Dienstag, 6. Mai 2008

Jetzt hat der Liberalismus die Hosen herunter gelassen

Die Glaubenssätze des (Neo-)Liberalismus unter die Lupe genommen

Von Karl Weiss

Wenn es noch jemanden gab, der den Glaubenssätzen des (Neo-)Liberalismus Vertrauen entgegenbrachte, der kann dies nun getrost zu den Akten legen. Wenn die Bibel der Neoliberalen nicht sowieso schon widerlegt war, so tut dies spätestens die momentane Situation der weltweiten Finanzkrise und des langsamen Eintauchens in die Welt-Wirtschaftskrise.


Bundestag - Reichstag


Glaubenssatz Nr. 1: Der Markt richtet alles!

Eigentlich war dieser Glaubenssatz längst widerlegt, spätestens seit jener Zeit Mitte des letzten Jahrhunderts, als Ford und GM das Bahnsystem in Los Angeles kauften und schlossen. Sie brachen damit Bahn (im wahrsten Sinne des Wortes) zu einer Entwicklung von Los Angeles zu einer reinen Straßenstadt (einer der hässlichsten und ungemütlichsten der Welt) und zum heutigen Verkehrschaos in der zweitgrößten Stadt der USA. Wer heute an einem Tag zwei Kunden an zwei Enden in Los Angeles besuchen will, schafft es oft nicht, weil er in stundenlangen Staus steht – und das, obwohl die Stadt so mit Straßen zugepflastert ist (wiederum im wahrsten Sinne des Wortes), dass sie als Stadt nicht mehr erkennbar ist. Man wohnt praktisch auf dem Autobahnkreuz.

Auch die Logik sagt einem schon: In einer Situation,in der die Gemeinschaft ein Interesse hat und der jeweilige Kapital-Herrscher nur das seines Profits, wird es unweigerlich zu Interessen-Konflikten kommen, die im Kapitalismus zugunsten des Kapitals und zuungunsten der Gemeinschaft ausgehen. Das heißt nicht, es könne auch Fälle geben, in denen beide Interessen zusammenlaufen, aber das ist eben selten und wird in der aktuellen Situation noch seltener.

Jene Firma, die z.B. ein gut funktionierendes Hybrid-Auto Wasserstoff/Elektro mit Sonnen-Zellen auf dem Dach entwickelt hat, hat sicherlich Profitinteressen - und gleichzeitig hat die Menschheit ein tiefgehendes Interesse, dass diese Firma gedeiht und solche Autos massenweise auf den Markt bringen und vervollkommnen kann.

Was ist aber die Wirklichkeit? Die absolute Monopol-Situation der verbliebenen Automobil-Konzerne verhindert jegliche Möglichkeit, ein anderes Auto als jene des Automobil-Kartells könnte je zum Verkaufsschlager werden. Da die Konzerne aber keinerlei Interesse haben, in neue Technologien ernsthaft einzusteigen, denn es könnten ihre Monopol-Profite gefährdet sein, so radieren sie buchstäblich jede Chance eines Aussenseiters aus.

Gleichzeitig versichern sie ununterbrochen glaubhaft seit Jahrzehnten, alle alternativen Konzepte wären noch nicht ausgereift. Da stimmen sie, welch Zufall, dann auch mit den Energie-Konzernen und denen des Öls überein. So kam es zu der Lachplatte, die hier in Brasilien die Runde machte: Ein hoher Vertreter eines der grossen Öl-Konzerne verkündete mit ernster Miene auf einem Symposium, die Verwendung von Alkohol als Benzin-Ersatz sei noch nicht ausgereift – und dies, nachdem die Alkohol-Autos in Brasilien bereits seit den siebziger Jahren fahren! Autos von Volkswagen, GM und Ford!

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

In Wirklichkeit richtet „der Markt“ eigentlich immer nur eins: Die Profite des Mächtigsten und Rücksichtslosesten.

Zudem kann „der Markt“ nicht erkennen, wann eine Überproduktionskrise droht, so eine, in die wir im Moment rutschen. Der Kapitalist kann nämlich nicht „logisch“ handeln, denn dann müsste er die Löhne seiner Arbeiter Jahr für Jahr deutlich anheben, zumindest um die Inflation plus Produktivitätssteigerung, um damit genügend Kaufkraft zu haben, damit seine Produkte einer immer wachsenden Produktion gekauft werden können und müsste auch noch darauf vertrauen, dass die anderen Kapitalisten es genauso machen. Nun, wir wissen, Lohnerhöhungen in dieser Grössenordnung hat es zuletzt in den 70er-Jahren gegeben – und auch damals nur in Ausnahmefällen.

Der Kapitalist muss versuchen – bei Strafe, von den Konkurrenten abgehängt zu werden – seinen Profit pro Kapitaleinsatz (Profitrate) immer mehr zu erhöhen, doch er stösst damit unweigerlich auf die Probleme, die eine wesentlich erhöhte Produktion (die seine Profitrate garantieren soll) mit dem Absatz hat.

In einer chaotischen Marktwirtschaft, genannt Kapitalismus, hängt dieser Absatz davon ab, ob er irgendwie Vorteile gegenüber seinen Konkurrenten erreichen kann, was diese dann wiederum in eine Situation der massiven Nicht-Auslastung bringt.

Da sie aber auch die Produktionskapazitäten ausgeweitet haben, entsteht die Situation der Überproduktion. Die Produkte finden zu grossem Teil keinen Absatz mehr, denn die Löhne der Arbeiter wurden ja nicht, bzw. nicht nennenswert erhöht (Real-Netto-Löhne), so dass Kaufkraft fehlt. Die Wirtschaftskrise beginnt. Sie wird zum Schliessen von Firmen führen, zu Massenentlassungen, Neueinstellungen werden praktisch nicht mehr getätigt, die Löhne noch weiter versucht zu senken. Erst wenn genügend Kapital vernichtet ist, kann sich das jeweilige Land wieder langsam aus der Krise herausarbeiten und auf niedrigerem Niveau neu beginnen.

So ist das Bild geschlossener Fabriken – ganzer Komplexe von leeren Werkshallen, durch die der Wind pfeift, überall im Kapitalismus häufig und gibt Zeugnis über die unglaubliche Verschwendung von Resourcen, die mit der Chaos-Gesellschaft Kapitalismus einhergeht.

Dies ist der Ausdruck der Anarchie, die durch die Konkurrenzwirtschaft bedingt ist. Die Chefs der grossen Konzerne können sich ja nicht zusammensetzen und eine Aufteilung des Marktes beraten, die allen Luft zum Atmen lässt und allen gute Gewinne garantiert, denn damit würden ja die Regeln des Kapitalismus verletzt. Wenn sie dies wirklich einmal tun, so bilden sie vielmehr Kartelle, was die anderen Konkurrenten oft detoniert.

Erst im Sozialismus wird die Gesellschaft statt der Anarchie die sinnvoll geplante Produktion einführen, in der genau das und genau so viel hergestellt wird, was und wie man bracht. Dann kann man die Umwelt schützen, ohne durch die Konkurrenz gezwungen zu sein, Umweltregeln zu verletzen, dann kann man die Energiegewinnung so gestalten, wie es am sinnvollsten ist statt so, wie bestimmte Konzerne am meisten Profit haben. Dann kann man sich überlegen, wie man sinnvoll den Transport von Menschen und Gütern im Kurzbereich, im mittleren Bereich und im Fernbereich sowie im Interkontinentalbereich organisiert und dann entsprechend danach handeln



Glaubenssatz Nr.2: Öffentliche und Staatliche Unternehmen müssen immer privatisiert werden, nur dann sind sie „effektiv“

Auch dies längst widerlegt. Was privatisierte Unternehmen an „Effektivität“ gewinnen, ist ein Profit für die Neu-Aktionäre – und auch das ist nicht sicher, siehe der Fall Telekom. Dass die Dienste der Firma für die Gemeinschaft effektiver werden, ist dagegen durch nichts garantiert, oft geschieht sogar genau das Gegenteil.

