschlossen werden konnten. Sie liegen weit draußen im Meer. Eines der Felder, dessen geschätzte Kapazität in der vergangenen Woche bekanntgegeben wurde (eines der größten, das je gefunden wurde), liegt 250 km vor der Küste. Die Wassertiefen sind dort 2000 m oder noch mehr. Das Öl liegt aber nicht kurz unter dem Meeresboden. Dort finden sich vielmehr beträchtliche Salzschichten, die wegen ihrer Löslichkeit in Wasser zu gewaltigen Druckschwankungen neigen. Erst weitere zwei Kilometer unter dem Meeresboden trifft man das Öl an.

Die halbstaatliche brasilianische Petrobras und eine Anzahl von spezialisierten Firmen, die in Niteroi oder Macaé im Bundesstaat Rio de Janeiro angesiedelt sind, haben in den letzten zwei Jahrzehnten Methoden entwickelt, wie man in großen Meerestiefen nach Öl bohren und Öl fördern kann und im letzten Jahrzehnt auch, wie man Öl finden und pumpen kann, das weit unter dem Meeresboden liegt. Allerdings sind die Schwierigkeiten der Ausbeutung von Unter-dem-Salz-Ölfeldern bisher nur teilweise bekannt und man muss mit unangenehmen Überraschungen rechnen, die einen Förderbeginn beträchtlich verzögern können.

Logo Petrobras

Selbst wenn das nicht eintritt, kann man kaum vor 2020 damit rechnen, dass diese drei Felder nennenswert fördern werden. Die Mittel, die dafür bereitgestellt werden müssen, sind beträchtlich. Allerdings hat sich die Petrobras-Aktie seit den ersten Gerüchten über grosse Ölfunde raketenhaft entwickelt. Nicht zuletzt daher auch das Interesse des Wall Street Journal an dieser Entwicklung. Wer im Oktober 2007 für eine Million Dollar Petrobras-Aktien gekauft hat, hat heute zweieinhalb Millionen an Wert auf dem Konto

Und das bei einem Konzern, der noch zu über der Hälfte dem brasilianischen Staat gehört. Jedenfalls hat die Wertsteigerung des Konzerns dazu geführt, dass die Milliardenbeträge zum Erschliessen der Felder zur Verfügung stehen. In allen drei Fällen ist die Petrobras jeweils Führer eines Konsortiums, das auch andere Ölgesellschaften einschliesst, so zum Beispiel die portugiesische Galp Energia.

Die Petrobras ist heute eine der Firmen mit dem höchsten Wert in den Amerikas und hat bereits Microsoft und General Electric hinter sich gelassen.

Erdöl 1

Sollten sich alle Erwartungen erfüllen, könnte Brasilien in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts sogar Venezuela als größten lateinamerikanischen Ölförderer überholen.

Nur- dies alles hilft im Moment nicht im geringsten, das Hoch des Erdölpreises zu stoppen. Vor etwa sieben Jahren wird nicht ein Tropfen Öl aus den neuen Feldern kommen und bis dahin wird sich das Geschick des Ölpreises schon entschieden haben, so oder so.

Es rächt sich nun das Vertrauen in die bürgerlichen Ökonomen für alle jene Länder, die von importierten Produkten auf Erdölbasis abhängig sind, aber nicht in alternative Energien investiert haben, so wie die meisten entwickelten Länder Europas (mit Ausnahme Schwedens), die USA und Japan: Ihre Ölrechnung wird gewaltig ansteigen. Bisher war das noch nicht der Fall, weil in diesem Geschäft mit langfristigen Verträgen gearbeitet wird. Wenn aber ein Preis des Rohöls von über 130 Dollar pro Barrel breit wirksam werden wird, wird das Heulen und Zähneknirschen allgemein sein.

Einige Beobachter sprechen aber bereits von Ölpreisen von 150 Dollar oder 200 Dollar in nicht allzu ferner Zukunft. Das würde alles über den Haufen werfen, was bisher so liebevoll geplant wurde.

Was man an Preissteigerungen an den Zapfsäulen sieht , ist noch gar nicht die erhöhte Rechnung, sondern einfach die Vorwegnahme und Mitnahme von Profiten durch die Ölkonzerne. Die erhöhte Rechnung wird erst gegen Ende des Jahres und mit voller Wucht 2009 kommen. Dabei wird es dann nicht nur um hohe Benzin- und Dieselpreise gehen, sondern auch um eine generelle Inflation, weil der Transport überall teurer wird, was sich auf fast alle Produkte auswirkt.

Dies, während sich gleichzeitig die Wirtschaftskrise über die Länder ausbreitet. Schnell wird deutlich werden: Die Zentralbanken können machen, was sie wollen, es wird immer falsch sein. Erhöhen sie die Zinsen, um die Inflation im Zaum zu halten, vertiefen sie die Wirtschaftskrise, erniedrigen sie die Zinsen, um die Wirtschaft anzukurbeln, werden sie eine galoppierende Inflation bekommen, tun sie gar nichts, bekommen sie beides: Wirtschaftskrise mit Inflation.

Die bürgerlichen Ökomomen hatten uns immer wieder eingetrichtert: Alles bleibt, wie es ist! Grosse Veränderungen wird es nicht geben. Es braucht nicht auf alternative Energien umgestellt zu werden!

Die Ölpreise werden wieder auf das Niveau von 40 Dollar pro Barrel zurückgehen. Später dann: Die Ölpreise werden wieder auf das Niveau von 70 Dollar pro Barrel zurückgehen. Noch vor einer Woche versicherten alle: Das Übersteigen von 120 Dollar war nur zeitweise, bald wird sich die Spekulation gelegt haben.

Doch nun wird es langsam allen Beteiligten klar: Die bürgerlichen Ökonomen stehen in der Unterhose da, mit Nasen so lang wie Pinocchio. Nichts wird mehr so sein , wie es war. Der gute alte Karl Marx hat einmal wieder Recht behalten: “Alles, was besteht, ist Wert, dass es vergeht.“

Karl Marx

Es wird immer deutlicher: der Kapitalismus hat keine Lösung zu bieten, für keine einzige Frage der Menschheit, lediglich die Profite der Reichen, die werden (fast) unangetastet bleiben.

Veröffentlicht am 26. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Sonntag, 25. Mai 2008

Folter an Kindern

Fürchterlich schrille Schreie

Basiert auf einem Artikel von Elmar Getto

Angesichts neuer Meldungen, dass internationale Beobachter und Journalisten weiterhin und wiederholt berichten, in irakischen Gefängnissen (d.h. in der Gewalt der US-Regierung) würden Hunderte oder sogar Tausende von Kindern gefangen gehalten - und wohl auch gefoltert – soll hier noch einmal ein Ausschnitt eines Artikels von Elmar Getto veröffentlicht werden. Wenn die Frage der Besatzung im Irak ansteht, so ist das unmenschlichste neben den 1 Million Ziviltoten die Folter an Kindern.

Bild eines nackt angekettetn Gefangenen in Stress-Haltung aus Abu Ghraib
Bild eines nackt angebundenen Gefangenen in "Stresshaltung" in Abu Ghraib

Damals, kurz nachdem jene Bilder (von Abu Ghraib) um die Welt gingen, wurde bekannt, daß noch andere Bilder aus irakischen "Gefängnissen" existieren und auch Videos, die aber nicht veröffentlicht wurden.

An den Grenzen menschlicher Vorstellungskraft

Der US-Journalist Seymour Hersch gab an, sie gesehen zu haben und erklärte, es handele sich um viel weiter Gehendes, an die äußersten Grenzen menschlicher Vorstellungskraft gehende Folterbilder und -videos. Wo sind sie? Warum werden sie zurückgehalten?

Damals, im Juli 2004, der Skandal mit den bekanntgewordenen Bildern aus Abu Ghraib war gerade auf dem Höhepunkt, wurde veröffentlicht, wer die Bilder und Videos vorliegen hat:

Die US-Regierung,

das US-Repräsentantenhaus,

das Magazin „New Yorker" und

die Zeitung „Washington Post"

Bild aus Abu Ghraib eines Gefangenen auf einem Hocker mit Kapuze.
Bild aus Abu Ghraib eines Gefangenen in "Stress-Haltung" auf einem Hocker mit Kapuze

Bis heute, Jahre später, hat niemand von ihnen die Bilder und Videos der Öffentlichkeit zugängig gemacht.

Von der Regierung war das ja zu erwarten, denn diese Bilder beweisen, wie damals Seymour Hersch vom ‚New Yorker’ schon bemerkte, daß es sich bei den Folterfällen keineswegs um die Taten einiger weniger gehandelt hat, sondern daß Folter systematisch und auf Befehl von oben angewandt wurde - und wird.

Das bekannte Bild mit einem Gefangenen mit Kapuze auf dem Hocker, mit Drähten angebunden.
Gefangener in AbuGhraib mit Kapuze, mit Drähten angebunden

Doch im Repräsentantenhaus - gibt es da keine Opposition? Wo ist die demokratische Partei? Offensichtlich abgetaucht! Die US-Amerikaner sind genauso wie wir einer großen Koalition von eng miteinander Verbrüderten ausgesetzt, die zwar um die Fleischtöpfe der Macht gegeneinander kämpfen, aber ansonsten bestens miteinander auskommen.

Bild eines nackten Gefangenen in "Stress-Haltung"
Bild eines nackten Gefangenen in Abu Ghraib, angebunden in Stresshaltung, mit Unterhose über dem Kopf

Und was ist mit der Presse los, die Washington Post, die noch den Watergate-Skandal um Präsident Nixon ins Rollen bracht? Heute scheint alles gleichgeschaltet, selbst der ‚New Yorker’. Statt dessen haben die Medien von Prozessen gegen die zwei Sündenböcke von Abu Ghraib berichtet, als ob diese die Schuldigen wären und nichts offen blieb nach ihren Verurteilungen. Das waren Verdrehungen, deren sich jeder Journalist bis ins Grab schämen muß.

Das schockierendste von allem ist, daß Bush Kinder foltern ließ und läßt. Die ersten Meldungen darüber gab es in „Report Mainz" im Sommer 2004. Florian Westphal, ein Repräsentant des Internationalen Roten Kreuzes, berichtete dort, daß das Rote Kreuz bei seinen Inspektionen in den Gefängnissen der Besatzer im Irak 109 Kinder angetroffen hatten (die internationale Definition von "Kinder" ist "höchstens 14 Jahre alt").

Bild des "Berges der nackten Gefangenen"
Bild des "Berges der nackten Gefangenen mit Kapuze" aus Abu Ghraib

In der Sendung gab es auch einen Augenzeugenbericht von US-Staff Sergeant Samuel Provance, der über sexuellen Mißbrauch von Mädchen mit 15 und 16 Jahren berichtete.

Der beeindruckendste Zeugenbericht allerdings kam von Seymour Hersch, der von einem der Videos erzählt: „Dort wurden Kinder, Jungen gefoltert, indem man sie ‚sodomized’" (das ist der übliche US-Ausdruck für Analsex), sagte er. „Das schlimmste von allem war der Ton des Videos, wenn man die Jungen fürchterlich schrill schreien hörte. Und das ist unsere Regierung im Krieg!"

Abu Ghraib Folterszene - blutender, nackter Gefangener. Zu diesem Foto existieren verschiedene Versionen. Eine besagt, der Gefangene ist bereits tot, eine andere, er sei lediglich durch einen Hundebiss verletzt und es handele sich nicht um Folter.
Abu Ghraib-Folterszene: Blutender, nackter Gefangener

Mütter, Väter, könnt ihr euch vorstellen, wenn das mit Euren Töchtern, mit euren Söhnen gemacht würde? Könnt ihr euch vorstellen, daß manche dort im Irak sich entschließen, ihr eigenes Leben zu opfern, um Widerstand gegen diese Besatzer zu leisten?

Dazu kommt, daß laut Aussagen von Mitgliedern des Roten Kreuz Offiziere in den Gefängnissen selbst zugegeben haben, daß zwischen 70 und 90% der Inhaftierten in den Gefängnissen „versehentlich" gefangen genommen wurden, daß heißt sie sind - selbst nach US-Einschätzung - unschuldig.

Abu Ghraib 5-6
Foltertoter in Abu Ghraib

Es ist und bleibt einer der größten Medienskandale des ganzen Irak-Krieges, daß diese Tatsachen von den Medien nicht berichtet werden, daß die Bilddokumente nicht freigegeben werden, die Freigabe der Bilder und Videos nicht gefordert wird, daß man statt dessen jeweils die Versionen der US-Regierung veröffentlicht wie eine Herde von nachkäuenden Kühen.

William Rivers Pitt, ein US-Bestseller- und New-York-Times-Autor, sagte dazu: „Wer ist verantwortlich für diese Abirrungen? Kinder foltern für die Freiheit? Ist es das, zu was wir geworden sind?"

Amerkung: Die im Artikel eingestzten Bilder sind jene, die damals veröffentlicht wurden, nicht etwa jene "viel weiter gehenden".


Hier sind Links zu anderen Artikeln in diesem Blog zum Abbau von bürgerlichen Rechten in den USA:

- Kann man mit Telephon-Überwachung Terrorzellen ausheben?

- Die USA am Scheideweg: Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

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Samstag, 24. Mai 2008

Fussball: Libertadores und Brasilien-Meisterschaftsrunde

Der Libertadores-Titel läuft auf Boca Juniors zu

Von Karl Weiss

Wie immer im Mai, hat die brasilianische Fußball-Meisterschaft begonnen, die bis Dezember laufen wird. Es gibt keinen herausragenden Favoriten. In der Copa Libertadores, dem südamerikanischen Gegenstück zur Champions Leage, haben die Achtel- und Viertelfinale stattgefunden und die Begegnungen der Halbfinale stehen fest.


Alle Fotos in diesem Artikel sind vom Rückspiel des Viertelfinals der Libertadores zwischen den beiden brasilianischen Clubs Fluminense und São Paulo im gefüllten Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro

Zunächst zur Libertadores, wo es überraschende und erwartete Ergebnisse gab und wo auf höchstem Niveau gespielt wird, auch wenn man die Champions Leage zum Vergleich heranzieht. Allerdings sind die Spiele in Südamerika weit interessanter, weil es viele Torszenen gibt und kein zehn- oder zwanzigminütiges Mittelfeld-Geplänkel.

In den Achtelfinalspielen lief alles, mit einer Ausnahme, wie erwartet.