Man sehe sich nur an, was die Privatisierung der Bahn in England für Verschlechterungen gebracht hat. Selbst die „Süddeutsche“, sonst fast immer „His Masters Voice“, schreibt in einem Kommentar am 29.4.08: „...gab es, zumal in Frankreich und Großbritannien, Privatisierungskatastrophen: das Waterleau von Grenoble oder die Auflösung der British Rail. (...) Deutschland ist von solchen ganz großen Desastern verschont geblieben.“

Die Privatisierung der Bahn in Argentinien kann man direkt an einem Schaubild beurteilen: Fast alle Linien wurden eingestellt.

Argentina - Trainmaps

Speziell im Fall von Unternehmen, die einen unersetzlichen Dienst an der Gemeinschaft leisten, ist die Privatisierung fast immer zu einem Desaster für diese Dienste geworden. Das gilt besonders für Dienste wie Öffentlicher Transport (Bahn, Nahverkehr), Krankenhäuser, Kindergärten, -krippen und Horte, Schwimmbäder, Wasserwerke, Elektrizitätswerke, Schulen, Universitäten, Post-Dienste, Telefon-Dienste usw.

Die Erfahrungen sind fast durchweg schlecht. So hatte man das System der Elektrizität in Deutschland privatisiert und grossmäulig versprochen, nun werden die notwendigen Investitionen gemacht und durch die Vielzahl der privatisierten Firmen würde ein funktionierender Wettbewerb (Markt) entstehen, der die Strompreise drücken würde.

Das Ergebnis kann man nun besichtigen, nur eine Anzahl von Jahren nach den Privatisierungen. Die Strompreise sind immens angestiegen, von Konkurrenz kann keine Rede sein, denn im Kapitalismus gibt es generell die Tendenz zur Konzentration: Es sind praktisch nur drei grosse und ein paar mehr oder weniger bedeutende Stromunternehmen übriggeblieben. Auch ein massives Investieren in neue, alternative und umweltfreundliche Techniken hat nicht stattgefunden. Statt dessen versucht man, die längst abgeschriebenen Atomkraftwerke, die jetzt reine Goldgruben sind, weiterlaufen zu lassen, obwohl man schon lange nichts mehr dort investiert hat und sie längst Schrott sind.

Atomkraftwerke Deutschland

Gut für die Profite, schlecht für unsere Sicherheit.

Ausserdem werden massiv Kohlekraftwerke gebaut und die Braunkohlewirtschaft ausgebaut anstatt eingeschränkt.

Kraftwerk

Gur für die Profite, schlecht für die Umwelt und das Klima.

Energieverbrauch Deutscland
Dieses Schaubild des Bundesministeriums für Wirtschaft zeigt: Es ist überhaupt keine Einschränkung des Verbrennens fossiler Energiequellen vorgesehen. Die alternativen Energien sollen bis 2030 Alibi bleiben.

In Deutschland würde sich das massive Investieren in die Gewinnung von Biogas aus Pflanzen und tierischen und pflanzlichen Abfallstoffen sowie Abfall-Holz und das Verbrennen dieses Biogases in Wohnnähe mit Elektrizitäts–Wärme-Verbund anbieten, weil damit die deutsche Landschaftsstruktur am besten ausgenutzt wird, die fast ausschliesslich aus bebauten bzw. versiegelten Flächen und landwirtschaftlich nutzbaren Flächen (inklusive zur Holzgewinnung genutzter Flächen) besteht.

Vor allem würde dadurch der mit Milliardensummen subventionierten Landwirtschaft ein neues und sinnvolles Betätigungsfeld eröffnet, ohne dass sie am Tropf der Subventionen hängt. Gleichzeitig würde die massive Abhängigkeit Deutschlands von importierten Energieträgern verringert und es würden dafür Milliardenbeträge eingespart ebenso wie jene, die heute für das EU-Landwirtschafts-Desaster ausgegeben werden. Man sehe sich das Beispiel des Bio-Energie-Dorfes Jühnde in Niedersachsen an. Mit den eingesparten Milliarden der Subventionen könnte ein wesentlicher Teil des Programms finanziert werden. Eine win-win-win-Situation für den Staat, die Bürger und die Unternehmen. Doch nichts davon geschieht.

Stattdessen investieren e-on, Vattenfall und RWE in neue riesige CO2-Schleudern wie Kohlekraftwerke und intensivieren den Abbau von Braunkohle, der schmutzigsten Energie der Welt.

Auch die angebliche Notwendigkeit von Privatisierungen, um die Haushalte der jeweiligen Staaten auszugleichen, erweist sich als ein Schuss, der nach hinten losgeht. Die an die jeweiligen Staatshaushalte gehenden Verkaufserlöse stellen fast immer nicht einmal einen Bruchteil des Werts der Unternehmen dar, die da privatisiert werden, während der Abgang an Staatsvermögen dann weit höher ist und auf die Dauer auch praktisch zählen wird, denn die Kreditwürdigkeit eines Staates (oder eines Bundeslandes oder einer Gemeinde) hängt natürlich eng mit seiner Vermögenssituation zusammen und damit auch die Zinssätze, die man auf dem Markt zahlen muss.

Ein besonders beeindruckendes Beispiel hierfür war die Privatisierung des zweitgrößten Welt-Unternehmens im Bergbau, der Compania Vale do Rio Doce, einem brasilianischen Staatsunternehmen, des Ende der Neunziger-Jahre privatisiert wurde. Ungefähr ein Jahr vor der Privatisiereng fiel dies traditionell extrem gewinnträchtige Unternehmen (im wahrsten Sinne des Wortes eine Goldgrube, denn man besitzt einige der grössten Goldminen der Welt) plötzlich in rote Zahlen. Was da genau manipuliert wurde, kam nie ans Licht der Öffentlichkeit.

Der Preis, der für die ganze Firma erzielt wurde, entspricht etwa dem Wert von zwei heutigen Monatsgewinnen der Firma, ist also absurd niedrig. Laut Angaben des brasilianischen Gewerkschaftsdachverbandes CUT wurde bei der Festsetzung des Mindestpreises, zu dem dann auch verkauft wurde, nur ein Bruchteil der Liegenschaften, des Vermögens und der Schürflizenzen überhaupt gezählt. Die Gewerkschaft hat daher die Forderung nach der Rückgängigmachung des Verkaufs aufgestellt.

Bereits ein Jahr nach der Privatisierung hatte die Vale, wie sie heute heißt, ihre alte Profitabilität wieder erreicht und ist heute der lateinamerikanische Konzern mit dem höchsten Profit.

Das Ganze stank kilometerweit nach Korruption. Der damalige brasilianische Präsident Cardoso von der konservativen PSDB hatte sich persönlich besonders intensiv für diese Privatisierung eingesetzt. Ob er persönlich Bestechungsgelder erhalten hatte, war nie durch eine unabhängige Untersuchung geklärt worden. Tatsache ist, er lebt seit seiner Abwahl im wesentlichen in den Vereinigten Staaten - um keinen Zweifel zu lassen, für welchen Imperialisten er Brasilien geführt hatte - und diniert nach Aussagen eines seiner politischen Verbündeten abends in einem New Yorker Restaurant, in dem ein Gläschen Cognac 200 Dollar kostet.

Dieser Fall weist darauf hin: Privatisierungen und Korruption sind Zwillinge.

Ein anderer besonders Aufsehen erregender Fall einer Privatisierung war die Privatisierung der Wasserwerke von La Paz in Bolivien. Der französische Suez–Konzern hatte sich diese unter den Nagel gerissen und sofort die Wasserpreise immens erhöht. Die arme Bevölkerung konnte die Wasserrechnungen nicht mehr bezahlen und hätte verdursten müssen. Suez blieb davon völlig ungerührt. Als die Bevölkerung begann, Regenwasser in Zisternen aufzufangen, um nicht zu verdursten, stellte Suez auch Rechnungen für das Regenwasser aus.

Nur durch einen praktischen Volksaufstand konnte diese Privatisierung rückgängig gemacht werden, was in unmitelbarem Zusammenhang mit den angesetzten Neuwahlen stand, aus denen der jetzige Präsident Evo Morales als Sieger hervorging.

Evo Morales

Also? Privatisierung? Offenbar wird nichts gehalten,was man sich davon verspricht. Dagegen sind die negativen Auswirkungen für die Bevölkerung Legion.

Es gibt auch die positiven Gegenbeispiele von Firmen, die nicht privatisiert wurden und ein wichtiges Mittel sozialer Politik in den Händen der Regierung geblieben sind. Typische dafür ist die staatliche frühere Monopolgruppe Petrobras in Brasilien. Man löste zwar das Monopol auf und erlaubte anderen Ölkonzernen, in Brasilien tätig zu werden, man gab zwar Aktien aus für etwas weniger als die Hälfte des Kapitals der Gruppe, aber das Sagen behielt der Staat in der Petrobras (das brasilianische Aktienrecht gibt Minderheitsaktionären keine weitgehenden Rechte).

Chávez und Lula

Das hat sich angesichts des steigenden Erdölpreises als segensreich erwiesen. Während in fast allen anderen Ländern die Erdölpreise auf die Benzinpreise durchschlugen und nur durch drastische Manipulationen verhindert werden konnte, dass die Inflation in zweistellige Raten hineinwuchs, ist in Brasilien der Benzinpreis (so wie die an ihn gekoppelten Preise für Alkohol und Diesel) seit September 2005 an der Raffinerie gleichgeblieben, zu einem Zeitpunkt, als der Preis für Rohöl bei 60 Dollar pro Barrel lag. An biligeren Tankstellen in der Nähe von Raffinerien (wie im Beispiel der Tankstelle auf dem Bild) ergaben sich daraus Endverbraucherpreise für den Liter Benzin (Gasolina) von zwischen 2,20 und 2,30 Reais (etwa 83 bis 87 Cent) – die ganze Zeit unverändert seit 2005.

Treibstoffpreise Brasilien

Das wurde schlicht von der Regierung Lula beschlossen und die Petrobras hatte danach zu handeln. So konnte die ganze Zeit die Inflation in Brasilien am Steigen gehindert werden und dies wirklich und nicht durch Statistik-Manipulationen. Auch in diesem Moment, in dem in vielen Ländern die Inflationsraten in die Höhe schiessen und nur noch durch dreistete Fälschungen in niedrigen Zahlen gehalten werden können, bleibt die Inflation in Brasilien niedrig.

Logo Petrobras

Natürlich musste die Petrobras dafür auf Profit verzichten, aber das war leicht zu verkraften, denn sie ist als ständig wachsender Rohölförderer zu einem der profitstärksten Unternehmen in ganz Lateinamerika geworden (im Moment an zweiter Stelle in Lateinamerika nach der schon erwähnten Vale).



3. Glaubenssatz: Der Staat muss sich vollständig aus den Märkten heraushalten, sie regeln sich selbst

Nach diesem Glaubenssatz wird jede Überwachung oder gar Regulierung, ganz zu schweigen von einem direkten Eingreifen des Staates oder öffentlicher Stellen auf den Markt oder irgendeine auf dem Markt gehandelte Ware oder die Fabriken der Kapitalisten oder über die „freien Entscheidungen der freien Agenten des Marktes“ abgelehnt, ja meistens sogar als „bolschwewistisch“ oder schlimmer gebrandmarkt.

Nun geschah aber etwas sehr „bolschewistisches“ in Berlin: Die Bankgesellschaft Berlin hatte spekuliert und war in Schieflage geraten. Die CDU Berlin war intensiv verwickelt, auch einige SPD-Politiker. Nun liess man aber die Bank nicht Pleite gehen und die Zocker die Folgen tragen, nein, der Berliner Steuerzahler wurde herangezogen, um die Fehlbeträge auszugleichen, die in die Milliarden Euro (mindestens 9,8 Milliarden Euro nach einer Zeitungsmeldung) gingen und um den armen Zockern unter die Arme zu greifen.

Das war ein direktes Eingreifen des Staates in das Geschehen des freien Marktes. Es war der Beweis, im Grunde ist der liberale Glaubenssatz nicht wirklich ernst gemeint. Man will eigentlich nur, dass der Staat nicht die Sauereien aufdeckt, die man macht und einfach alles als gottgegeben hinnimmt, was „die Wirtschaft“ (sprich: das Kapital) entscheidet.

In Wirklichkeit legt man sehr viel Wert auf das Eingreifen des Staates, wenn es gegen die Arbeiter und kleinen Leute geht und wenn dadurch die Kapitalrendite garantiert wird. Dann ist plötzlich der Staat sehr wichtig als Regulierer und ganz speziell natürlich als Steuereintreiber beim kleinen Mann, um das Geld in den Vorstandsetagen und Banken abzuliefern.

Hatte man den Fall der Bankgesellschaft Berlin noch unter Ausnahmen von der Regel ablegen wollen, es war ja wirklich nur ein Fall in Jahren, so sind wir nun, am Beginn der internationalen Wirtschaftskrise und mit der Finanzkrise, die vor allem durch unseriöse Kreditvergabe auf der Basis von weit überhöhten Wertschätzungen von Immobilien, vor allem in den USA, in einen praktisch wöchentlichen Rhythmus von Eingreifen verschiedener Staaten in die Bankenwelt eingetreten, was den Glaubenssatz nun wirklich in der Luft zerrissen hat.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Deutschland war einer der ersten Staaten, der in diesem Fall eine Privatbank mit Namen IKB aus der Breduille half mit Milliarden von Steuergeldern, wobei sich herausstellte, das reichte bei weitem nicht aus. Später warf man dem unter Bruch aller Regeln hinausgeworfenen Geld noch einmal Milliarden von Euros hinterher, um die Bank wenigstens noch für einen Verkauf fit zu machen.

Und die Landesbanken, das war gleich die nächste Reihe von Fällen, in denen man Milliardenbeträge zur Unterstützung aus Steuergeldern plötzlich zur Verfügung hatte. Nun war plötzlich Geld da!

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Das zauberten die gleichen Politiker aus dem Nichts, die uns immer und immer wieder mit einem Kuhblick in den Augen versichern, es sei kein Geld da, man könne wirklich beim besten Willen nicht einen Heller auftreiben für eine menschenwürdige Arbeitslosenunterstützung, für die benötigten Kinderkrippen, Kindergärten und Horte, für den öffentlichen Personennahverkehr, für ein Sozialticket auf diesem, für das Offenhalten von Schwimmbädern, für die Finanzausstattung von Universitäten, damit keine Studiengebühren gefordert werden, für die Einstellung von Lehrern, um die hohen Stundenausfälle auszugleichen und die Klassengrössen zu verkleinern, nein, für all dies, so hörten wir wieder und wieder, war kein Geld da. Es war kein böser Wille, wirklich nicht, nur man kann einem nackten Mann eben nicht in die Tasche greifen.

Doch nun, aus Quellen, die man uns vorsichtshalber vorenthält, sind Milliarden und Abermilliarden da, für die Norddeutsche Landesbank, für die Westdeutsche Landesbank, für die Sächsische Landesbank, für die Bayerische Landesbank und was da noch alles kommt.