Der beste der Gruppenersten aus der Gruppenphase, Fluminense Rio de Janeiro, setzte sich wie erwartet gegen den schlechtesten der Gruppenzweiten durch, Atletico Nacional aus Kolumbien, wenn auch mit Schwierigkeiten mit einem mageren 1:0 zu Hause und einem 2:1 beim Gegner im Norden des südamerikanischen Kontinents.

Flamengo Rio de Janeiro war zwar der zweitbeste der Gruppenphase und der mexikanische Meister America Mexiko Stadt nur der zweitschlechteste der Gruppenzweiten, aber trotz der Schwächephase blieb America einer der wesentlichen Favoriten und wurde dieser Rolle in überragender Weise gerecht. Flamengo hatte völlig überraschend in Nordamerika mit 4:2 gewonnen und es schien nur noch eine Kleinigkeit zu sein, die Qualifikation im Maracanã-Stadion in Rio nach Hause zu schaukeln. Doch America traf auf ein seltsam apathisches Flamengo-Team (Unterschätzung des Gegners?) und gewann mit 3:0 auf gegnerischem Platz doch noch den Einzug ins Viertelfinale. Mit dieser Leistung steht America nun gleichberechtigt mit Boca Juniors auf dem Podest des Favoriten.



Die einzige größere Überraschung im Viertelfinale war die Qualifikation von San Lorenzo Buenos Aires gegen den Lokal- Rivalen River Plate. San Lorenzo hatte dem berühmten argentinischen Club in dessen Stadion ein Unentschieden abgetrotzt und im eigenen gewonnen. Aber Lokalderbys haben immer eigene Gesetze.

Erwartungsgemäss setzte sich Atlas Guadalajara aus Mexico gegen den anderen argentinischen Verein Lanus durch. Mit einem Sieg in Argentinien hatte man schon des Sack zugemacht und brauchte dann zu Hause nur noch ein Unentschieden.

Ebenso erwartet war der Durchmarsch von Libertadores-Favorit Boca Juniors Buenos Aiores gegen Cruzeiro Belo Horizonte, auch wenn hier in Belo Horizonte viele nicht wahr haben wollten, dass ein Klassenunterschied besteht. Boca gewann beide Spiele mit 2:1.



Es ist eine Augenweide, den Angriffswirbel von Riquelme, Palacio und Palermo zu sehen, da dürfte auch Manchester United in Schwierigkeiten kommen. Aber auch die Abwehr mit den beiden Nationalspielern Cáceres und Ayala kann sich auch international sehen lassen.

Dass der schwächste der verbliebenen argentinischen Clubs, Estudiantes La Plata , sich nicht gegen die starke Mannschaft von LDU Quito aus Ekuador durchsetzen konnte, war ebenfalls schon im Artikel vom 25. April vorhergesagt worden. 2:0 hatte LDU schon in der Höhenlage von Quito vorgelegt und konnte dann 1:2 in Argentinien verlieren und doch noch weiterkommen.

Der andere Kolumbianische Vertreter Cúcuta musste sich gegen Santos zweimal mit 2:0 geschlagen geben.



Schliesslich schied noch der einzig verbliebene Vertreter Uruguays, Nacional, gegen São Paulo aus. Einem torlosen Unentschieden in Montevideo folgte ein 2:0 im heimischen Morumbi-Stadion in Brasiliens Metropole São Paulo.

So ergaben sich fast genau die im Artikel am 25. April vorausgesagten Vietelfinalbegegnungen, ausser der Abwesenheit von River Plate:

Zwei der drei verbliebenen brasilianischen Vereine kamen gegeneinander, Fluminense und São Paulo – Pokalsieger gegen Meister - kaum eine Voraussage war möglich. Mitfavorit Amerika Mexiko kam gegen Santos aus der Stadt mit Brasiliens und Südamerikas grösstem Hafen, sicher kein leichtes Siegen. San Lorenzo Buenos Aires bekam es mit LDU Equador zu tun, das in dieser Libertadores schon viele Überraschungen geschafft hat. Schliesslich gab es das Duell von Favorit Boca Juniors gegen Atlas Guadalajara, das – bei aller Liebe – eigentlich nur den argentinischen Verein als Sieger sehen dürfte.



Entgegen der Voraussage des Berichterstatters gewann Fluminense Rio gegen São Paulo, obwohl man sich im Hinspiel mit 1:0 geschlagen geben musste. Das Rückspiel im Maracana-Stadion in Rio wurde am 21. Mai zu einem Krimi. Zunächst ging die Heimmannschaft mit 1:0 in Führung und glich den Vorteil von São Paulo aus. Dann schaffte São Paulo das Unentschieden und sah schon wie der Sieger aus, denn nun musste Fluminense gegen die geballte Abwehr des brasilianischen Meisters (nur 15 Gegentore in der ganzen Saison des vergangenen Jahres!) zwei Tore erzielen, um weiterzukommen – und es war nur noch eine Halbzeit Zeit. Flu, wie man in Rio liebevoll den Traditionsverein abkürzt, schaffte dann das 2:1, aber damit wäre São Paulo immer noch weitergekommen, denn auch in der Libertadores gelten Auswärtstore doppelt. Die reguläre Spielzeit endete und auf der Bank des brasilianischen Meisters machte man sich schon zum Jubeln fertig, da schaffte Fluminense in der 92. Minute durch einen Kopfball von Washington nach einer Ecke das 3:1 gegen den Favoriten und war qualifiziert. Der Trainer von São Paulo, Muricy Ramalho, bemerkte, er werde Monate brauchen, um das zu verdauen.

Auch die hochfavorisierte Elf von Boca Juniors konnte zunächst den Erwartungen nicht entsprechen und legte zu Hause nur ein Unentschieden 2:2 gegen Atlas aus Mexiko vor. Doch dann, am 23. Mai in Nordamerika, platzte der Knoten: Mit 3:0 auswärts wurde man der Favoritenrolle gerecht.



Die am meisten umkämpften Spiele aber ergaben sich bei den beiden Duellen von America Mexiko Stadt und Santos. Das Hinspiel im Aztekenstadion von Mexiko Stadt, älteren Fußball-Fans noch ein Begriff aus 1986, als Deutschland dort im Endspiel der Weltmeisterschaft von Argentinien mit 3:2 geschlagen wurde, war ein offener Schlagabtausch, wie es das offensive Spiel von Santos ergab. Zwar musste Santos dort zwei Tore hinnehmen, schoss aber selbst auch ein reguläres Tor, doch dieses wurde vom Schiedsrichter wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung nicht gegeben. Santos ist bis heute empört über diese Entscheidung des argentinischen „Unparteiischen“ (natürlich, ein Argentinier!) und hat offiziell protestiert, aber wie üblich, ergab das gar nichts. Im Rückspiel am 23. Mai hatte Santos Chancen, um drei Spiele zu gewinnen, aber man schaffte nur ein 1:0, das nicht ausreichte (aber ausgereicht hätte, wäre das Tor in Mexiko anerkannt worden).

Schliesslich sind noch die Viertelfinalspiele des vierten Gespannes zu erwähnen, zwischen dem argentinischen San Lorenzo und dem Vertreter von Ekuador, LDU. Beide Spiele gingen 1:1 unentschieden aus und das fällige Elfmeterschiessen gewann in der Höhenlage von Quito der heimische Verein mit 5:3.

Damit ist seit vielen Jahren zum ersten mal die Situation eingetreten, dass weder von Brasilien noch aus Argentinien zwei Mannschaften im Halbfinale stehen. Es sind vielmehr noch vier Länder vertreten: Neben Argentinien und Brasilien Mexiko und Ekuador. Ebenfalls steht bereits fest: Entweder ein Mexikanischer oder Ekuadorianischer Verein wird im Finale stehen. Auch das, im Finale andere Vereine als Argentinier oder Brasilianer, ist bereits seit fünf Jahren nicht mehr vorgekommen.

Die beiden Halbfinal-Auseinandersetzungen sind anscheinend leicht vorherzusagen:

Zunächst (27. Mai) muss LDU (Ekuador) im mexikanischen Aztekenstadion (fast 3000 Meter Höhe) gegen America antreten, dann kommt das Rückspiel in der Höhenlage von Quito (ebenfalls etwa 3000 Meter über dem Meeresspiegel) am 3. Juni. Kaum vorstellbar, dass da LDU als Sieger hervorgeht.

Im anderen Halbfinale tritt Fluminese Rio de Janeiro, der letzte verbliebene brasilianische Verein, in Buenos Aires an (28. Mai). Zwar darf Boca in diesem Spiel nicht das eigene Stadion benutzen, sondern muss auf ein anderes Stadion in Buenos Aires ausweichen, weil beim Spiel gegen Cruzeiro Gegenstände geflogen sind und einen brasilianischen Funktionär verletzt haben, aber die Anhängerschaft von Boca wird einen kaum längeren Anfahrtweg haben, so dass hier einmal wieder das Niveau der „salomonischen“ Entscheidungen des südamerikanischen Fussballverbandes aufscheint. Das Rückspiel ist im Maracana-Stadion in Rio am 4.Juni und dann dürfte das Ausscheiden von Fluminense feststehen, denn, wie ein argentinischer Spieler richtig bemerkte: „Fluminense hat keine Tradition“. Der Club aus dem Rio-Stadtteil Laranjeiras (Orangenbäume) hat noch nie in der Libertadores Bäume ausgerissen.

Es müsste schon viel Unvorhersehbares passieren, wenn das Endspiel nicht America (Mexiko) gegen Boca Juniors (Argentinien) heissen würde. Das wäre dann auch seit fünf Jahren das erste Mal, dass kein brasilianischer Verein im Endspiel steht.

Diese Finale wäre dann aber wirklich unvorhersehbar. Boca hätte den wichtigen Vorteil, das Rückspiel zu Hause zu haben, aber man weiss nicht, wie die argentinischen Spieler mit der Höhenlage in Mexiko klarkommen. Bei Spielen mitten in der Woche zwischen Pflichtspielen gibt es ja keine Möglichkeit des Akklimatisierens. Man reist dann so kurz wie möglich vor dem Spiel an.

Währenddessen hat auch bereits die brasilianische Meisterschaft begonnen. Die ersten beiden Spieltage wurden bereits am 10./11. Mai und am 17./18. Mai ausgetragen.

Als Hauptfavorit hätte eigentlich São Paulo gelten müssen, aber das Team ist – jedenfalls im Moment – “von der Stange” und man weiss nicht, wann es sich wieder fängt. Theoretisch ist São Paulo dieses Jahr stärker als im letzten, als man Meister wurde, denn Adriano, der bullige Mittelstürmer, ist bei Inter Mailand ausgemustert worden und zu São Paulo zurückgekehrt.

Der zweite Favorit ist Palmeiras São Paulo, das eben die São –Paulo-Staatsmeisterschaft gewonnen und dabei im Halbfinale São Paulo ausgeschaltet hat. Aber gleich im ersten Spiel (auswärts bei Coritiba) musste man eine glatte 2:0-Niederlage hinnehmen. Ein dritter möglicher Favorit ist Cruzeiro Belo Horizonte, auch wenn man von Boca Juniors deklassiert wurde. Die beiden Auftakt-Siege in Bahia gegen Aufsteiger Vitória und zu Hause gegen Botafogo Rio de Janeiro haben den Spielern Selbstvertrauen gegeben. Von den Rio-Vereinen müssen hauptsächlich Rio-Meister Flamengo und Fluminense, das in der Libertadores glänzt, mit zu den Favoriten gezählt werden.

Aber die Saison ist lang und es kann noch viel passieren. Voraussichtlich wird die Meisterschaft wieder, wie in den Vorjahren, extrem ausgeglichen sein. Es ist äusserst unwahrscheinlich, dass sich einer der Favoriten früh absetzt.
Für den Abstieg kommen wohl als erste drei der Aufsteiger in Frage: Ipatinga, Vitória Salvador und Portuguesa São Paulo, aber im letzten Jahr haben einige der Aufsteiger überrascht, so wie dieses Jahr bereits Náutico Recife, das mit zwei Siegen und vier erzielten Toren an der Tabellenspitze steht.

Eine grosse Lücke hat sicherlich Absteiger Corinthians São Paulo hinterlassen, der Verein mit der zweitgrössten Anhängerschaft in Brasilien nach Flamengo, denn die Duelle mit Corinthians waren immer wieder mitreissend , sei es im gesteckt vollen Pacaembú-Stadion in São Paulo oder auch bei Auswärtsspielen, bei denen oft viele Corinthians-Anhänger anwesend sind, was dann den Reiz einer gemischten Kulisse ergibt.

Zuletzt sei noch erwähnt: Es finden die letzten Spiele des brasilianischen Pokals statt. In eines der Halbfinale haben sich Zweitligist Corinthians und Botafogo Rio durchgekämpft. Das erste Spiel in Rio ging 2:1 für Botafogo aus. Das andere Halbfinale findet zwischen Sport Recife und Vasco Rio statt, wobei Sport zu Hause ein 2:0 vorgelegt hat.

Der brasilianische Pokal hat die Besonderheit, dass er einen Platz in der Libertadores des darauffolgenden Jahres garantiert und ist deshalb besonders umkämpft.


Veröffentlicht am 24. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Zusatz zum Artikel

Wie der Berichterstatter erst nach der Veröffentlichung erfuhr, ist das Halbfinale zwischen Boca Juniors und Fluminense mehr als nur ein Halbfinale. Wird sich nämlich, wie erwartet, America Mexico Stadt gegen LDU Quito durchsetzen, so ist der Sieger des anderen Halbfinales bereits für die FIFA-Vereinsweltmeisterschaft im Dezember im Japan qualifiziert, unabhängig davon, wie das Finale ausgeht. Die Mexikanischen Vereine sind ja in der Copa Libertadores nur eingeladen, können zwar gewinnen, aber nicht den südamerikanischen Verband in Japan vertreten.

Dort wird es aller Voraussicht nach zum Endspiel zwischen Champions-Leage-Sieger Manchester United und dem südamerikanischen Vertreter kommen.

Noch eine andere Bemerkung: In der Originalveröffentlichung in der Berliner Umschau (Link oben) ist ein You-Tube-Video eingesetzt, das offenbar von fanatischen Fluminense-Anhängern aus Rio zusammengestellt wurde. Es zeigt Szenen und Fotos aus Libertadores-Spielen von Boca Junior und Fluminense. Dort kann man u.a. das phantastische 2:1-Tor von Dodô gegen São Paulo sehen, bei dem er die Flanke direkt aus der Luft nimmt und unhaltbar mit riesiger Wucht von ausserhalb des Strafraums verwandelt. Es wird aufgerufen, die "entscheidende Schlacht des Krieges" zu begleiten, das Halbfinal-Spiel gegen Boca Juniors in Rio. Das "dreifarbige Herz" solle bereitet werden.