Aber da ist nicht nur in Deutschland plötzlich ausreichend Geld für so manches Geldinstitut da, auch in den USA wird mit 200 Milliarden Dollar aus Steuergeldern die Investmentbank Bear Stearns zum Verkauf fit gemacht. In Grossbritannien wird Northern Rock schlicht und einfach vom Staat übernommen und die gesamten Verluste aus dem Staatssäckel bezahlt.

Es handelt sich also eindeutig nicht um spezielle oder Einzelfälle, sondern um das routinemässige Eingreifen des Staates, um Kapital zu stützen und dafür Steuergelder rauszuwerfen. Es handelt sich weder nur um ein Land noch nur um wenige Fälle.

Und es gibt im Moment nicht den geringsten Hinweis, damit sei bereits alles ausgestanden. Es wird mehr kommen und es wird mehr Geld da sein für die notleidenden Finanzkapitalisten.

Reichstag - Bundestag

Es ist Geld da!

Man sollte sich nun langsam daran gewöhnen, keinem Politker mehr zu glauben, der behauptet, es sei kein Geld da. Das Gegenteil ist bewiesen.

Von unseren Medien der Hofberichterstattung zu erwarten, dass sie bei ihren Freunden, den Politikern, doch bitte mal nachfragen, wo sie das Geld denn die ganze Zeit versteckt hatten, ist natürlich zuviel verlangt. Majestätsbeleidigung ist strafbar! Sie Wicht!

Der (Neo-)Liberalismus hat nun wirklich die Hosen herunter gelassen und jeder kann jetzt sehen, was an den Argumenten dran war: Sie waren nichts als der Versuch, die nackte unmenschliche kapitalistische Wirklichckeit hinter Scheinargumenten zu verstecken.


Veröffentlicht am 6. Mai 2008 in der Berliner Umschau


Originalartikel

Montag, 5. Mai 2008

'Ja, wir haben Bananen'

Die Schwierigkeiten eines normalen Fussballspiels in Südamerika

Von Karl Weiss

„Bananenrepublik“, das ist ein Schimpfwort, das sich schon viele Länder in Mittel- und Südamerika anhören mussten, speziell zu Zeiten, als fast überall (von den USA gesponserte) Militärs am Ruder waren. In Brasilien wurde daraufhin trotzig eine Musik gemacht, deren Refrain mit „Ja, wir haben Bananen“ anfing. Aber bis heute gibt es in manchen Ländern Südamerikas spezielle Ereignisse, die einen wieder an dieses Wort denken lassen, gerade auch im Fußball.

Romario und Parreira beim Abschiedsspiel

Südamerika, die einzige Weltregion, die im Fußball mit Europa mithalten kann. Man schuf den Libertadores-Cup als Gegenstück zur Champions Leage. “Libertadores“, das bezieht sich auf die Befreier, den Venezolaner Simón Bolivar und andere, die mit ihren Feldzügen dafür sorgten, dass fast ganz Lateinamerika bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts von der europäischen Kolonialherrschaft befreit wurde, also eine bewusste Herausforderung über den Atlantik.

Tatsächlich lohnt es sich, wenn man Gelegenheit hat, sich Übertragungen von Spielen der Libertadores anzusehen, die manchmal im Kabel- und Satelliten-TV angeboten werden. Da gibt es selten endloses Hin- und Hergeschiebe des Balles im Mittelfeld, wie es z.B. die beiden Begegnungen von Liverpool mit Chelsea und von Barcelona mit ManU beherrschte.

Mit einigen Ausnahmen spielt man in Südamerika meist noch einfallsreichen Kurzpassfußball, der immer wieder durch überraschende Vorstöße abgelöst wird, wenn überragende Einzelleistungen oder Steilpässe die Abwehr in Bedrängnis bringen.

Das hängt damit zusammen, dass fast alle übermenschlichen Abwehrmaschinen, wie Seedorf, Cannavarro, Cafú und so manche andere, in europäischen Spitzenclubs spielen. Es handelt sich um Supermänner, die pro Spiel 14 km laufen können und danach fast taufrisch in Verlängerungen gehen. Männer mit dem doppelten Lungenvolumen eines Normalbürgers und Herzen, die glatt 150 % der Blutpumpleistung eines einfachen Menschen erbringen.

Diese menschlichen Pit Bulls sind darauf spezialisiert, den jeweils ballführenden Gegenspieler innerhalb von Bruchteilen von Sekunden anzugreifen, nachdem er den Ball erhielt und dann kommt auch innerhalb kürzester Zeit noch ein zweiter Mann dazu und hilft, dem Spieler den Ball abzujagen, das sogenannte Double-Pressing.

Selbst die besten Offensivspieler der Welt haben kaum eine Chance gegen diese Meute, wie Spiele von Barcelona mit Messi und Ronaldinho, von Manchester mit Cristiano Ronaldo, vom A.C. Mailand mit Kaká, von Inter Mailand mit Shevshenkow usw. usw. zeigen.

Die Ergebnisse lauten fast immer 0:0 oder 1:0 oder 1:1 und ausser den Fans der Mannschaften auf dem Feld kommt niemand auf seine Kosten.

In Südamerika sind solche Übermenschen fast nicht anzutreffen. Eine extreme Defensivtaktik weist eigentlich nur der F.C. São Paulo auf. Alle anderen spielen nicht nur defensiv, sondern rücken auch mit vielen Spielern nach vorne, wenn man im Angriff ist, auch wenn dies überfallartigen Gegenangriffen Tür und Tor öffnet. So sind denn auch eine Reihe der guten Mannschaften auf Gegenangriffe spezialisiert.

Hier eine Zusammenstellung von Spielergebnissen von allen 16 für das Achtelfinale der Libertadores qualifizierten Vereinen, wie sie in der Gruppenphase erzielt wurden.

Cruzeiro 3 x 1 San Lorenzo

Lanús 3 x 3 Estudiantes

Boca Juniors 3 x 0 Atlas

Flamengo 2 x 0 Nacional

América 4 x 3 River Plate

Santos 2 x 1 Cúcuta Deportivo

São Paulo 1 x 0 Atlético Nacional

Fluminense 1 x 0 LDU

Es ist offensichtlich: Nur die letzten zwei sind Ergebnisse vom europäischen Typ, darunter jenes von São Paulo, von dem schon gesagt wurde, man spielt extrem defensiv wie in Europa.

Doch nun zurück zu den Bananen:

3.. März 2008: Spiel in Montevidéu, Uruguay: Nacional gegen Flamengo Rio in der Gruppenphase der Copa Libertadores: Die Balljungen geben demonstrativ die Bälle nicht an die Spieler der Gastmannschaft, sondern sie werfen sie den eigenen Spielern zu oder verzögern die Rückgabe der Bälle. Die Spieler von Flamengo reagieren zunehmend verärgert. Schliesslich lässt sich der Mittelfeldspieler Toró von Flamengo dazu hinreissen, einen der Balljungen anzugreifen. Er wird vom Platz gestellt. Gegen eine dezimierte Mannschaft aus Rio fällt es leicht, mit 3:0 zu gewinnen

23. April 2008: Spiel in Montevidéo, Uruguay: Nacional gegen Cienciano aus Peru in der Gruppenphase der Copa Libertadores: Die Balljungen geben demonstrativ die Bälle nicht an die Spieler der Gastmannschaft, sondern werfen sie eigenen Spielern zu oder verzögern die Rückgabe der Bälle. Die Spieler von Cienciano reagieren zunehmend verärgert. Schliesslich lässt sich der Spieler Romaña von Cienciano dazu hinreissen, einen der Balljungen zu stossen. Er erhält die gelbe Karte. Kurz danach bekommt er nach einem Foul die zweite gelbe Karte und ist vom Platz gestellt. Gegen eine dezimierte Mannschaft von Cienciano fällt es leicht, mit 3:1 zu gewinnen.

Spiel der Libertadores in Medellín, Kolumbien: Bei mehreren der Heimspiele in der Gruppenphase des dortigen Vereins Atletico Nacional fliegen Gegenstände aufs Spielfed nahe bei Spielern der Gastmannschaften. Hat die Gastmannschaft einen Eckball, so muss der Schütze dort mit Schilden der Polizisten gegen einen „Regen“ von Gegenständen geschützt werden, die dort niedergehen. Unter diesen Bedingungen kann natürlich kein gefährlicher Eckball zustande kommen. Atletico Nacional qualifizierte sich für das Achtelfinale mit nur einem Punkt Vorsprung vor den beiden ausgeschiedenen Mannschaften.

Nun, werden Sie sagen, das sind unschöne Vorkommnisse, aber nichts Besorgniserregendes, denn die Vereine werden ja von dem Veranstalter, dem südamerikanischen Fussballverband, hart bestraft werden und werden in Zukunft Vorsorge tragen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen.

Richtig? Falsch! Weder Nacional Montevideo noch Atlético Nacional Medellín wurden in irgendeiner Art und Weise bestraft. Man kann jetzt schon für die Achtelfinale wetten, dass die Balljungen in Montevideo weiterhin die Gastmannschaft bis aufs Blut reizen werden und die Zuschauer in Medellín weiterhin Gegenstände werfen. Deshalb die Erwähnung der Bananen.

Das ist unglaublich? Nun hören Sie erst einmal, was eim Halbfinale der São-Paulo-Meisterschaft im Spiel Palmeiras gegen São Paulo geschah:

In Brasilien werden in den ersten vier Monaten des Jahres noch die traditionellen Staatsmeisterschaften ausgetragen. In jener des Staates São Paulo trafen im Halbfinale die beiden Spitzenclubs Palmeiras und São Paulo aufeinander.

São Paulo, grösste Stadt der südlichen Hemisphere

Zur Pause des Rückspiels im Palmeiras–Stadion „Parque Antártica“, es stand noch unentschieden, bemerkten die Spieler von São Paulo in ihrer Kabine einen eigenartige Geruch. Alarmiert verliessen sie die Kabine. Der Trainer von São Paulo, Muricy Ramalho, der als letzter den Raum verliess, bekam einen Schwindelanfall.

Jemand hatte ein gefährliches Gas in die Kabine der São Paulo-Mannschaft geleitet!

In der zweiten Halbzeit spielte São Paulo wie ausgeweschselt, brachte nicht die Hälfte des üblichen Leistung auf den Rasen und verlor sang- und klanglos das Spiel. Sogar der Torwart Sene, Ersatztorhüter der brasilianischen Nationalmannschaft, machte einen Anfängerfehler und war mit Schuld an einem Gegentor.

Nun, Sie raten schon, auch dies wurde von dem zuständigen Verband in keiner Weise bestraft, ganz zu schweigen von Spielwiederholung oder Ähnlichem. Es wurde auch keine Geldstrafe ausgesprochen, ja, der Fussballverband von São Paulo forderte nicht einmal eine Untersuchung des Vorfalls bzw. führte auch keine selbst durch.

Die Vereinsführung von Palmeiras, befragt über den Vorfall und die Reklamatioen von Seiten São Paulos, bestritt nicht einmal, dass sie ein Gas dort eingeleitet hätten. Sie sagten nur, es handele sich um „Details“ und São Paulo müsse lernen zu verlieren.

Ins gleiche Horn bliesen einige Sporteporer. Die Reklamationen der Spieler von São Paulo seien „weinerlich“ und es es sei zu verlangen, dass man würdevoll verliert.

Unter diesem Druck wagte São Paulo nicht einmal, offiziell Protest gegen die Wertung des Spiels einzuegen, geschweige denn vor bürgerliche Gerichte zu ziehen.

So wird wohl im Dunkeln der Fussballgeschichte bleiben, welches Gas da in die Kabine geleitet wurde und niemand kann sich die guten Erfahrungen von Palmeiras zu nutze machen und ebenfalls die Gastmannschaft mit Gas attackieren. Also der Geruch verfaulter Bananen war es wohl nicht.


Veröffentlicht am 5. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Montag, 28. April 2008

Bayern will Demonstrations- und Streikrecht einschränken

Breites Bündnis verteidigt Recht auf Demonstrationen und Streik

Von Karl Weiss

In Bayern wurde ein Gesetz in den Landtag eingebracht, welches das ganze Streik- und Versammlungsrecht bedroht. Spontane Streiks sollen als kriminell eingestuft werden und Versammlungen (sprich Kundgebungen und Demonstrationen) werden mit so extremen Auflagen versehen, dass sie Handhabe zum Verbot und zur Kriminalisierung von Anmeldern und Teilnehmern liefern. Nun hat sich auf Initiative der bayerischen Ver.di ein breites Bündnis gebildet, um diesen Anschlag auf die bürgerlichen Rechte der Bundesbürger zurückzuweisen.

Sozialprotest DGB

Dies ist Ausfluß der Föderalismus-Reform, die ein entsprechendes Gesetzgebungsrecht auf die Länderebene verlegte. Der erste Vorstoß wird bewusst in Bayern gemacht, wo man wenig Widerstand erwartet. Im weiteren Verlauf wird man dann entsprechende Gesetze in den anderen Bundesländern einführen und hätte dann ein wirksames Streik- und Versammlungsrecht in ganz Deutschland ausgehebelt.

Es war den Politikern der selbsternannten „Volksparteien“ sowieso schon die ganze Zeit ein Dorn im Auge, dass man in Deutschland noch frei gegen sie und ihre Politik protestieren durfte. Damit soll nun Schluss sein.

Das Streikrecht, das sowieso nur als Richterrecht in Deutschland existiert (ein vollständiges gesetzliches Streikrecht ist längst überfällig), wird so weit eingeschränkt und mit Auflagen versehen, dass praktisch keine legaler Streik mehr möglich ist bzw. nur unter schweren Bedingungen.

Streiks müssen nach diesem Gesetz unter Androhung schwerer Strafgelder mindestens 72 Stunden vorher angekündigt werden. Man weiss, wo man die Arbeiter leicht trifft: Am Geldbeutel, denn man weiss ja, wie wenig man ihnen bezahlt. Jeder Arbeiter, der nach dem neuen Gesetz verurteilt würde, wäre für sein Leben am Existenzmnimum.

Zudem – und das ist besonders infam – soll bereits ein mit zwei Mann besetzter Streikposten zukünftig eine „Versammlung“ sein und fällt damit unter das neue Versammlungsrecht.

Zugspitze

Das sieht nämlich vor, es muss vorher angemeldet werden, es müssen Versammlungsleiter (bei zwei Mann!) und Ordner (bei zwei Mann!) benannt und mit allen Personalien vorher bekanntgegeben werden. Die Behörden haben das Recht, solche Versammlungen zu unterbinden unter dem Vorwand, der genannte Versammlungsleiter sei „ungeeignet“ oder „unzuverlässig“ (wobei hier wiederum nicht definiert wird, was das ist und damit der Willkür Tür und Tor geöffnet wird).

Die Behörde braucht sich lediglich Zeit lassen, um herauszufinden, der Versammlungsleiter sei „unzuverlässig“ nach ihrer Ansicht und dies eine Minute vor Versammlungsbegimnn bekannt geben, dann kann die „Versammlung“ (Demonstration oder Kundgebung) nicht eröffnet werden, ohne im gleichen Moment illegal zu sein – und illegale Versammlungen kann und muss man schliesslich auflösen und die Teilnehmer festnehmen – oder etwa nicht?