In Brasilien werden Vereine, die nicht nur, wie üblich, zwei Vereinsfarben haben, sondern drei, wie Fluminense mit den Farben grün-weiss-rot, als "tricolor" bezeichnet. Fluminense ist der 'Tricolor Carioca' - Carioca heissen die Bewohner Rios - und der unterlegene Gegner aus São Paulo mit den Vereinsfarben schwarz-weiss-rot ist der 'Tricolor Paulista'.

Donnerstag, 22. Mai 2008

Warum wurde Nokia geschlossen?

Streik ist die einzige wirksame Waffe

Von Karl Weiss

Das Nokia –Werk in Bochum wurde am 16. Mai geschlossen. Die Belegschaft von 2300 Personen wird fast vollständig entlassen – tröpfchenweise. Jetzt gibt es eine Einigung von Nokia mit der Landesregierung, etwa 30 Millionen für „Arbeitsplatzbeschaffungen“ zur Verfügung zu stellen.

Sozialprotest DGB

Die Schließung des Nokia-Werks hat zum weiteren Mal die Maschinerie der Werksleitungen, Politiker, Medien und rechten Gewerkschaftsführer gezeigt, die in holder Eintracht am gleichen Kunstwerk arbeiten: Werke schließen, ohne dass die Arbeiter zu streiken beginnen. Die Rollen sind vom ersten Tag an verteilt. Die Bosse stellen sich stur (In Wirklichkeit ist längst vereinbart, was sie werden zahlen müssen – jedenfalls in der Grössenordnung). Die Politiker scheinen wütend und versprechen, die Interessen der Arbeiter zu vertreten. Die rechten Gewerkschaftsführer sind vom ersten Tag an stinksauer und voller Wut, sorgen aber gleichzeitig dafür , dass nicht gestreikt wird.

Denn - das hat sich am Beispiel des selbständigen Streiks von 10 Tagen bei Opel Bochum im Jahr 2005 gezeigt, der Streik mit Werksbesetzung („kein Produkt geht raus“) ist das einzige Mittel mit Aussicht auf Erfolg gegen Arbeitsplatzvernichtung. Das Opel-Werk in Bochum ist bis heute in Funktion, so sehr war allen da oben damals der Schreck in die Glieder gefahren, als die Arbeiter auf Streik entschieden und die Werkstore mit Gabelstaplern blockierten. Hinter den Kulissen wurde auf Hochtouren „Politik gemacht“ und nach 10 Tagen, als der Streik ausgesetzt wurde, war der Schließungsplan schon vom Tisch.

Ein modernes Werk wie das von Opel oder von Nokia in Bochum schafft pro Tag so viel Profit für die Kapitaleigner, dass ein Streik mit Werksbesetzung bereits innerhalb von Tagen weit mehr kostet als man durch die ganze Schließung überhaupt gewinnen kann. Deshalb ist dies Mittel so wirksam.

So lief aber bei Nokia alles ab wie bei AEG in Nürnberg und bei Infineon in München-Perlach. Streik wurde verhindert mit immer neuem „Warten wir erst einmal ab ...“ und am Ende „kämpft“ man um Abfindungen, die bereits am Anfang feststanden. Wie üblich, gibt es bei Nokia eine „Beschäftigungsgesellschaft“, doch die Erfahrungen damit sind nirgends gut. Nur für die wenigsten finden sich neue Arbeitsplätze, speziell die Älteren haben keine Chance.

Manche mögen neidisch auf die Abfindungen sehen. Einige Zig-Tausend Euro scheint eine Menge Geld. Aber die Arbeiter werden bald ernüchtert sein: Die Abfindung wird auf das Arbeitslosengeld im ersten Jahr angerechnet . Am Ende jenes Jahres ist es meist schon verbraucht. Wenn es nicht verbraucht ist, kommt es noch schlimmer, man bekommt nicht einmal Arbeitslosengeld II, denn zuerst muss „Vermögen“ aufgebraucht werden. So stehen fast alle nach eineinhalb Jahren auf blankem Hartz IV. Seit uns der SPD-Senator Sarrazin vorgerechnet hat, von welchem Frass wir leben müssen mit Hartz IV und nur Wasser trinken, weiss auch der letzte, das zahlt nicht einmal das Nötigste.

Hartz-Protest 02

Siehe zu Hartz IV auch die unten aufgeführten Artikel zu diesem Thema.

Und – das wichtigste: Die Arbeitsplätze sind verloren für die Jungen, die sie unbedingt gebraucht hätten. So ist das Gemeinschaftswerk der Bosse, der Politiker, der Medien und der rechten Gewerkschaftführer nicht nur eine sich stets wiederholende Farce, sondern auch ein Verbrechen.

Im Fall Nokia war die Schauspielerei besonders gekonnt inszeniert. Wer auch in der Politik etwas zu sagen hatte, zeigte sich „empört“ und forderte alles mögliche, nur eben keinen Streik. Es wurde sogar einem Boykott der Nokia-Handys das Wort geredet und in einer spekatakulären Aktion eine kleiner Haufen Nokia-Handys zerstört. Alles Inszenierung. Es ging nur darum, vom Streik abzulenken. Auch die Demonstrationen wurden von Politik und Gewerkschaftsführung dirigiert. Niemand durfte sprechen, der eventuell zum Streik hätte aufrufen können. Auch die Lichterkette: Alles, nur nicht Streik.

Die Betriebsratsvorsitzende Achenbach, SPD-Mitglied, machte sich besonders um den Betriebsfrieden verdient. Sie scheuchte Flugblattverteiler am Werkstor eigenhändig weg und beschimpfte sie.“Wir brauchen hier keine MLPD, die ihr Süppchen kochen will“. Die Flugblätter der MLPD hatten den Weg zum Streik dargelegt und die Erfahrungen von Opel berichtet. Wer in Wirklichkeit sein Süppchen kochte, waren die Nokia-Bosse in holder Eintracht mit ihren Lakaien, den Politikern, den Medien und den rechten Gewerkschaftsführern.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung machte diesmal sogar eine Sondereinlage und forderte medienwirksam die Rückzahlung der Subventionen von insgesamt 60 Millionen Euros (aktueller Wert), die man zusammen mit dem Bund aufgebracht hatte. Mancher mag geglaubt haben, unter dieser Drohung würde Nokia eventuell einknicken. Aber man hatte nicht durchschaut: Alles eingeübtes Theater. Man hat sich längst geeinigt, in welchem Rahmen die Firma zu zahlen haben wird an Abfindungen und Rückzahlungen. Doch die Illusion hielt vom Streiken ab.

Dann wird (wie üblich) argumentiert, mit dem Streik würde das Werk nur umso schneller geschlossen, doch die Erfahrungen sprechen das Gegenteil: Es muss unbedingt bis zum letzten Tag voll gearbeitet werden!

Wieder und wieder hämmerten die Medien in die Köpfe der unbedarften Leser und Zuhörer: Das Werk wird nach Rumänien verlagert, dort sind die Löhne niedriger. Aus einem Interview mit dem rumänischen Premier Popescu geht aber u.a. hervor: In Rumänien werden überhaupt nicht die gleichen Produkte hergestellt wie in Bochum.

Es geht Nokia gar nicht um die absolute Höhe der Löhne. Für einen Kapitalisten interessiert nicht, ob die Löhne hoch oder niedrig sind. Für ihn zählt nur, was für ihn dabei herauskommt: Er rechnet mit Lohnstückkosten, das heisst, was pro Euro gezahltem Lohn für ihn dabei an Profit entsteht. Es ist eine Legende, in Deutschland hätten wir hohe Lohnstückkosten. In Europa liegen wir im Mittelfeld mit der starken Tendenz zum unteren Rand. Warum? Deutsche Arbeiter sind extrem effektiv. Das zählt weit mehr als die Stundenlöhne. Dazu sind die Reallöhne in den letzten Jahren gewaltig gesunken.

Lohnstückkosten

Im Vergleich mit Entwicklungsländern (und in diesem Sinne muss Rumänien als Entwicklungsland gelten) sind die Lohnstückkosten in Deutschland meist niedriger oder bestenfalls auf gleicher Höhe, denn dort finden sich nur selten ausgebildete Arbeiter mit einem hohen Verständnisniveau für komplexe Produktionsvorgänge. (Näheres hierzu steht auch im „Dossier Arbeitsplätze und Lohnniveau".)

Die immer wieder wiederholte Behauptung, es würde nach Rumänien verlagert und die angeblich so hohen deutschen Löhne seien der Grund, ist nichts als ein Märchen für Leichtgläubige.

Aber warum wurde dann das Bochumer Werk geschlossen? Nokia macht sich den „Kreislauf der Subventionen“ zu Nutze. Einige nannten das „Karawanenkapitalismus“ oder „Subventionsheuschrecke“ . Von Zeit zu Zeit werden Werke geschlossen, wenn man gerade sowieso hohe Neuinvestitionen für eine neue Produktlinie machen müsste. Man kündigt einfach an einem anderen Ort die Neuinvestitionen an oder sogar ein neues Werk und sahnt dort die Subventionen ab. Näheres zum Subventionskarussel hier.

Die Gesamtinvestitionen für das eigentliche Werk in Bochum (was also nicht mitgenommen werden kann)werden auf 120 Millionen geschätzt und wir haben schon gehört, die Subventionen waren 60 Millionen und zusätzlich ein ungenannter Betrag von der EU. Alles, was beweglich ist, wird Nokia sowieso abtransportieren, die restlichen Investitionen sind also nicht verloren, aber an einem anderen Ort wird man wieder ein Werksgelände geschenkt bekommen, für das eigentliche Werk mehr als die Hälfte durch Subventionen reinholen und dann auch noch Steuerbefreiungen und andere Vergünstigungen bekommen.

So holt man aus den Steuerzahlern das meiste Geld für die eigenen Subventionen heraus und minimisiert bis ins Extremste die Kosten der Produktionswechsel, die gerade bei schnell wechselnden Artikeln wie Handys einen besonders hohen Anteil an den Gesamtkosten haben.

Die Zahlung von Abfindungen und jetzt auch 30 Millionen für neue Arbeitsplätze sind „peanuts“, Kleinigkeiten, die eine Nokia aus der Portokasse zahlt. Dazu kommt, die „neuen Arbeitsplätze“ werden wieder in Form von Subventionen an hoch profitable Konzerne vergeben werden, also die Perpetuierung des Subventionskarussels.

Die Schätzungen eines Fachmannes, den der Autor dazu befragen konnte, sind etwa folgende: Ein modernes Werk mit 2300 Beschäftigen, das zusätzlich noch Modeprodukte produziert wie Handys, schafft um die 10 Millionen Euro Profit am Tag (am Tag!). Hier handelt es sich nicht um den ausgewiesenen Gewinn (der wird nur aus Steuergründen errechnet), sondern um den wirklichen Profit (ein ähnlicher Wert wie jener, den die bürgerlichen Ökonomen „Rohertrag“ zu nennen pflegen). Ein Streik von nur 10 Tagen hätte also um die 100 Millionen Euros Verlust gebracht. Das ist weit mehr, als man nun zahlt und in anderen Werken an Subventionen einstreichen kann.

Man bedenke nur: Land, Bund und EU bezahlten mehr als die Hälfte des Werks und nun kann Nokia es verkaufen und bekommt schon wieder Bares in die Kasse. Am Ende hatte man keinen Heller Kosten für das Werk selbst, nur für die Ausrüstung, die aber mitgenommen wird. So lohnt es sich nicht, lange an einem Standort zu bleiben, man macht den berühmten Reigen: Wandern, wandern, von einem Ort zum andern - - - und an jedem Ort regnet es Subventionen.

Warum extrem profitträchtige Konzerne wie Nokia von unseren Steuergeldern zig Millionen an Subventionen bekommen, das haben die Medien, die „empörten“ Politiker und die „besorgten“ rechten Gewerkschaftführer uns bis heute nicht erklären können.


Veröffentlicht am 22. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originaleröffentlichung


Artikel zur Hartz IV im Blog:

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

" Hartz-IV-Empfänger müssen im Dunkeln sitzen, kalt duschen und Wasser trinken "


Zusatz zum Artikel

Ein Satz des Artikels ist missverständlich und soll daher hier klargestellt werden: "So lief aber bei Nokia alles ab wie bei AEG in Nürnberg und bei Infineon in München-Perlach. Streik wurde verhindert..."
Das könnte so verstanden werden, dass auch bei AEG und Infineon nicht gestreikt wurde. Dort wurde aber sehr wohl gestreikt. Allerdings war es bei AEG nur ein Streik um bessere Abfindungen und und nicht verbunden mit Werksbesetzung. Bei Infineon wurde mit brutalen Polizeieinsätzen die Besetzung des Werkes verhindert.

Montag, 19. Mai 2008

'Dieser verdrehte, dumme und unerfreulich gewalttätige Mann'

Robert Fisk: Die Lage im Libanon

Von Karl Weiss

„Wo endet der Wahnsinn?“ ist die neue Kolumne von Robert Fisk im britischen ‚Independent’ überschrieben. Er bezieht sich auf die Berichterstattung über die Vorgänge im Libanon und speziell auf die Politik von George W. Bush. Wenn man wissen will, was im Nahen Osten wirklich vorgeht und nicht von den Nachplapperern der US- und israelischen Meinung getäuscht werden will, kommt nicht darum herum, die Kolumne von Fisk im ‚Independent’ zu lesen.

Robert Fisk

Fisk ist der einzige westliche Journalist im Nahen Osten, der sich nicht hat kaufen lassen und nicht dem US-/Israel-Mainstream seine Opfer in Form von Lügenartikeln darbringt. In dieser Woche nun sagt uns Fisk, was im Libanon vorging. Er sagt, die Regierung war sowieso schon schwach. Nun haben die Hizbollah-Brigaden ein wenig die Muskeln spielen lassen und haben gewonnen. Niemand wollte den fast schon angefangenen Bürgerkrieg weiterführen, denn alle wussten: Die Hizbollah hat gewonnen.

Diese Tatsache haben uns die anderen Quellen vorenthalten.

Es ist nicht so, wie man uns weismachen wollte, es bestünde weiterhin eine Art Doppelherrschaft im Libanon. Die Hizbollah hat gewonnen. Sie wird in Zukunft im Libanon sagen, was geschieht, möge das jemand gefallen oder nicht.