Monate später können die Veranstalter dann ein eventuell ein Gerichtsurteil erwirken, dies war illegal und nicht die Versammlung, aber das hat eben keinerlei Folgen, wie alle jene bezeugen können, die in den letzten Jahren von der Polizei illegal eingekesselt wurden. Sie alle bekamen richterlich bestätigt, es war illegal, aber für die Polizeiführung oder deren Chefs gibt es keine Bestrafung, für die Eingekesselten kein Schmerzensgeld – es ist genauso, als wenn auf dem Mond eine Tür zufällt

In der Praxis können so Demonstrationen und Kundgebungen verhindert werden, denn diese haben in der Regel eine konkreten Anlass und können nicht monatelang auf ein Gerichtsurteil warten. Gleichzeitig wird den Behörden die Möglichkeit gegeben, ihnen genehme Versammlungen nicht zu verhindern, wenn es zum Beispiel um die heimlich geförderten Faschistenaufmärsche geht.

So hat zum Beispiel gerade eben in Bayern ein Gericht einen Saal in Bamberg für den Parteitag der NPD freigekämpft.

Da ist es besonders zynisch, wenn das neue Versammlungsrecht mit der Verhinderung von faschistischen Aufmärschen begründet wird.

Bei Streiks wird über die „Zwei-Mann-Regel“ eine Verbindung zum Versammlungsrecht hergestellt und damit ebenfalls das völlige Verbot ermöglicht. Jeder Streik kann dann als illegal erklärt werden. Damit bekämen die Arbeiter ihr einziges Recht im Kampf gegen die Kapitalisten gestrichen.

Für alle jene, die immer noch auf das Bundesverfasusungsgericht vertrauen und glauben, das werde so etwas schon nicht zulassen sei noch einmal auf die Freigabe des Bundestrojaners durch eben dieses Gericht verwiesen. (https://karlweiss.twoday.net/stories/4749060/).

Nein, wir werden uns schon selbst darum kümmern müssen, dass sie nicht alle unsere Rechte beschneiden. In München fand am 18. April bereits eine erste Demonstration gegen dieses Gesetzesvorhaben statt. Es müssen aber noch viel mehr auf die Strasse!

Veröffentlicht am 28. April 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Freitag, 25. April 2008

Libertadores - die Achtelfinale

Boca Juniors und São Paulo sind noch dabei

Von Karl Weiss

Nach dem Ende der Gruppenphase mit den letzten Spielen am 23.4.2008 stehen nun die Achtelfinale fest. Boca Juniors, der Titelverteidiger und Hauptfavorit auf den Titel, konnte sich am letzten Spieltag in einem spannenden Spiel mit 3:0 gegen Unión Maracaibo doch noch qualifizieren, nachdem sein Rivale Colo Colo Santiago de Chile nur ein Unentschieden zu Hause gegen den Gruppensieger Atlas Guadalajara aus Mexiko erreichen konnte. Hätte ‚Boca‘ nur 2:0 gewonnen, wäre Colo Colo weitergekommen

São Paulo, grösste Stadt der südlichen Hemisphere

Auch der Sieger von 2005 und brasilianische Meister São Paulo, ein anderer Favorit, konnte sich durch ein 1:0 zu Hause gegen den vorherigen Gruppenersten Atletico Nacional aus Kolumbien qualifizieren und die Mannschaft aus Medellín sogar noch vom ersten Gruppenplatz verdrängen.

Genau jener Club aus Kolumbien ist der Gruppenzweite mit der schlechtesten Kampagne (lediglich 8 Punkte aus 6 Spielen) und kommt damit im Achtelfinale gegen den Besten der Gruppenersten, Fluminense Rio de Janeiro, mit 13 Punkten und einer Tordifferenz von 8.

Dessen Rivale Flamengo Rio qualifizierte sich als Zweitbester der Gruppenphase mit 13 Punkten und der Tordifferenz von 5 im letzten Spiel mit einem 2:0 zu Hause gegen Colonel Bolognesi aus Peru, mit Recht auf ein Freistoßtor seines Torwarts. Das erwies sich aber nicht als Vorteil,denn nun muss man gegen den Zweitschlechtesten der Gruppenphase antreten – und das ist ausgerechnet Mitfavorit America Mexico Stadt, der mexikanische Meister. America verlor seine drei Auswärtsspiele in der Gruppenphase, sowohl gegen Universadad Catolica aus Chile als auch gegen River Plate, das als Gruppenerster weiterkam, wie auch gegen Universidad San Martin aus Peru, und kam nur auf 9 Punkte und eine ausgeglichene Tordifferenz.

Der drittbeste war River Plate Buenos Aires mit 12 Punkten und einer Tordifferenz von 6, ein weiterer Mitfavorit. So kommt man gegen eine andere argentinische Mannschaft aus Buenos Aires, San Lorenzo, das der drittschlechteste Gruppenzweite war mit 10 Punkten und einer Tordifferenz von 1.

Viertbester aus der Gruppenphase wurde Atlas aus Mexico nach seinem hart erkämpften 1:1-Unentschieden in Santiago de Chile gegen Colo Colo mit 11 Punkten und der Tordifferenz von 5. Man wird gegen Lanús aus Argentiniens gleichnamiger Stadt spielen, das sich als viertschlechtester Gruppenzweiter qualifizierte mit 10 Punkten und Tordifferenz 3 (9 Tore).

Der fünftbeste aus den Gruppen wurde Cruzeiro Belo Horizonte aus der Stadt, in der dies geschrieben wird, mit 11 Punkten und einer Tordifferenz von 4. Doch entgegen allen Hoffnungen bekam man so keinen leichten Gegner, sondern den Hauptfavoriten Boca Juniors, der nun die fünftschlechteste Kampagne aufweisen kann, mit 10 Punkten und einer Tordifferenz von 3, aber 12 Toren.

Die Begegnung des Sechsten von unten und von oben lautet LDU Quito(Equador) (10 Punkte, 5 Tordifferenz) und Estudiantes La Plata aus Argentinien (11 Punkte, Tordifferenz 4, aber (mit 9) weniger erzielte Tore als Cruzeiro – 11).

Schliesslich wird das das siebte Achtelfinale von zwei Vereinen bestritten, die Gruppen zweiter und -erster in der gleichen Gruppe waren, Santos aus Brasilien mit 10 Punkten und Tordifferenz 7, und Cúcuta Deportivo, eine harte Nuss aus Kolumbien, mit 11 Punkten und einer Tordifferenz von 3. Das ist natürlich einer der Nachteile,wenn man nach den Schema „Der beste gegen den schlechtesten, der zweitbeste gegen den zweitschlechtesten usw.“ verfährt, es können die beiden Qualifizierten aus einer Gruppe gegeneinander kommen. So hat man aus den Gruppenergebnissen bereits eine Ahnung, wie es ausgehen wird: Cúcuta spielte zu Hause 0:0 Unentschieden gegen Santos und verlor in der grössten Hafenstadt Südamerikas mit 2:1.

Als letztes Achtelfinale ist das zwischen dem brasilianischen Meister São Paulo und Nacional Montevideo aus Uruguay zu erwähnen. São Paulo hat 11 Punkte und eine Tordifferenz von 2 und Nacional war der beste Gruppenzweite mit 12 Punkten und einer Tordifferenz von 4.

Ach ja richtig, da ist noch zu erwähnen: Die Achtelfinalbegenungen werden immer zwischen einem Gruppenersten und einem Gruppenzweiten ausgetragen, lediglich unter diesen wird jeweils die Reihenfolge festgelegt nach Punkten,Tordifferenz und Zahl der erzielten Tore. Dadurch kommt in diesem Fall der schlechteste Gruppenerste São Paulo gegen einen Gruppenzweiten mit mehr Punkten als er selbst.

Gruppenerster zu werden, hat einen wichtigen Vorteil: Im Achtelfinale wird man die Entscheidung im zweiten Spiel zu Hause suchen können – eine eventuelle Verlängerung und ein Eltmeterschiessen finden im eigenen Stadion statt. Die Hinspiele werden am 30. April ausgetragen, die Rückspiele am 14. Mai.