Und wir erfahren noch mehr. Er bezeichnet Bush wegen seiner diesbezüglichen Äußerungen wörtlich als „Dieser verdrehte, dumme und unerfreulich gewalttätige Mann“.

Bush, so berichtet er, habe nämlich genau zu diesem Zeitpunkt bei seinem Nahostbesuch gesagt: „Al Quaida, Hizbollah und Hamas werden verlieren, denn die Muslims der Region erkennen die Inhaltslosigkeit der terroristischen Sicht und die Ungerechtigkeit ihrer Sache.“

Angesichts dieser Aussage fragt Fisk, ob Worte überhaupt noch irgendeinen Sinn haben.

Er sagt: „Al Quaida ist nicht geschlagen. Hizbollah hat gerade ihren Haus-Krieg im Libanon gewonnen, so wie die Hamas schon vorher im Gaza-Streifen.“

Er sagt: „Afghanistan und Irak und Gaza sind Höllen-Desaster“.

Bild des "Berges der nackten Gefangenen"

Fisk Iraq 'Terrorist' 5

Fisk Iraq 'Terrorist' 6

Fisk Iraqi 'Terrorist' 7

Fisk Iraqi 'Terrorist' 8
Diese Bilder von "unschädlich gemachten" jungen "Terroristen" im Irak stammen auch von Robert Fisk. Wer es erträgt, mehr davon zu sehen, kann hier nachsehen: "Ein Weihnachtsartikel"

Er fragt ernsthaft, ob wir uns noch das Gerede von einer angeblichen Demokratie in Israel anhören müssen, wenn es für die Palestinenser keine Demokratie gibt, sondern ihnen weiterhin Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat das Land gestohlen wird, das seit Generationen ihres war.

Palestina land loss

Er betont: Es gibt keinen anderen Verbündeten des US-Imperialismus als Israel im Nahen Osten. Zwar gibt es eine einige Tyrannen dort, die entgegen dem Willen der Bevölkerung eine Allianz mit dem Mörder- und Weltenherrscherregime bevorzugen, wie Ägyptens Mubarak und die Könige von Saudi-Arabien, Marokko und Jordanien, aber wenn dort die Völker Gewicht hätten, würde niemand Verbündeter der USA sein.

Die völlige Zerstückelung des palästinensischen Territoriums wird hier deutlich. Das ist keine Besatzung, das ist Annektion.

Fisk macht deutlich: Der Nächste Präsident des Libanon wird der Armee-General Michel Sleiman sein und der wird keinerlei Krieg gegen die Hizbollah führen, ebensowenig wie sich mit Syrien anlegen. Der Libanon wird sich nicht Bushs „Jihad“ gegen den Welt-Terrorismus anschliessen.

Kurz: Bush ist zwar intim mit Israels Führern, aber er hat nicht die geringste Ahnung vom Nahen Osten. Israel ist da sein einziger Verbündeter und das wird nicht ausreichen.

Bush Deaths

Verdrehter, dummer und unerfreulich gewalttätiger Mann.


Veröffentlicht am 19. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Samstag, 17. Mai 2008

Amazonas-Urwald zum Abschuss freigegeben

Brasiliens Umweltministerin Marina Silva tritt zurück / Bis zu 40 Prozent des Regenwalds vor Abholzung

Von Karl Weiss, Belo Horizonte

Am vergangenen Dienstag hat die brasilianische Umweltministerin Marina Silva endgültig das Handtuch geworfen und ist zurückgetreten. Jetzt ist der Weg frei, auch noch die letzten Hemmungen abzulegen im Abbrennen und Abholzen des weltgrößen Regenwaldes im Amazonasbecken(„die Lunge der Menschheit“). Der parlamentarische Führer der brasilianischen Grossagrarier hat dies - wenn auch in verschleierter Form – bereits angekündigt.

Amazonas

Die Umwelt-Ministerin Marina Silva war eine der Ikonen der Regierung Lula in Brasilien. Sie kam aus Amazonien, sie war Begleiterin von Chico Mendez in seinem Kampf gegen die Grossagrarier und Holzkonzerne und für die Rechte der Kleinbauern und den Schutz des regenwaldes, bevor er im Auftrag von einem von ihnen ermordet wurde. Sie hat es von einer Analphabetin zu einer gebildeten Ministerin geschafft. Sie schien für die international Umwelt-Bewegten die Garantie zu sein, die Vernichtung des Regenwaldes würde gebremst werden.

Wenn man also später einmal im Rückblick ein Datum festlegen will, wann es endgültig klar wurde, das Ende der Menschheit, wie wir sie kennen, wird nicht mehr aufzuhalten sein, dann könnten einige der wenigen Überlebenden auf die Idee kommen, es könnte der 13. Mai 2008 gewesen sein.

Brasilien: Soja-Pflanzungen auf Regenwald-Gelände

Nach 6 Jahren des Kampfes für diese Ziele (Marina Silva war Umwelt-Ministerin seit dem ersten Amtsantritt Lulas; der Berichterstatter nimmt an, sie habe gekämpft, wirklich zu sehen war von außen nie etwas) und nachdem sie wieder und wieder zwar als Gallionsfigur genutzt wurde, sich aber nie durchsetzen konnte, hat sie nun aufgegeben. Die Wut, mit der sie das Handtuch geworfen hat, kann man an der Art und Weise ablesen, wie sie ihren Rücktritt inszenierte. Sie liess ihr Rücktrittsschreiben im Büro des Präsidenten abgeben, der aber damit beschäftigt war, unserer Merkelin die Aufwartung zu machen und deshalb nicht da war. Gleich danach gab sie eine Presse-Erklärung über ihren Rücktritt heraus und stellte somit sicher, Lula würde durch die Medien davon erfahren.

Nicht dass sich wirklich viel ändern würde mit ihrem Abgang. Auch in diesen 6 Jahren wurde die Vernichtung des Amazonasregenwaldes bereits fast ununterbrochen beschleunigt. Zwar gab es ein Jahr mit einem geringfügigen Rückgang der neu vernichteten Fläche, aber das lag an den extrem niedrigen Agrarpreisen. Jetzt, mit erhöhten Preisen für Soja und Fleisch und mit weiterhin himmelstürmenden Preisen für Tropenholz, sind endgültig alle Dämme gebrochen. Es locken Millionen und Abermillionen von leichten Profiten!

Brasilien (topographisch)

Falls die Ministerin noch ein Hindernis war, so ist auch dies jetzt beseitigt. Der neue Minister Minc hat bereits verlauten lassen, er werde die „Bürokratie“ für Umwelt-Zulassungen verringern. Nachtigall ick hör dir trapsen!

Dass die Ministerin doch noch eine gewissen Barriere darstellte und es nun noch schlimmer wird, geht auch aus einem Interview mit dem brasilianischen Bundestagsabgeordneten Valdir Colatto hervor. Dieser ist der Führer der „Frente Parlamentar da Agropecuária“, das sind die mit den Grossgrundbesitzern verschmurgelten Abgeordneten, etwa ein Drittel des Hauses, quer durch alle Parteien.

Regenwald

Er sagte in bemerkenswerter Offenheit zum Rücktritt, „die Ministerin erlitt die Konsequenzen der Reaktion des ‚produktiven Sektors‘“. Er bezeichnet als ‚produktiver Sektor‘ die Grossgrundbesitzer, die intensive Raubbau-Landwirtschaft betreiben.

Das Banner des Kampfes gegen die Vernichtung des Regenwaldes, so sagt er, sei eine ideologische Position, die lediglich vorgeschoben sei. Das wirkliche Ziel dieser Umweltschützer sei, in einem Land zu leben, in dem es nur Umweltschutz gebe, in dem nicht produziert würde und es überhaupt keine ökonomischen Aktivitäten gäbe.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Er weist in dem Interview darauf hin: Es gibt in Brasilien offiziell das Gesetz mit der Nummer 4771, das erlaubt, 40% des Amazonas-Urwaldes zu vernichten. Er sagt, bisher seien erst 7% vernichtet (diese Zahl ist ‚leicht geschönt‘), also seien alle Aktivitäten des Abbrennens und Abholzens erlaubt.

Vom neuen Minister verlangt Colatto: „Er soll die Situation verstehen und die notwendigen Planungen durchführen, damit diese Frage [des Umweltschutzes] nicht auf den Privatbesitzer zurückfällt und den Schlaf derer raubt, die nichts anderes wollen als produzieren und als Gesetzesbrecher dargestellt werden.“
Kurz zusammengefasst: Der Amazonas-Urwald ist zum Abschuss freigegeben.

Alle Experten sind sich einig: Wenn das Amazonasgebiet zu einer Steppe und/oder Wüste geworden ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, die Klimakatastrophe aufzuhalten, die dann zur Vernichtung der Menschheit, wie wir sie kennen, führen würde.

Veröffentlicht am 17. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Dienstag, 13. Mai 2008

Kriegsvorbereitungen gegen Venezuela

Krieg Kolumbien gegen Venezuela?

Von Karl Weiss

In einem Artikel vom 10. Mai 2008 kolportiert die „Welt“ Anklagen gegen Venezuela, um die Kampagne in den westlichen Medien zu verstärken, Venezuela als Störenfried und seine Regierung als kriminell hinzustellen. Damit sollen Vorbereitungen für einen Krieg gegen Venezuela getroffen werden. Ein brasilianischer Senator hatte bereits vor einiger Zeit in einem Moment der Erregung ausgeplaudert, was die mächtigen reaktionären Kräfte in den Amerikas vorhaben. Währenddessen liessen die USA einen riesigen Flugzeugträger unangemeldet durch venezuelanische Hoheitsgewässer navigieren. Es sollen die Spannungen so lange geschürt werden, bis ein Vorwand für den Beginn des Krieges von Kolumbien gegen Venezuela geschaffen ist.

Venezuela2

Zu diesem Zweck wurde Kolumbien schon seit Jahren durch die US-Regierung zu einem bis an die Zähne mit modernsten Waffen vollgestopften Staat umgewandelt. Heute stellt Kolumbien den Kettenhund des US-Imperialismus in Lateinamerika dar. Unter Präsident Uribe, der Verbindungen zu den faschistischen Exterminations-Kommandos hat (die wiederum für einen wesentlichen teil des Kokain-Schmuggels verantwortlich gemacht werden), wurde diese Entwicklung beschleunigt.

Kolumbien provoziert seitdem alle möglichen Zwischenfälle, um Venezuela zu Reaktionen zu treiben, die dann von der westlichen Presse und der „Internationalen Gemeinschaft“, sprich, der US-Regierung und ihren Vasallen, zum Anlass genommen werden, Präsident Chávez von Venezuela als den Aggressor hinzustellen.

Zentral Amerika

Über die bereits in Entwicklung befindlichen Kriegsvorbereitungen und die Aussagen des brasilianischen Senators wurden bereits in diesem Artikel berichtet. Über die Destabilisierungsversuche der USA in Venezuela kann man hier lesen. Auch im Artikel "Nächster Stop - Venezuela?" wurde bereits über den Beginn der Kriegsvorbereitungen berichtet.

Kolumbien provoziert speziell seit der Wahl des gemäßigt linken Präsidenten Correa in Ekuador Zwischenfälle mit diesem Land, weil man weiss, der Venezuelanische Präsident wird darauf reagieren und man kann ihn dann wie den Angreifer aussehen lassen, denn Chávez spart bekannterweise nicht an starken Worten.

So werden von kolumbianischen Flugzeugen seit dieser Zeit Entlaubungsmittel über benachbartem equadorianischen Gelände versprüht, was Ekuador bereits wiederholt öffentlich verurteilt hat. Viele equadorianische Zivilisten erkrankten bereits in der Folge der Giftsprühereien. Die westlichen Medien berichten darüber nicht.

Chávez und Lula

Bereits zweimal wurde in Venezuela eine Spionageorganisation aufgedeckt, die für die US und Kolumbien spionierten. Es mussten bereits mehrmals US-Militärbeobachter aus dem Lande ausgewiesen werden, ebenso wie kolumbianische Staatsbürger, die mit solchen Organisationen zusammenarbeiteten. Venezuela hat auf alle diese Zwischenfälle äusserst moderat reagiert.

Die letzte grosse Provokation war der Luftangriff, den kolumbianische Flugzeuge, ausgerüstet mit modernsten US-Raketen und US-Aufklärungsgeräten, im Nachbarland Ekuador geflogen haben. Dabei wurde ein Lager der Guerrila-Organisation FARC (Força Armada Revolucionária de Colombia) zerstört und fast alle Insassen getötet, darunter den stellvertretende Führer der Farc, der für die Verhandlungen zur Freilassung von Geiseln der FARC zuständig war. Auffallend war, es gab keinerlei Vorwarnung, z.B. die Bitte an Ekuador, auf seinem Gebiet keine Lager der FARC zuzulassen. Es wurde im Gegenteil alles geheimgehalten, so dass eine grösstmögliche Zahl von Toten erzielt wurde, also ein Mordangriff – und das unter Verletzung der Souveränität eines anderen Landes. Es wurden schon Kriege wegen weniger begonnen.

Zu jenem Zeitpunkt waren gerade Verhandlungen in Gange, die bereits seit Jahren als Geisel gehaltene französisch-koumbianische Politikerin Betancourt freizulassen. Chávez trat als Vermittler auf und hätte bei einer Freilassung international Ansehen gewonnen. So verhinderte die kolumbianische Regierung mit der Massenmordaktion die Freilassung und kann nun weiterhin die FARC als „Terroristen“ bezeichnen. Auch bei der vorherigen Freilassungsaktion hatte Uribe schon Alles veranlasst, um die Freilassungen zu verhindern, was aber beim x-ten Anlauf dann nicht mehr funktionierte.

Auch im Fall des Mordangriffs haben sowohl Ekuador als auch Venezuela (gegen das der Angriff ja indirekt gerichtet war) unüblich verhalten reagiert – trotz aller harten Worte. Bereits eine Woche nach dem Angriff hatte man eine – wenn auch nicht formale – Entschuldigung Kolumbiens angenommen und die „gutnachtbarlichen Beziehungen“ für wiederhergestellt erklärt.

Ohne Zweifel wird Kolumbien mit seinen Provakationen fortfahren, denn dies sind offensichtlich keine zufälligen und isolierten Ereignisse, sondern Teil eines planmässigen Vorgehens unter Führung der US-Regierung.

Inzwischen hat Kolumbien und dann auch das US-Assenministerium bereits weiter Öl ins Feuer gegossen: Beide behaupteten, man habe in dem zerstörten FARC-Camp einen Computer gefnden, auf dem noch E-Mails von Chávez an die Farc zu entziffern gewesen seien, in denen er der FARC Geld anbiete.