Damit sind von den 6 angetretenen argentinischen Mannschaften 5 qualifiziert, nur Arsenal, im Vorjahr noch Sieger der Copa Sulamericana (das südamerikanische Gegenstück zum UEFA-Cup), hatte das Pech, in seiner Gruppe auf ein bärenstarkes LDU aus Peru und die beste Gruppenmannschaft Fluminense Rio zu trefen.

Die fünf brasilianischen Vertreter haben sich alle durchgesetzt, davon vier als Gruppenerste. Nur Santos wird das zweite Spiel auswärts zu bestreiten haben. Mit anderen Worten: Zehn der 16 verbliebenen Mannschaften sind aus Argentinien oder Brasilien. Dazu kommen jeweils zwei aus Mexiko und Kolumbien und jeweils eine aus Uruguay und Equador.

Nur in einem Spiel kommen zwei Vertreter aus einem Land gegeneinander, bei der rein argentinischen Begegnung zwischen River Plate und San Lorenzo, beide aus Buenos Aires.

Es gibt kein Spiel, in dem nicht mindestens ein Verein aus Argentinien oder Brasilien beteiligt ist. Wenn alles schief läuft, könnten nur noch Vereine aus diesen beiden Ländern im Viertelfinale stehen. Aber da sei der mexikanische Meister Amerika vor, der kolumbianische Cúcuta und der equadorianische LDU sowie die hervorragende Mannschaft von Atlas aus Guadalajara.

Interessanterweise gibt es trotz der hohen Konzentration von argentinischen und brasilianischen Vereinen nur eine Begegnung der Erzrivalen,die zwischen Boca Juniors und Cruzeiro, die wohl etwas einseitig ausfallen wird, denn Cruzeiro hatte sich lediglich als Vierter der brasilianischen Meisterschaft und über ein Qualifikationsspiel in den Wettbewerb „geschlichen“.

Wenn man voraussagt, es würden Fluminense, America,River Plate, Atlas, Boca Juniors, LDU, Cúcuta und São Paulo weiterkommen, so käme es im Viertelfinale zu folgenden Paarungen (jeweils der Erstgenannten mit dem Vorteil des zweiten Spiels zu Hause):

Fluminense Rio – São Paulo
America – Santos
River Plate – LDU
Atlas – Boca Juniors

Wenn man nun, alles natürlich rein theoretisch – die naheliegenden Sieger dieser Duelle nennen würde (São Paulo, America, River Plate,Boca Juniors), so würden sich folgende Halbfinals ergeben (Reihenfolge wie oben):

São Paulo – Boca Juniors
America - River Plate

Da gäbe es dann eine gute Chance auf ein rein argentinisches Endspiel, aus dem theoretisch wieder Boca Juniors als Meister hervorgehen müsste.

Aber im Fussball will Theorie nicht viel heissen.


Veröffentlicht am 25. April 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Dienstag, 22. April 2008

Hellseherei? Die Wirtschaftskrise

Interview mit Karl Weiss

Von Elmar Getto

E.G.:

Danke Karl, dass Du uns einige Fragen beantwortest. Die Wirtschaftskrise, die sich im Moment sichtbar entwickelt mit Anzeichen wie einem Minus des Dax von 6% an einem einzigen Tag, hast du seit 2006 vorhergesagt. Eine Anzahl von Reaktionen auf deine Artikel belegen, du hast sogar Einigen geholfen, kein Geld zu verlieren. Wie hast du das gemacht? Woher weisst du im Voraus, wann sich eine Wirtschaftskrise entwickelt?

K.W.:

Nun, das ist kein Hexenwerk. Man darf sich nur nicht durch des Gesabbere der bürgerlichen Ökonomen beeinflussen lassen. Die sehen nach jedem relativen Aufschwung nach einer Krise immer die krisenfreie Entwicklung auf Dauer mit ständig steigenden Wachstumsraten und fallen daher gesetzmässig immer aufs Maul. Die Gesetze des Kapitalismus sind nun mal unumstösslich und sie beinhalten die gesetzmässig auftretenden Überproduktionskrisen.

E.G.:

Aber gab es nicht nach dem zweiten Weltkrieg bis in die 80er-Jahre hinein eine Epoche ohne wirkliche Wirtschaftskrisen?

K.W.:

Das ist richtig. Der zweite Weltkrieg hatte eine Ausnahmesituation geschaffen. Es war soviel Kapital und Produktionskräfte vernichtet worden, dass der Nachholbedarf immens war. So entwickelte sich eine Hochkonjunktur bis in die 70er-Jahre hinein. Anschliessend kam nicht der übliche Fall in eine Wirtschaftskrise, sondern eine neue Erscheinung: Die schwankende Stagnation. Ohne wesentliches Wirtschaftwachtum, aber auch ohne tiefe Einbrücke der ganzen Wirtschaft. Stattdessen branchchenspezifische und national unterschiedliche Einbrüche. Doch diese Sonderphase der schwankenden Stagnation wurde mit der ersten Wirtschaftskrise nach dem zweiten Weltkrieg Ende der 80er-Jahre bereits wieder beendet. Seitdem treten wieder mit einer relativen Häufigkeit Wirtschaftskrisen auf, die weltweit sind und den Kriterien genügen, d.h. Verringerung des Nationaleinkommens der grossen OECD-Länder in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen gegenüber dem Vorjahr.

E.G.:

Aber woher weisst du, wenn wieder eine Krise im Anzug ist?

K.W.:

Nun, die jetzt in den ersten Anfängen stehende Krise war nicht so schwer vorherzusehen. Die vorherige Krise hatte die ersten Vorläufer im Jahr 1998, begann im Jahr 2000, genügte dem eben genannten Kriterium im Jahr 2001 und dauerte bis ins Jahr 2003 hinein. Als nun im Januar 2006 ein deutlicher Einbruch der Börsen in Indien, China, und Brasilien statfand, bestand die Möglichkeit, dies wären bereits die ersten Vorläufer der nächsten Wirtschaftskrise. Auch die vorherige Krise hatte nämliche diese Art von Vorläufern. Das habe ich dann auch in einem Artikel – meinem ersten Artikel in der Berliner Umschau – deutlich gemacht.

Dann, im Mai 2006, gab es erneut einen Börseneinbruch. Die Gründe dafür waren nicht einsichtig. Es musste mehr dahinter stecken, was nicht veröffentlicht wurde. Auch dieses Ereignis habe ich in einem Artikel gewürdigt und bereits die Voraussage gewagt, dies seien Vorwarnungen einer kommenden Wirtschaftskrise.

E.G.:

Da hast du allerdings vorhergesagt, die würde in weniger als einem Jahr ausbrechen, oder?

K.W.:

Stimmt. Ich nahm an, mit den weit gestiegenen Umsätzen und angehäuften Kapital der Monopolkonzerne (der 500 grössten Konzerne der Welt) würde sich die Entwicklung beschleunigen und es könne nicht mehr genauso lange dauern bis zum Ausbruch wie beim letzten Mal. Ich hatte die Möglichkeiten unterschätzt, die speziell die USA hatten, um die Krise hinauszuzögern.

E.G.:

Hinauszögern, aber nicht vermeiden?

K.W.:

Ja, es gibt keine Möglichkeit für die Kapitalisten, Wirtschaftskrisen zu vermeiden. Die sind gesetzmässig im Kapitalismus, wie bereits Karl Marx im 19. Jahrhundert analysiert hat. Wenn irgendetwas Marxs Lehren bestätigt, dann eben genau die jetzige wirtschaftliche Situation.

E.G.:

Wie haben sie die Krise hinauszögern können?