Das ist extrem unwahrscheinlich, denn Chávez mag temperamentvoll sein, aber dumm ist er sicherlich nicht. Jeder weiss, E-Mails können abgefangen und auf Computern wiederhergestellt werden. Man würde also solche Nachrichten auf andere Art und Weise übermitteln. Eine unabhängige Untersuchung des ganzen Vorfalls, einschliesslich der angeblichen E-Mails, hat es natürlich nicht gegeben.

Es wird also die gleiche Taktik angewandt wie damals im Vorfeld des Irakkrieges gegen Saddam Hussein: Man erfindet Masenvernichtungswaffen, niemand kann die dubiosen „Geheimdiensterkenntnisse“ nachprüfen und durch den Druck der Medien wird der Eindruck erzeugt, es gebe diese „Fakten“ tatsächlich.

Als nächstes klagte ein Sprecher ds US-Aussenministerims Venezuela an, sich nicht, wie Kolumbien und Peru, in das US-Programm der Drogenbekämpfung in Südamerika einbinden zu lassen.Die Regierung Venezuelas sei korrupt und in Kokain-Schmuggel verwickelt. Als letzte Nachricht hierzu schreibt die Welt in ihrem Artikel, ein gewisser Mariusz Maszkiewicz, der einmal polnischer Botschafter in Weissrussland gewesen sein soll, habe die weissrusssische Regierung angeklagt, über ihre Öl- und Chemiefirma Belneftekhim dem venezuelanischen staatlichen Ölkonzern PDVSA das Waschen von Drogengeldern zu ermöglichen. Bei diesen Geldwäscheaktivitäten liesse Cháves über seinen Staatskonzern auch Gelder der kolumbianischen FARC waschen.

Dies Ganze ist ein wenig gewagt. Wie jeder in Südamerika weiss, wird fast das gesamte Drogen-Kokain der Welt aus Kolumbien und Peru herausgeschmuggelt. Nun ausgerechnet diese beiden Länder als Musterknaben des US-Anti-Drogen-Programms hinzustellen, setzt voraus, dass man den Leser für völlig unbedarft hält. Die Mengen des Kokains aus Kolumbien und Peru auf den Märkten in den USA und Europa, den Hauptabsatzgebieten, haben sich nicht im geringsten verringert. Wenn es also wirklich ein Anti-Drogen-Programm gibt, dann ist es so ineffektiv wie nur denkbar.

Nun so zu tun, als ob ein Nachbarland, Venezuela, der grosse Drogenschmuggler sei, während es in Wirklichkeit klare Anzeichen gibt, dass die CIA selbst einen Teil dieses Kokains schmuggelt, ist ein wenig sehr auf die Dummheit des Zuhörers oder Lesers spekuliert.

Auch in diesem Fall betätigen sich die ‚Welt’ und andere Medien als reine Gerüchtestreuer, so wie man damals auch die Anklagen gegen die irakische Regierung wegen Massenvernichtungswaffen wie Tatsachen veröffentlicht hat. Man behauptet nicht einmal, irgendwelche Belege für staatlichen venezuelanischen Drogenschmuggel oder Drogengelder zu haben. Die Behauptungen eines Ex-Diplomaten aus Polen kann man ja wohl nicht ernsthaft als Belege ansehen.

Chávez

Hugo Chávez ist sich offenbar der Tatsache bewusst: Die USA haben fast immer, wenn sich die Regierung wichtiger Länder nicht ihren Anweisungen fügte – und schon gleich auf dem amerikanischen Kontinent – jenes Land mit Krieg überzogen oder überziehen lassen. Er ist daher schon seit einiger Zeit dabei, Milizen aus einfachen Leuten aufzustellen, die Guarda Territorial (GT) und die Frente Francisco de Miranda (FFM).

Venezuela ist ein wichtiges Land, denn es fördert die zweithöchste Erdölmenge auf dem amerikanischen Kontinent und hat mit seinen Schwerölvorkommen im Orinokobecken die grössten bekannten Erdölvorräte auf der Welt überhaupt. Da ist es natürlich angebracht, auf einem militärischen Überfall vorbereitet zu sein.

Welt-Ölreserven

Das Venezuelanische Militär, das weiss Hugo Chávez nur zu gut – er kommt selbst aus dem Offiziers-Korp -, ist zum Teil sowieso nicht loyal dem Land gegenüber, sondern den US-Interessen, wo viele von ihnen ausgebildet wurden. Aber selbst wenn alle loyal wären, hätte das Venezuelanische Militär nicht die geringste Chance, einem Angriff kolumbianischer Truppen mit US-Unterstützung länger zu widerstehen als die Truppen Saddam Husseins denen der völkerrechtswidrigen Invasion von 2003.

Venezuela

Daher ist es zweifellos weise, Milizen aufzustellen und zu bewaffnen. Sie könnten nach einer US-/kolumbianischen Machtübernahme in Venezuela einen Guerrila-Krieg gegen die Besatzer führen, mit schnellen überraschenden Angriffen und anschliessendem Untertauchen in der heimischen Bevölkerung, der aus Venezuela ein neues Vietnam machen könnte, den schlimmsten Albtraum aller Besatzer.

Ein Vertreter der korrupten reaktionären Oligarchie Venezuelas, die von Chávez mit einem Teilverlust ihrer Macht bedroht ist, ein gewisser Raúl Isaias Baduel, hat also folgerichtig die Aufstellung der Milizen kritisiert. Er muss ja befürchten, mit seinen Kumpanen keine stabile Besatzungsmacht in Venezuela errichten zu können.

In der letzten Woche liess die US-Regierung einen seiner riesigen Flugzeugträger ohne Vorankündigung demonstrativ durch venezuelanische Gewässer kreuzen. Diese Provokation un der Protest Venezuelas dagegen wurde ebenfalls von den westlichen Medien verschwiegen.

Was macht die „Welt“ aus dieser Kritik des Herren Putschisten? Man höre: „In Venezuela wächst das Unbehagen am rasanten Ausbau der Milizverbände (...)Der prominenteste Kritiker des Präsidenten warf Chávez vor, er ziehe Venezuela "systematisch immer tiefer ins Chaos", um sich so an der Macht halten zu können.“

Das ist die „Neue Weltordnung“, die Bush Vater verkündet hatte: „Chaos“ ist, wenn man sich auf einen völkerrechtswidrigen Überfall durch den Imperialismus vorbereitet. Richtig ist dagegen, sich rechtzeitig den Anweisungen der weisen Leute in der US-Regierung unterzuordnen.

US- Spezialschiff vor Curaçao
Dies war eine der ersten Provokationen der US-Regierung gegen Venezuela. Ein US-Spezialschiff für Landungsoperationen wurde demonstrativ kurz vor der venezuelanischen Küste bei Curaçao stationiert.

Laut einer Meldung vom 11. Mai 08 hat der Venezuelanische Präsident Hugo Chávez in einer Ansprache im Radio genau diese Intentionen angesprochen: „Ich mache den Kontinent darauf aufmerksam, das Venezuelanische Volk und die Streitkräfte: Die kolumbianische Regierung will einen Krieg provozieren, um damit ein Eingreifen der Vereinigten Staaten in Venezuela zu erreichen!“


Veröffentlicht am 13. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Freitag, 9. Mai 2008

Die Lebensmittelkrise und der Bio-Sprit

Wie man von den wirklich Verantwortlichen ablenkt

Von Karl Weiss

Die Lebensmittelpreise steigen und die Suche nach den Verantwortlichen hat begonnen. Allenthalben kann man hören und lesen: Der Biosprit (Alkohol als Benzinersatz und Biodiesel als Diesel-Ersatz) sei für die gestiegenen Lebensmittelpreise verantwortlich. Im Auftrag oder im Interesse gewisser Konzerne wird das Märchen erzählt, die (bisher noch gar nicht ernsthaft eingeleitete) Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien sei der Grund für die (bereits heftig stattfindende) Erhöhung der Verkaufspreise von Lebensmitteln, vor allem von Grundnahrungsmitteln wie Reis, Weizen, Bohnen, Soja usw. Wie kann es sein, dass zukünftige, noch in Planung befindliche Aktionen in den vergangenen Monaten Preise getrieben haben könnten?

Brasilien (topographisch)

Die Großkonzerne der Energieerzeugung, der Ölindustrie und der Automobilindustrie sind intensiv daran interessiert, dass bezüglich der Verwendung von fossilen Energiequellen (Kohle, Erdgas, Erdöl) alles beim Alten bleibt und Energiegewinnung und Transport auf der Verbrennung dieser Stoffen beruhen. Das – so stellt sich das für einen Manager aus diesen Industriezweigen dar – garantiert die Monopolstellung dieser Konzerne und damit ihren Monopolprofit. Sie haben zwar nichts gegen ein paar kleine alternative Versuchsanlagen, mit denen man die öffentliche Meinung zu beruhigen sucht, aber wirklich umstellen, nicht daran zu denken!

Da nun aber die Klimakatstrophe aufgrund der globalen Erwärmung, verursacht durch eben jene Verbrennung, bereits ihre ersten Anzeichen sehen lässt (Birma-Myanmar lässt grüßen), brauchen sie eine umfangreiche Propagandamaschinerie, um gegen alternative Energien vorzugehen. Speziell zu diesem Zweck halten sie sich Organisationen, bezahlen Wissenschaftler, Nicht-Regierungs-Organisationen und setzen grosszügige Medienanzeigen, um „im redaktionellen Umfeld“ entsprechende Sendungen und Artikel zu finden.

Globale Erwärmung

Eines der wichtigsten Ziele ihrer Konter-Propaganda sind dabei die Bio-Sprit-Planungen. Um diesen den Garaus zu machen, müssen schwere Geschütze aufgefahren werden, sonst bestünde die Gefahr, dass man bald weniger von seinen nun unschlagbar profitablen Hauptprodukten Benzin und Diesel absetzt. Man stelle sich vor, die Kosten der Herstellung sind fast die gleichen wie bei einem Rohölpreis von 62 Dollar pro Barrel vor drei Jahren und jetzt kann man sich mit den gleichen Kosten auf einen von 120 Dollar pro Barrel beziehen – und das ergibt alles reinen Profit! Da bleibt natürlich Geld für ausgebiebige Propagandamassnahmen übrig.

Treffende Karikatur

Da ergab es sich nun, dass seit einigen Monaten die Preise von Lebensmitteln steigen, speziell Grundnahrungsmitteln – und das zum Teil massiv! Was liegt da näher als zu behaupten, die Biosprit-Pflanzen hätten Agrarflächen gestohlen und dadurch diese Preissteigerungen verursacht?

Und schon beginnt die Propagandamaschine zu rotieren. Seit Wochen werden wir nun von verschiedenen Seiten mit dem Märchen beglückt, der Biosprit sei an Lebensmittelpreis-Steigerungen schuld. Eine der ersten Stellen, die dies behaupteten, war die UN-Organisation für Nahrungsmittelsicherheit. Nur hat man vergessen zu sehen, dass sich die UN fest im Griff der Regierung der Vereinigten Staaten und der von ihr repräsentierten Konzerne befindet. Also kein Wunder, dass gerade sie den Vorreiter im Märchenerzählen machten.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Als Nächstes hörte man Ähnliches vom Internationalen Währungsfond, ebenfalls eine Organisation unter vorwiegendem US-Einfluss. Dann kamen scheinbare Umweltschutz –NGOs (Non-governamental organizations) wie Greenpeace und „Rettet den Regenwald“, um ins gleiche Horn zu stossen. Bei beiden Organisationen scheint es sich um kapitalistische Unternehmen zu handeln, die aus dem Umweltschutz ein Geschäft gemacht haben.

Man braucht nur einmal die Web-Sites der beiden Organisationen ansehen, da wird viel von allen Möglichen Aktivitäten berichtet, aber es wird an keiner Stelle gesagt, wie sich all dies finanziert. Beide behaupten nicht einmal, sie würden sich nur aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden von Privatpersonen finanzieren. Nicht eine Rechnungslegung über Geldeingänge und -ausgänge ist zugänglich. Da darf man vermuten, es gibt da etwas zu verbergen.

Natürlich belegt dieses Zusammenkommen von Aktivitäten im Sinne bestimmter Konzerne mit dem Vorhandensein von offenbar gut fließenden Mitteln noch nicht, dass die beiden Organisationen an der finanziellen Leine solcher Großkonzerne hängen. Es ist auch möglich, dass man aus Unkenntnis handelt und sich übertölpeln hat lassen.

Doch damit nicht genug, nun kommen auch „Wissenschaftler“ ins Spiel, die sich bekanntermassen besonders leicht gegen geringe „Unterstützung“ vor den Karren von Grosskonzernen spannen lassen. Da wird zum Beispiel „wissenschaftlich“ nachgewiesen, dass der Energieverbrauch (mit CO2-Ausstoss) für die Herstellung von Biodiesel aus dem Anbau von Raps, Palmöl oder Soja oder für Alkohol aus Mais höher ist als die Energiemenge (ohne CO2-Ausstoss), die gegenüber fossilen Rohstoffen eingespart würde. Dabei hat man nur „aus Versehen“ vergessen, die Energiemengen abzuziehen, die von den vorher auf jenen Feldern angebauten Pflanzen verbraucht wurden (die natürlich im wesentlichen genauso gross sind wie die von Raps, Palmöl, Soja und Mais).

Regenwald

Eine andere Untersuchung belegt bis ins kleinste, dass der Schaden bezüglich der globalen Erwärmung, den ein Sojafeld im Amazonasurwald anstellt, höher ist als der Vorteil, der sich aus dem geringeren CO2-Ausstoss bei seiner Verbrennung als Bio-Diesel ergibt. Diese letzte „wissenschaftliche Erkenntnis“ hat sich in einer Zeitschrift „Science Magazin“ versteckt, was so ähnlich klingt wie die renommierte „Science“. Selbstverständlich ist diese „ Erkenntnis“ eine Binsenweisheit.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Allerdings hat sich bisher noch kein Wissenschaftler gefunden, der wirklich ernsthaft behauptet hätte, es gäbe irgendeinen wissenschaftlichen Nachweis für einen Zusammenhang von Biosprit mit Lebensmittelpreiserhöhungen. Na, man kann erwarten, auch dafür findet sich noch irgendein verdrehtes Argument.

Was hat wirklich die erhöhten Lebensmittelpreise verursacht?

1. Der Hauptgrund sind die massiven Agrarsubventionen, mit denen Europa, die Vereinigten Staaten und Japan ihre inländischen Grossagrarier beglücken, was dazu führt, dass Riesenmengen von subventionierten Agrarprodukten zu Preisen auf den Weltmarkt geworfen werden, die für alle Außerhalb dieser Länder den entsprechenden Anbau unrentabel machen. Dadurch haben die Bauern in vielen Ländern, vor allem Entwicklungsländern, aufgeben müssen und landwirtschaftlich nutzbare Fläche brach liegen gelassen.

a. Würden die Agrarsubventionen eingestellt, könnten Hunderte von Millionen von grossen und kleinen landwirtschaftlichen Anwesen in aller Welt wieder beginnen anzubauen und zu ernten und es würde sich ein internationaler Preis von Grundnahrungsmitteln einpendeln, der den Bauern ein Auskommen und den Verbrauchern Versorgungssicherheit bietet.

b. Gleichzeitig könnten die landwirtschaftlichen Betriebe in den entwickelten Ländern lernen, wie man Biogas aus Pflanzen, Pflanzenteilen, tierischen Exkrementen und Holz herstellt und damit Generatoren für Strom und Kessel für Dampf bzw. Warmwasser betreibt (siehe auch diesen und diesen Artikel), die gleichzeitig die Strom- und Wärmeprobleme dieser Länder lösen und sie weniger von importierten Rohstoffen abhängen lassen. Dazu hätte die Landwirtschaft in diesen Ländern wieder eine Aufgabe, ohne am Tropf von Subventionen zu hängen.

2. Der zweite Grund für gestiegene Lebensmittelpreise ist eine erhöhte Nachfrage, die sich vor allem durch die wirtschaftlichen Aufschwünge in den Schwellenländern (hauptsächlich China und Indien) ergeben hat. Es wurden dort Hunderte von Millionen von Menschen aus der absoluten Armut geholt, was sie zu Konsumenten von mehr und höherwertigen Nahrungsmitteln machte.

3. Der dritte Grund ist die extreme Ausweitung der Viehhaltung überall auf der Welt. Vieh ist Konkurrent für den Menschen bezüglich der Nahrung. Rinderfutter zum Beispiel wird regelmässig mit Mais und anderen Korn-Arten angereichert. Hühnerfutter ist praktisch identisch mit den menschlichen Grundnahrungsmitteln. Die Ausweitung hat dazu geführt, dass Mengen, die für die menschliche Ernährung zur Verfügung standen, nun verfüttert werden. Der Viehbestand auf der Erde hat sich in den letzten hundert Jahren in etwa verhundertfacht. Davon fällt ein guter Anteil auf die letzten 20 Jahren.

4. Ein vierter Grund ist die Internationalisierung der Preisbildung von Grundnahrungsmitteln durch die wachsende Bedeutung von Nahrungsmitteln an den Commodity-Börsen in London und Chicago und die damit verbundene Einbeziehung der Preise in Prozesse von Spekulation und „Future“-Kontrakte. Die Heerschar von Finanz-Spekulanten, die sich aus dem Immobiliengeschäft wegen der dortigen Krise zurückziehen musste, suchte neue Felder und ging teilweise in die Spekulation in Grundnahrungsmitteln.

5. Ein fünfter Grund ist die starke Konzentration in der Lebensmittelindustrie und bei den Agrar-Handels-konzernen. Nestle und Unilever machen heute wesentliche Teile des Marktes von industrialisierten Lebensmitteln unter sich aus. Bei den Handelskonzernen haben einige wenige, wie zum Beispiel Cargill, eine Marktmacht errreicht, die ihnen das Diktieren von Preisen ermöglicht. Stiegen die Lebensmittelpreise bereits an, so ist man auf den fahrenden Zug gesprungen und hat sich einen kräftigen Schluck aus der Pulle gegönnt. Man braucht nur die Profitentwicklung dieser Konzerne verfolgen und hat schon ein deutliches Anzeichen, wohin ein Teil der Gelder der höheren Preise geflossen sind.

6. Ein weiterer Grund für die Lebensmittelpreis-Erhöhungen ist der steil gestiegene Erdölpreis. Praktisch alle Aufbereitungs- und Verpackungsprozesse für Lebensmittel und ihr gesamter Transport sind in den Kosten abhängig vom Erdölpreis und verteuerten die Produktion.

7. Ein weiterer Grund sind die genveränderten Nahrungsmittel. Speziell beim Mais hat sich die Monopolisierung durch den Gen-Mais von Monsanto hauptsächlich in den USA, aber auch in anderen Ländern, in deutlichen Kosten- und damit Preissteigerungen bemerkbar gemacht. Fast alle Maisanbauer, ob sie Monsanto-Mais verwendeten oder nicht, hatten wesentliche Anteil von Genmais auf ihren Feldern, weil der Gen-Mais sich durch Samenflug in andere Pflanzungen ausweitete. Monsanto weist dann mit Mustern nach, dass dort (auch) Gen-Mais wächst, zwingt den jeweiligen Anbauer gerichtlich zu Lizenzzahlungen und lässt ihm ausserdem verbieten, einen Teil der Ernte zur Aussaat zurückzuhalten. Das Saatgut muss er vielmehr von Monsanto kaufen. Dies hat zu deutlichen Preiserhöhungen für Mais geführt.

Was keinen Grund für Lebensmittelpreiserhöhungen darstellt, ist der angebliche Bio-Sprit-Boom, den es aber in weltweitem Ausmass noch gar gibt.

Schon aus diesem Grund ist der Zusammenhang der beiden Dinge nicht gegeben, weil ein Bio-Sprit–Boom überhaupt (noch) nicht stattfindet.

Zuckerrohrlastwagen in Brasilien mit Alkohol-Fabrik im Hintergrund

Ausser in Brasilien gibt es überhaupt keine ins Gewicht fallende Verwendung von Bio-Sprit. In Brasilien wird in grossen Umfang bisher lediglich Alkohol als Benzin-Ersatz eingesetzt und dieser Alkohol ist ausschliesslich aus Zuckerrohr gemacht. Zucker ist eines der wenigen Nahrungsmitteln, die keine Preiserhöhung erlitten haben, also könnte man polemisch die These aufstellen, Bio-Sprit würde sogar die Lebensmittelpreiserhöhung verhindern.

Aber was die Wahrheit ist, beide Dinge haben nichts miteinander zu tun.

Das Bio-Diesel-Programm in Brasilien ist noch in den Anfängen und hat daher noch keine wirklichen Auswirkungen auf „Beschlagnahme“ von Ackerbauflächen gehabt.

Brasilien: Soja-Pflanzungen auf Regenwald-Gelände

Außerhalb Brasiliens gibt es es nur eine nennenswerte Aktivität in Bezug auf Bio-Sprit, das ist das Alkohol–aus-Mais-Programm in den USA. Tatsächlich gibt es keinen vernünftigen Grund, Alkohol ausgerechnet aus Mais herzustellen, speziell, wenn man nur die Maiskörner verwertet und nicht die ganze Maispflanze. In Brasilien wird in den modernen Fabriken das ganze Zuckerrohr verwendet, nicht nur die aus dem Rohr gepresste Sirup-Masse. Das führt auch dazu, dass das früher übliche Abbrennen der Zuckerrohrfelder jetzt immer mehr zurückgeht. Aber unabhängig davon ist es unwahrscheinlich, dass eine relativ kleine Menge von Bio-Alkohol aus Maiskörnern den weltweiten Maispreis beeinflußt, wenn die in Bio-Sprit umgewandelte Menge nicht einmal 1% der weltweiten Mais-Ernte betrifft.

Ansonsten gibt es nur noch kleinere Biosprit-Aktivitäten in Schweden, in Deutschland (Bio-Diesel aus Raps) und in Frankreich, die aber allesamt nicht einmal einen Tropfen auf den heissen Stein darstellen. Aus Weizen und Reis, den beiden wichtigsten Produkten mit heftigsten Preissteigerungen und besonderer weltweiter Bedeutung für die Ernährung der Massen von Menschen, wird nirgendwo in erwähnenswerten Mengen Bio-Sprit hergestellt.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Es gibt noch geringfügige Mengen von Bio-Alkohol, die aus Zuckerrüben hergestellt werden, aber – wie bereits gesagt – der Zuckerpreis ist ja gerade nicht angestiegen.

Mit anderen Worten: Der Bio-Sprit-Boom, wenn er denn kommen sollte, hat noch nirgends begonnen (ausser beim Alkohol in Brasilien). Er kann also nicht im Zusammenhang mit Preiserhöhungen stehen, die bereits stattgefunden haben.

Viel bunter wird es noch, wenn behauptet wird, die Vernichtung (Abholzen, Abbrennen) von Regenwaldflächen stünden im Zusammenhang mit Bio-Sprit. So wird argumentiert, in Brasilien würde massiv in Regenwaldflächen hinein das Pflanzen von Soja ausgeweitet und das hätte irgendetwas mit Bio-Sprit zu tun. Tatsächlich werden Monat für Monat die Flächen der Vernichtung von Amazonas-Regenwald erhöht und auf vielen dieser Flächen Sojapflanzen angebaut, aber das ist völlig unabhängig von Bio-Sprit. Man kann zwar theoretisch aus Sojaöl Bio-Diesel herstellen, nur wird das bisher so gut wie nicht getan. Die kräftig gestiegenen Weltmarktpreise für Soja dagegen haben sehr viel mit dieser beschleunigten Regenwaldvernichtung zu tun.

Ethanol- und Zuckerfabrik in Brasilien

Insofern ist die Oben beschrieben „wissenschaftliche Arbeit“ natürlich Unsinn. Selbstverständlich darf für Bio-Sprit kein Regenwald vernichtet werden, denn der ist noch viel wichtiger für das Klima als die Umstellung auf nicht-fossile Brennstoffe. Aber das findet ja eben gar nicht statt.

Weiterhin wird das Märchen erzählt, die Soja-Felder in Brasilien würden in die Regenwald-regionen hinein ausgedehnt, weil sie in anderen Landesteilen von Zuckerrohranbau für Bio-Alkohol verdrängt würden. Auch das ist Unsinn. Nirgends in Brasilien wurden Zuckerrohr-pflanzungen auf Flächen angelegt, auf denen vorher Soja angebaut wurde. Der verstärkte Zuckerrohr-Anbau wird vielmehr auf brachliegenden Flächen durchgeführt und auf solchen, die zur extensiven Viehhaltung genutzt wurden nach dem Motto eine Kuh auf 10 Quadratkilometer. Solche Flächen sind noch in riesigem Umfang in Brasilien vorhanden. Brasilien könnte seinen Zuckerrohranbau ohne Schwierigkeiten verdoppeln, ohne auf einem einzigen Hektar Ackerfläche andere Nutzpflanzen zu verdrängen.

Ein anderes verdrehtes Argument ist das mit dem Palmöl. In Indonesien werden riesige Regenwaldflächen abgeholzt und in millionenschwere Holzgeschäfte umgewandelt unter dem Vorwand, dort Palmöl-Plantagen anlegen zu wollen. Angeblich würde dieses Palmöl zur Bio-Diesel-Herstellung verwendet. Nur gibt es überhaupt keine ins Gewicht fallende Herstellung von Bio-Diesel aus Palmöl auf der Welt. Auch hier muss wieder der Bio-Sprit als Sündenbock herhalten, um von den Verantwortlichen und ihren hohen Profiten abzulenken.

Tatsächlich ist angesichts des extrem niedrigen Preises von Palmöl (Palmöl ist das bei weitem billigste Fettöl) jemand auf die Idee gekommen, man könne Palmöl als („umweltfreundlichen“) Brennstoff für Heizkessel verwenden und es soll auch in kleinem Mengen dafür eingesetzt werden, aber das ist eine Sonderbewegung, die allerdings wirklich abzulehnen ist – vor allem, weil bei der Verbrennung von Fettölen das krebserregende Acrolein entsteht. Nur kann das nicht mit der Bio-Sprit–Frage in Zusammenhang gebracht werden.

Zuckerrohr-Ernte

Nun gibt es eine etwas verschwurbelte Argumentation, es ginge gar nicht um die Produkte, sondern um die gesamte weltweite Agrarfläche, die bereits zum Teil von Bio-Sprit-Pflanzen beansprucht wurde und daher seien die Preiserhöhungen aus Mangel an bebaubarem Ackerland zustande gekommen.

Das ist allerdings ebenfalls absurd: In Wirklichkeit liegen riesige Flächen bebaubaren Ackerlandes weltweit brach. Dazu werden Nahrungsmittel in grossen Mengen vernichtet, um die Preise zu stützen.Würde überall angebaut, wo es möglich ist, und würde die Vernichtung von Nahrungsmitteln verboten, könnten Lebensmittel für 12 Milliarden Menschen hergestellt werden, während wir bisher „nur“ 6,5 Milliarden sind.

Es muss vielmehr andersherum gefragt werden, warum soviel Ackerland brach liegt, vor allem in den Entwicklungsländern. Die Antwort steht bereits oben: Die Agrarsubventionen von Europa, USA und Japan haben die Preise für Roh-Nahrungsmittel so ruiniert, dass sich nur noch in wenigen Ländern und unter besonderen Umständen der Anbau von Ackerpflanzen lohnt. Die reichen Länder nehmen mit ihren Agrarsubventionen den Armen auf der Welt das Brot oder den Reis vom Teller!


Veröffentlicht am 9. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Zusatz zum Artikel

In den letzten Tagen hatte der Autor Gelegenheit im Norden von Minas Gerais, in Montes Claros, ein Projekt zu besichtigen, das in ganz Brasilien verfolgt wird und versucht, einen Teil der von ihrer Krume vertriebenen Kleinbauern (bzw. deren Nachkommen) wieder ein Heim und Arbeit und Brot zu geben: Biodiesel aus den Mamona-Früchten.

Mamona ist der portugiesische Name für den Strauch, aus dem man Rizinusöl gewinnt. Kleinbauern bekommen ein Stück Land mit einer Hütte und Saatgut zugewiesen und können dort den Mamona-Busch anbauen und das aus seinen Früchten gepresste Rizinusöl zu festgelegten Preisen an eine Bio-Diesel-Fabrik der halbstaatlichen Petrobras verkaufen. Insgesamt 10 000 Familien von Kleinbauern machen die Belieferung für eine dieser Bio-Diesel-aus-Rizinusöl-Fabriken aus, von denen insgesamt über 20 vorgesehen sind, also das Auskommen für insgesamt über 200 000 Familien gesichert werden soll, das sind etwa eine Million Menschen.

Mamona-Strauch-Rizinusöl

Auf dem Bild sieht man einen solchen Strauch, der spontan auf einem unbebauten Gelände in der Metropol-Region von Belo Horizonte gewachsen ist. Man kann auch schon die stacheligen Früchte erkennen. Der Mamona-Busch ist in den Tropen ähnlich wie bei uns die Brennessel eine der ersten Pflanzen, die auf pflanzenfreiem Gelände zu wachsen beginnen, ist also extrem genügsam. So brauchen denn die Neubauern keine hochentwickelten landwirtschaftlichen Kenntnisse, um erfolgreich Mamona anzubauen.

Die Presse zum Auspressen des Öls mit Handbetrieb wird ebenfalls zur Verfügung gestellt. Ebenso werden in den Neusiedler-Gebieten Brunnnen gebohrt.

Nach zwei Jahren wird der Busch ausgerissen und mit kleinen Ablegern ein neuer Busch gezüchtet. Wenn man regelmässig giesst, kann man mehrmals im Jahr ernten. Da es hier keinen wesentlichen Unterschied zwischen Sommer und Winter gibt (ausser dass es im Sommer regnet), kann man in Wirklichkeit eine Pflanzung mit Rund-ums-Jahr-Ernte anlegen.

Diese Arbeitsweise eignet sich besonders für den Nordosten Brasiliens, eine karge, immer wieder mit langen Dürren gegeisselte Landschaft. Hier wurden die Kleinbauern immer wieder von den Pistoleiros der Grossgrundbesitzer von ihrem Boden vertrieben. Da nun aber die Fabrik der Petrobras ein Interesse an der Zulieferung hat, wird von dort auch eine Sicherheitstruppe zur Verteidigung der Siedler gestellt.

Das Ganze hat noch eine Reihe von Problemen, die hier nicht alle berichtet werden können, stellt aber doch eine interessante Alternative dar.

Donnerstag, 8. Mai 2008

Wie Imperialismus funktioniert

Das Beispiel SIVAM in Brasilien

Von Elmar Getto


Es war bereits das größte Geschäft aller Zeiten genannt worden. Das war es vielleicht nicht, aber für das Entwicklungsland, das es zahlen mußte, war es Teil des gewaltigen Anstiegs der Staatsverschuldung in den 90er Jahren. Brasilien wurde dazu gebracht, für insgesamt etwa 1,4 Milliarden Dollar (wahrscheinlich eher um die 9 Milliarden Dollar) ein System der Überwachung des Amazonasgebietes zu kaufen, das sich jetzt als völlig unbenutzbar für Brasilien herausstellt, aber den USA die völlige Kontrolle über das Amazonas-Gebiet Tausende von Kilometern außerhalb der US-Grenzen garantiert.

Brasilien (topographisch)

Das erste Mal, daß man vom Projekt SIVAM (Sistema de vigilância de Amazônia, Amazonienüberwachungssystem) gehört hat, war auf der Konferenz RIO 92, in der es als Beweis für die ‚ungeheuren Anstrengungen’ der Großmächte zum Umweltschutz vorgeführt wurde. Aus heutiger Sicht kann man es als sicher ansehen, daß es offizielle Stellen der USA waren, die diese Idee in das Treffen einführten, sei es direkt oder indirekt.

Verschiedene Umweltschutzorganisationen priesen das Programm als „richtungsweisend“. Es war der konzentrierte Ausdruck der ganzen hoffnungsvollen Situation, die in jenem Jahr herrschte. Der Block der zweiten Supermacht, der Sowjetunion, wie auch sie selbst, waren zusammengebrochen und man glaubte weithin, nun würde eine Zeit des weltweiten Friedens anbrechen.

Die Belange des Umweltschutzes und des Kampfes gegen die Drogen würden endlich die ihnen zustehenden Prioritäten bekommen. SIVAM schien auf den ersten Blick der Plan gewordenen Ausdruck dieser Hoffnungen zu sein.

Es geht um das Gebiet des Amazonas-Urwaldes. Zum einen wurde bereits damals hemmungslos und ungebremst abgeholzt und abgebrannt (interessant, nicht wahr, wie lange zurück das alles schon so war und bekannt war). Zum anderen ist das Amazonasgebiet der Hauptumschlagplatz des Kokain-Schmuggels aus Kolumbien und Peru nach den USA und Europa.

Ein Überwachungssystem, sei es auf Radar- oder Satellitenbasis, würde dem Einhalt gebieten können. Würde man erst einmal in Echtzeit wissen, wo im Moment gerade gefällt und abgebrannt wird, könnte man dem auch Einhalt gebieten. Würde man auf den Bildschirmen ablesen können, wo die Kleinflugzeuge landen und mit der Drogenfracht beladen werden, die mit Booten herangeschafft wurden, um dann nach Mittelamerika ausgeflogen zu werden, so würde die entscheidende Basis des Drogenhandels mit Leichtigkeit außer Gefecht gesetzt werden können.

Telecomsivam

So wurde das System damals, vor 13 Jahren, vorgestellt. Es wäre bereits zu jener Zeit möglich gewesen, die richtigen Fragen zu stellen, die dieses System schnell und offensichtlich hätten suspekt werden lassen, aber in der allgemeinen Euphorie wollte wohl niemand Spielverderber sein.

Es wurde behauptet, das System sei offen und jeder, der die technologischen Fähigkeiten hätte, könne einen Kostenvoranschlag einreichen. Später würde die billigste technisch durchführbare Lösung ausgewählt werden. Und es wurde so getan, als würden die Großmächte, allen voran die USA, das System zahlen. In Wirklichkeit – und das hätte einem aufmerksamen Beobachter damals schon auffallen können – wollten sie lediglich Kredite „zu üblichen Bedingungen“ bereitstellen, wer zahlte, sollte Brasilien sein, das heißt der brasilianische Steuerzahler.

Als – Jahre später – SIVAM verwirklicht wurde und die Kredite flossen, waren sie wichtiger Teil des Anstiegs der brasilianischen Staatsverschuldung, die sich zwischen 1994 und 2002 verdoppelte, z.T. einfach, weil der Dollar ständig mehr Wert wurde als der brasilianische Real. Heute ist sie völlig jenseits jeglicher Bezahlbarkeit, eine entsetzliche Bürde auf dem Rücken des ganzen Volkes, das Ende jeglicher Hoffnung auf jedwede Besserung für die jungen Brasilianer. Nicht nur wegen der hohen Summe der Gesamtverschuldung (etwa 600 Milliarden Euro), sondern vor allem wegen der hohen Zinsen. Kann sich Deutschland z.B. jederzeit Geld für etwa 3% Zinsen pro Jahr aufnehmen, muß Brasilien 20% zahlen!

Zunächst kam die Verwirklichung von SIVAM nicht voran. Man hätte schon hoffen können, der Plan bliebe in der Schublade wie so viele in Brasilien. Der damalige Präsident Collor wurde wegen Korruption abgesetzt und der Vize-Präsident Franco übernahm das Zepter. Er hatte anderes zu tun als das Amazonasgebiet mit Radarstationen vollzustellen, er mußte mit einer Inflation fertigwerden, die bis auf 40% im Monat stieg. Tatsächlich gelang es 1993 mit dem ‚plano Real’, die Inflation in den Griff zu bekommen. Die Dankbarkeit der Brasilianer hierfür war ausschlaggebend dafür, daß bei den anschließenden Wahlen der dafür zuständige Minister Cardoso zum Präsidenten gewählt wurde.

Dessen acht Jahre währende Amtszeit wurde zu einer der größten Katastrophen für das Volk in der brasilianischen Geschichte. Nicht nur, daß die Last der öffentlichen Schulden sich verdoppelte, es wurden auch alle vom Internationalen Währungs Fond (IWF) geforderten Auflagen befolgt.
Dazu gehörte die Privatisierung einer großen Zahl staatlicher Unternehmen, der (fast) gesamten Elektrizitätzwirtschaft, der größten Minengesellschaft des Landes (und einer der größten der Welt) CVRD und des gesamten Telekommunikationssektors, die Vollendung der weitgehenden Privatisierung des Erziehungswesens, die Berechtigung der ausländischen Konzerne, ihre Gewinne ins Ausland zu schaffen, bevor Gewinnsteuer abzuführen war (und sie damit fast völlig von Steuern zu befreien), die gleichzeitige massive Erhöhung der Steuerlast für kleinere brasilianische Unternehmen und die Beschäftigten, die Liberalisierung des Bankenwesens (Präsident Cardoso kam selbst aus einer Bankiersfamilie) mit der Übernahme der Verluste Pleite gegangener Banken, die Öffnung des Kapitalmarktes für die ausländische Spekulation (was weitere gigantische Erhöhungen der Schulden hervorrief), die Öffnung der Privatisierungen für ausländische Investoren (was einigen französischen und spanischen Firmen zu märchenhaften Gewinnen auf Kosten der brasilianischen Bevölkerung verhalf) und eine vollständige Untätigkeit gegenüber der zum Regelfall werden Korruption. Es gibt im Gegenteil klare und deutliche Anzeichen, daß die Regierung Cardoso selbst tief im Sumpf der Korruption steckte.

Während dieser 8 Jahre wurden die Löhne und Gehälter der Lehrer und Hochschullehrer nicht erhöht, wodurch sie durch die Inflation mehr als halbiert wurden. Zusätzlich wurden die Leistungsüberprüfungen des öffentlichen Schulsystems abgeschafft. Beide Maßnahmen zusammen haben das öffentliche Schul- und Hochschulsystem Brasiliens, das vor dem Beginn der Militärdiktatur 1964 das Paradepferd der Administration war, (mit wenigen Ausnahmen) zu einem Desaster werden lassen, das heute nicht mehr den geringsten Anforderungen genügt.

Während dieser 8 Jahre stieg die Kriminalitätsrate, speziell im Zusammenhang mit dem Drogengebrauch und –handel, steil an und hat Brasilien zu dem Land mit den höchsten Gewaltraten der Menschheit gemacht. Wesentlich hierfür war, daß die Hintermänner des Drogenhandels, alle selbst Teil der herrschenden Schicht Brasiliens, ohne Ausnahme unbehelligt blieben.

Während dieser 8 Jahre vervielfachte sich die Spanne des Einkommensunterschiedes zwischen Brasiliens Superreichen und der armen Bevölkerung, ohne daß auch nur ein winziger Teil der riesigen Ressourcen des Landes eingesetzt worden wäre, um diese Spanne zu verringern.

Während dieser acht Jahre wurde das System SIVAM gekauft und installiert und das Geld dafür und für die Zinsen und Zinseszinsen aus der brasilianischen Bevölkerung herausgepreßt, während gleichzeitig staatliche Unternehmen zu einem Tausendstel oder einem Millionstel ihres Wertes an private und ausländische Anleger verschleudert wurde (die CVRD z.B. wurde zu einem Preis verhökert, der – 1 Jahr vor der Versteigerung - etwa dem Gewinn eines Monats dieser Gesellschaft entsprach).

In den Jahren 1993 und 1994 wurde darüber beraten, welches der angebotenen Systeme man für das SIVAM verwenden würde. Es kann aus heutiger Sicht als sicher gelten, daß von Anfang an nur das vom US-amerikanischen Raytheon-Konzern angebotene in Erwägung gezogen worden war. Wahrscheinlich war das Ganze eine Idee aus der Raytheon-Gruppe, von offiziellen US-amerikanischen Stellen ins Gespräch und die Rio-92-Konferenz gebracht, um dem Rüstungskonzern ein sagenhaftes Geschäft zu verschaffen.

Es wurden Berichte in brasilianischen Zeitungen veröffentlicht, in denen davon die Rede war, wie brasilianische Regierungsbeamte und deren Familien in konzerneigenen Jets des Raytheons-Konzern herumgeflogen wurden. Ebenso sind diverse Einladungen zu üppigen Mahlzeiten berichtet wurden. Das dürfte aber mit Sicherheit nur die Spitze des Eisbergs von dem sein, was an Bestechungsgeldern und –vorteilen geflossen ist. Ein Abgeordneter stellte sogar einmal die Frage, woher eine von ihm vermutete phantastische Zunahme des Reichtums von Präsident Cardoso kam, aber all dies wurde in der Öffentlichkeit nicht weiterverfolgt.

Der auffallendste Hinweis auf Korruption in diesem Zusammenhang kam aus dem Mund eines der selbst hundertfach in Korruption verwickelten Politikers, dem alten Haudegen der brasilianischen Politik, dem getreuen Abbild von Franz Josef Strauss, Antonio Carlos Magalhães, kurz ACM genannt, dem reaktionärsten Politiker seiner Zeit. Er war zu dieser Zeit in Bedrängnis geraten, weil in zwei Parlamenten, dem Bundesparlament und dem Landesparlament seines Heimat-Bundeslandes Bahia Untersuchungsausschüsse eingerichtet worden waren, die Korruptionsvorwürfe gegen ihn und mit ihm verbundenen Politikern prüfen sollten. Offensichtlich hatte er sich in seiner Sorglosigkeit dazu hinreißen lassen, einige seiner Bereicherungsaktionen nicht ausreichend mit „Geheimschutz“ zu versehen.

Im Jahr 1995 trat er nun plötzlich mit Drohungen auf. Er habe Beweise für Korruption im Zusammenhang mit SIVAM und es würde schlimm für die Bundesregierung aussehen, wenn er diese an die Öffentlichkeit brächte. Dies stand damals in vollem Wortlaut in der Zeitung. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, daß ACM mit seiner Partei PFL selbst Teil der Koalition war, die die Regierung stützte.

Kurz darauf berichtete die „Folha de São Paulo“, die größte Tageszeitung Brasiliens, daß geheime Verhandlungen stattgefunden hätten und Regierung und ACM sich auf einen Kompromiß geeinigt hätten: Die Regierung würde mit ihren Mehrheiten die beiden Untersuchungsausschüsse „ohne Ergebnis“ beenden und ACM würde seine Beweise nicht an die Öffentlichkeit bringen. Tatsächlich wurden die beiden Untersuchungsausschüsse beendet, ohne daß sie Belastendes gegen ACM gefunden hätten und ACM kam nie wieder auf das Thema „SIVAM“ zurück. Die „Folha“ wurde nie wegen Verleumdung angeklagt. Es muß also als extrem wahrscheinlich, wenn nicht als bewiesen gelten, daß es wirklich eine solche Vereinbarung gegeben hat. Damit wäre dann auch beweisen, daß die Vergabe von SIVAM an Raytheon wirklich auf Korruption beruhte.

Dafür gibt es auch noch andere Hinweise. Das Raytheon-System war nämlich das teuerste der in der Konkurrenz verbliebenen. Sowohl eine russische als auch eine französische Firma hatten ebenfalls Vorschläge für Überwachungssysteme der Amazonasregion eingereicht (Auch die deutsche Dasa, die aber schon in einer frühen Phase wegen eines zu teuren Ansatzes ausschied). Diese beiden Systeme beruhten auf der Überwachung durch moderne Satelliten, eigens für das System in eine geostationäre Umlaufbahn gebracht, während das Raytheon-System im wesentlichen auf 20 großen Radarstationen im Urwald selbst sowie weiteren in 99 Flugzeugen aufbaute und eine Satelliten-Unterstützung nur als Absicherung vorgesehen war. Dazu muß man wissen, daß Raytheon der wichtigste Hersteller von kompletten Radaranlagen auf der Welt ist.

SIVAM Slide 2

Das US-System kostete – einschließlich der ganzen Computerausrüstung und unter Zuhilfenahme von radar- und kamerabestückten Flugzeugen – fast 1,4 Milliarden Dollar. Die beiden Systeme aus Rußland und Frankreich wurden – einschließlich der Computerausrüstung zur Auswertung und eigener Satelliten - billiger angeboten. Dieser Site ist zu entnehmen, daß das russische Angebot nur ein Drittel des Raytheon-Systems gekostet hätte.

Da mußte schon ein wichtiger Grund gefunden werden, um das teure System zu nehmen.

Zunächst gab es nur allgemeine Aussagen, das US-System sei das einzige, das den Anforderungen gerecht würde. Als dann aber einige Abgeordnete nach Frankreich und Rußland gereist waren und in der brasilianischen Öffentlichkeit nach Erklärungen verlangte (von ihnen kam auch die Information, daß die beiden Voranschläge billiger waren), rückte man mit einer Begründung heraus: Sattelitengestützte Systeme könnten nicht durch die Wolken sehen und über dem Regenwald ist es fast ständig bewölkt, da sei nur ein radargestütztes System geeignet. Klang zunächst einleuchtend und das Thema verschwand aus der öffentlichen Diskussion.

Inzwischen weiß man, daß moderne Satelliten-Aufklärung u.a. mit Infrarot-Kameras arbeitet, die sehr wohl durch Wolken sehen kann. Der Grund war also vorgeschoben. Es muß andere Gründe gegeben haben, warum Brasilien zu viel ausgab, um dieses Überwachungssystem zu installieren. Weder die damalige Bundesregierung Brasiliens noch die darauffolgende Lula-Regierung haben hierzu je Auskunft gegeben.

Es muß nach menschlichem Ermessen davon ausgegangen werden, daß ein Teil dieser Millionen auf den Konten sowieso schon reicher Brasilianer gelandet ist.

Aber selbst das ist noch nicht alles. Aus Meldungen der Zeitung „Folha“ aus der damaligen Zeit ging hervor, daß die Kosten des Systems in Wirklichkeit viel höher seien. Es wurde von bis zum 10-fachen gesprochen. Ein Teil der Anlagen und Flugzeuge sei einfach nicht in das „SIVAM“ genannte System einbezogen worden, sondern liefe unter anderem Namen, so daß seine Kosten nicht als Kosten des Systems erscheinen. Auch wegen dieses Artikels wurde die „Folha“ nie angeklagt.

Noch mehr: Während ein satellitengestütztes System naturgemäß wenig Unterhaltskosten verursacht, sind die boden- und flugzeuggestützten Radarsysteme natürlich ein hoher laufender Kostenfaktor. Die Radarstationen (und der Zugang zu ihnen) müssen ständig gewartet und freigehalten werden, ein großer Teil der 99 Flugzeuge muß ständig in der Luft gehalten werden. Die Kosten allein für die Flüge sowie die Wartung der Flugzeuge sind schon horrend.

SIVAM Slide 7

Im einzelnen werden auf dieser Website über das System folgende Komponenten angegeben: 6 Satelliten, 19 fixe Radarstationen, 6 transportable Radarstationen, 3 regionale Überwachungszentren, 200 Umweltüberwachungsstationen, 70 meteorologische Stationen, 300 Radiosender, 940 V-Sat-Empfangsstellen, 5 Jets EMB 145, 3 Jets EMB 145 SR und 99 Flugzeuge ALX.

Fast scheint es so, als hätten wir hier ein Land vor uns, bei dem es auf Kosten nicht so genau ankommt.

Nun, so sagt man sich, selbst wenn es so ist, jetzt gibt es wenigstens ein Überwachungs-System und der Drogenhandel und die Regenwald-Vernichtung werden unterbunden. Schön wärs.

Am 25. Juli 1997 wurde offiziell der Baubeginn des Systems verkündet. Das System ist inzwischen installiert. Im Jahr 2002 wurde der erste Teil eingeweiht, seit Mitte 2002 ist auch die Zentrale mit der ganzen Computerauswertung in Manaus fertig. Am 18. Oktober 2004 wurde das System als zu 98% in Funktion gemeldet und der erste Test des Gesamtsystems wurde erfolgreich abgeschlossen. Seitdem ist das SIVAM völlig aus den Medien Brasiliens und der Welt verschwunden.

Es gibt da auch noch ein gewisses Detail dieses Plans, das wenig Beachtung gefunden hat, aber eine Erklärung für das völlige Fehlen von Ergebnissen des Systems geben kann: Das System SIVAM steht unter der Überwachung der Regierung der USA. Alle Daten laufen zunächst in einem Raum zusammen, der ausschließlich von den USA genutzt werden kann. Erst danach werden diese Daten an die brasilianischen Auswerter weitergegeben. Sollte die US-Regierung aus irgendwelchen Gründen bestimmte Daten nicht an die Brasilianer (und eine eventuelle Öffentlichkeit) weitergeben wollen, tut sie es nicht.

Harsche Kritik an diesem Konzept kam speziell von einem Fachmann, dem Physiker und emeritierten Professor der Stattlichen Universität von Campinas (UNICAMP), Rogério Cerqueira Leite.

Er wies besonders darauf hin, daß ein Projekt dieser Größenordnung und von strategischer Bedeutung (es erfaßt etwa 60% des Staatsgebietes von Brasilien) nicht mit einer Technik hätte realisiert werden dürfen, deren Implikation ist, daß eine ausländische Macht das Erst-Zugangsrecht hat. Er berichtet außerdem, daß die Gesamtkosten fast 1,8 Milliarden US-Dollar betragen.

Wie es zu dieser US-Connection kam, wird klar, wenn man noch einmal in die Anfangszeit des Projektes zurückgeht. Die ersten, die das Projekt gefordert haben, waren nämlich die brasilianischen Militärs. Sie stellten fest, daß Brasilien über einen wesentlichen Teils seines Territoriums nur eine begrenzte Souveränität hat. Angesichts der schwierigen Umstände im Amazonasgebiet, der geringen Bevölkerungsdichte, der praktisch nicht vorhandenen Straßenverbindungen und des Zugangs ausschließlich über Schiffe und Fluggeräte, sei mit normalen militärischen Mitteln dieses Gebiet praktisch nicht zu verteidigen. Es sei daher ein Überwachungssystem notwendig.

Im nächsten Gedankenschritt wird dann gesagt, daß, selbst wenn man ein Überwachungssystem hat, ein Land wie Brasilien nicht die Möglichkeit hat, ein solch riesiges Gebiet gegen einen eventuellen Aggressor zu verteidigen. Dazu sei nur eine Großmacht fähig. Und welche Großmacht kommt in Frage? Nur die Vereinigten Staaten von Amerika! Da komme es dann recht, daß „rein zufällig“ eine US-Firma einen Vorschlag für ein Überwachungssystem vorgelegt hat. Die Verwendung dieses System würde dann auch sicherstellen, daß die USA im Ernstfall diesen Teil Brasiliens verteidigen würden.

Es braucht nicht ausdrücklich erwähnt zu werden, dass diese brasilianischen Militärs in den USA ausgebildet wurden (Fort Bennet, wo man auch foltern lernt).

Nun, jedem aufgeklärten Zeitgenossen stehen bei dieser Argumentation die Haare zu Berge, wenn man nur an den Irak denkt. Auch muß man natürlich in diesem Zusammenhang sehen, daß US-Truppen (und vor allem Söldner) im benachbarten Kolumbien eine Krieg gegen aufständische Guerrillas führen.

Vor allem aber wird mit dieser Argumentation widerlegt, daß eine Ausschreibung unter fairen Bedingungen stattgefunden hat. Die US-Regierung hätte ihren „Verteidigungs-Anteil“ an brasilianischem Gebiet offensichtlich nicht übernommen, wenn nicht das Angebot der US-Firma angenommen worden wäre.

Auch damit ist also bewiesen, daß hier eine beachtliche Menge von schmutziger Wäsche herumliegt. Die braslilianischen Medien, in den Händen derselben Kaste, die aus solchen Aufträgen Nutzen zu ziehen pflegt, zeigt nicht die geringste Lust, zur Aufklärung und zum Waschen dieser Wäsche beizutragen.

Wer interessiert ist, ein wenig in die Details des technisch sicherlich extrem interessanten Systems einzusteigen, der kann mit dieser Site(auf Englisch) anfangen, auf der von Raytheon-Leuten das System vorgestellt wird. Wenn man SIVAM (auf Englisch) googelt, kommen noch eine Menge anderer Sites. Wer einen unkritischen Artikel auf Deutsch will, kann ihn hier finden.

Nun, so fragen sich natürlich der Fachmann und der Laie, was hat das Ganze nun gebracht? Ist der Drogenschmuggel über das Amazonasgebiet unterbunden worden? Ist das Abbrennen und Abholzen des Amazonas-Urwalds gestoppt? Nichts dergleichen.

In den letzten Jahren und Monaten, seit SIVAM voll funktionsfähig ist und es ein leichtes gewesen wäre, die Flugpisten und Flugzeuge mit den Drogen zu orten und aufzubringen, ist im Amazonasgebiet nicht ein einziger größerer Drogentransport aufgeflogen – jedenfalls gibt es nichts in den Medien, weder dort noch anderswo in Brasilien. Offensichtlich kann niemand ein Interesse haben, solche Erfolge geheimzuhalten. Man kann also davon ausgehen, daß wirklich keine Drogentransporte aufgeflogen sind.

Wie soll man das verstehen? Man kauft und installiert eines der teuersten Systeme der Welt, um es anschließend nicht zu benutzen? Oder funktioniert es vielleicht gar nicht? Extrem unwahrscheinlich. In dieser Hinsicht dürfte Raytheon zuverlässig sein.

Gibt es in den USA oder Europa Meldungen über extreme Verknappungen und Preisanstiege von Kokain? Nein, auch nicht. Der „Export“ über das Amazonasgebiet geht also weiter.

Dann bleibt nur eine Erklärung (falls einer eine logische andere hat, möge er sie als Kommentar anbringen): Die US-Administration benutzt das SIVAM anscheinend ausschließlich, um seinem CIA das Monopol über den Kokain-Handel zu sichern, nicht um ihn zu unterbinden. Es ist ja seit dem Buch des Aufklärungsjournalisten Garry Webb aktenkundig, daß ein wesentlicher Teil des Kokain-Schmuggels aus Peru und Kolumbien vom CIA unternommen wird. Garry Webb mußte für diese Entdeckungen sterben.

Falls überhaupt entsprechende Meldungen an brasilianische Stellen weitergegeben werden, kann auch hier das Eingreifen „höherer Stellen“ Brasiliens, um ihre eigenen Drogentransporte zu schützen, nicht ausgeschlossen werden.

Und das Abbrennen und Abholzen? Sind doch nun ständig Flugzeuge mit Infrarot-Detektoren unterwegs, die innerhalb kürzester Zeit jede größere illegale Aktion orten können. Gerade vor zwei Wochen ging die Meldung durch den Blätterwald, daß die Regenwaldvernichtung im Amazonasgebiet im letzten Jahr alle Rekorde gebrochen hat.

Dabei ist interessant, daß diese Zahlen nicht etwa aus einer SIVAM-Auswertung stammen, sondern von einem brasilianischen meteorologischen Institut, das schon seit vielen Jahren mit Wettersatteliten solche Auswertungen vornimmt. Es wurde und wird also offensichtlich innerhalb des SIVAM-Systems von Anfang an verhindert, daß Daten und Informationen über die Regenwaldvernichtung gesammelt und weitergegeben werden - oder wenn, dann jedenfalls nicht veröffentlicht werden.

Das ergibt auch einen Sinn, wenn man weiß, daß es ja vor allem eben jene Mächtigen in Brasilien sind, die Profit aus den Hölzern und dem Soja-Anbau und den Viehweiden auf abgebrannten Regenwaldflächen ziehen. Diese Mächtigen haben natürlich auch das System SIVAM in der Hand und können dafür sorgen, daß sie dort nicht gestört werden.

Die Regierung Lula, wenn wir ihr nicht unterstellen wollen, daß sie selbst in solche Aktivitäten verwickelt ist, tut nichts dagegen. Auch das ergibt einen Sinn, denn Lula muß sich ja mit genau diesen Mächtigen Brasiliens gutstellen, will er Gesetze durchbringen und will er vermeiden, daß seine Dekrete von den Parlamentariern niedergestimmt werden.

Das alles ergibt also in perfekter Weise einen Sinn. Das einzige, was keinen Sinn erghibt, ist SIVAM, außer natürlich für die Raytheon und für die Geldgeber, die dicke Zinsen und Zinseszinsen einstreichen. Und natürlich die herrschenden Schichten in Brasilien, die nun noch ungestörter dem Regenwald den Garaus machen können. Nicht zu vergessen der CIA, der jetzt das Kokain-Transport-Monopol hat. Ah, und da ist natürlich noch die US-Regierung, die jetzt die praktische Souveränitat im Amazonasgebiet ausübt, viele tausend Kilometer außerhalb der US-Grenzen. Alles bezahlt vom brasilianischen Steuerzahler – mit Zins und Zinseszins und Zinseszinseszins und...


Dieser Artikel von Elmar Getto wurde zum ersten Mal in "RBI-Aktuell" (heute Berliner Umschau) am 15. Juni 2005 veröffentlicht. Er ist bis heute aktuell, ja sogar erneut besonders aktuell wegen der ständig sich häufenden Anzeichen, dass der CIA grosse Teile des Kokain-Schmuggels aus Kolumbien und Peru über das Amazonasgebiet übernommen hat und angesichts der ständig steigenden Vernichtung der Amazonas-Regenwälder.

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