K.W.:

Nun, speziell die USA haben ja diese einmalige Möglichkeit der wunderbaren Geldvermehrung, indem sie einfach Dollar-Bonds, also Regierungsschuldverschreibungen, ausgeben und dafür gutes Geld erhalten, ohne damit ihre Inflation anzuheizen, weil ihre Währung die Weltleitwährung ist. Allerdings haben sie so ihren Verschuldungsgrad so weit gesteigert, dass sich dieser nun, da die Krise nicht mehr aufzuhalten ist, als Bumerang erweist. Der Dollarverfall könnte galoppierend werden und das wäre das Ende der Supermacht USA und der Weltleitwährung Dollar.

E.G.:

Wie ging das dann mit den Krisenanzeichen weiter?

K.W.:

Ja, im Juni 2006 kam dann ein eindeutiges Anzeichen: der Einbruch des US-Automobil-Verkäufe von über 2 %, was vorher auch schon mit Krisen im Zusammenhang gestanden hatte. Der Artikel dazu hiess: „Anzeichen einer Wirtschaftskrise?

E.G.:

War das nicht so , dass die US-Immobilienkrise das wesentliche Anzeichen war?

K.W.:

Ja, das kam danach. Heute tun Alle so, als ob die Entwicklung der Immobilienkrise in den USA erst kürzlich eingesezt hätte. In Wirklichkeit begann die bereits Mitte 2006 und ich habe bereits im September 2006 die Unterlagen für einen entsprechenden Artikel zusammengebracht gehabt, der dann unter dem Namen: „Full Crash – Zweites Anzeichen einer Wirtschaftkrise“ erschien.

E.G.:

Das war gewissermassen der Schlüsselartikel. Ab diesem Moment hast du nicht mehr über das „ob“ einer Wirtschaftskrise geschrieben, sondern über das „warum“ und über die einzelnen Auswirkungen und Umstände.

K.W.:

Ja, zu diesem Zeitpunkt häuften sich die Hinweise und verdichteten sich bald zur Gewissheit, was ich dann auch in den beiden Artikeln „Drittes Anzeichen einer Wirtschaftskrise“ und „Viertes Anzeichen einer Wirtschaftskrise“, beide noch im Jahr 2006, deutlich gemacht habe. Dabei handelt es sich um die Erscheinung der Zinsinversion, dass also Langzeitzinsen niedriger liegen als Kurzzeitzinsen und um ein Phänomen, das bereits mehrfach beobachtet wurde: Vor der Krise, wenn die Insider bereits wissen, was vor sich geht, lässt man die Aktienmärke boomen wie noch nie, um die unbedarften Kleinanleger in die Aktien zu locken, während man selbst bereits aussteigt.

Zu diesem Zeitpunkt war es bereits so klar, wie der Hase läuft, dass man sich wirklich fragen muss, warum nicht Massnahmen ergriffen wurden, wie sie jetzt angewandt werden, denn all dies wäre zu jenem Zeitpunkt ja weit billiger gekommen. Die Banken hätten wissen können, dass die Verwicklung in US-Immobiliengeschäfte ein Desaster werden würde. Trotzdem haben die meisten offenbar nichts unternommen, da herauszugehen. Da gib es nur eine Erklärung: Die glauben selbst an ihre eigenen Lügen von der Krisenfreiheit des Kapitalismus.

Zu jenem Zeitpunkt hatte ich auch schon einen anderen Artikel veröffentlicht, in dem ich anhand des Phänomens „Conundrum“ analysierte, was vor sich geht. Dort habe ich auch bereits (Juni 2006) darauf hingewiesen, die Krise könnte zum Verlust des alleinigen Supermachtstatus der USA führen und andere Mächte könnten Anspruch auf gleiche Rechte erheben.

E.G.:

Ich habe mir einmal einen Artikel vogenommen, den du bereits im Mai 2006, also vor fast zwei Jahren, veröffentlicht hast, unter dem Namen: „25% Fall des Dollars?“. Dort habe ich eine Reihe von Zitaten gefunden, die heute fast als hellseherisch gelten können. Ich habe mir das hier angestrichen. Man höre nur:

„Wie auch immer, die früher schon geäußerte Ansicht, der Ausbruch der Weltwirtschaftskrise stünde im Zusammenhang mit einem US-Überfall auf den Iran, kann man jetzt getrost zur Seite legen. Es wird sie geben, mit oder ohne Iran-Krieg, mit oder ohne einen weiteren Anstieg des Rohölpreises.“

„Man hat gerade den Leitzins auf 5% erhöht, einen Wert, der seit langem nicht erreicht worden war. Solange man Monat für Monat in kleinen Schritten diesen Zins erhöht, verhindert man eine zu hohe Dollarabwertung und wird immer attraktiver für das internationale Kapital, das dann Gelder aus anderen Ländern abziehen würde - was wiederum für eine Anzahl von Entwicklungsländern äußerst schädlich sein könnte. Alles gut und schön, aber damit würgt man das wirtschaftliche Wachstum im Land ab, denn die Investitionen werden dann immer teurer zu finanzieren. Das aber genau ist der Beginn der US-Wirtschaftskrise, die dann die ganze Weltwirtschaft in den Strudel zieht.“

„ ... kann es nicht unerwähnt bleiben, daß der Dollar seit einem Monat fällt, langsam, aber sicher und der chinesische Vize-Finanzminister sagte, er habe gehört, der Dollar werde 25% an Wert verlieren (das wäre ein Euro von 1,50).“


Man stelle sich vor, damals (das ist nun fast genau zwei Jahre her, der Dollar stand bei 1,25 Euro) war ein Euro von 1,50 gegenüber dem Dollar ein Horrorgemälde! Heute stehen wir fast bei 1,60!

K.W.:

Ja, die aktuelle Situation ist, das kann man an den Reaktionen bemerken, ein Albtraum für die bürgerlichen Ökonomen, für die Zentralbanken, die Banken, die Regierungen und die Publizisten des Kapitalismus,. Sie haben offensichtlich die ganze Zeit gehofft, es werde nicht dazu kommen und stehen nun vor dem Scherbenhaufen ihres eigenen Glaubens. Die Reaktionen sind hektisch, alle eigenen Regeln werden über den Haufen geworfen nach dem Motto: „Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern.“ Und doch, es ist nun bereits offiziell anerkannt und zugegeben, u.a. von Fed-Chef Bernanke: Man sinkt in die Weltwirtschaftskrise und das ganze wird Ausmasse wie im Jahr 1929 und den darauffolgenden Jahren annehmen oder sogar schlimmer und man kann schon nichts mehr wirklich ändern.

Was den Dollar betrifft, so beginnt man jetzt erst langsam klar zu sehen, was ein Dollar bedeutet, der nur noch 0,60 Euro Wert ist. Wenn heute von einem generelle Preisanstieg von Nahrungsmitteln die Rede ist, dann wird einfach übersehen, dass Nahrungsmittel international in Dollar gehandelt werden und damit Alle, die sich noch nicht von Dollar abgekoppelt haben, entsprechende Preiserhöhungen hinnehmen müssen. Aber es ist eben nicht so einfach, sich vom Dollar abzukoppeln, denn dazu müsste man ja alle Dollarreserven und Dollar-Bonds im Staatsschatz abstossen. Wenn das viel ist, wie im Fall von Japan, von China, von Grossbritannien und von Deutschland, so würde man den Dollar noch weiter in den Keller schicken und auch die eigenen Staatsreserven entwerten. Ausserdem muss ein generelles Abkoppeln vom Dollar auch politisch gewertet werden. Es stellt so etwas wie eine kleine Kriegserklärung gegen die Vereinigten Staaten dar. Es gilt daher als undenkbar, aber es ist genau das, was man früher oder später tun muss. Und je später, desto grösser der Verlust für das jeweilige Land. Ich kann nicht sehen, wie nach einer solchen Krise die USA noch als alleinige Supermacht dastehen könnten.

E.G.:

In einem Artikel hast du ja sogar die Frage gestellt, ob die USA bankrott gehen könnten?

K.W.:

Ja, das bezog sich auf die Aussage eines der Mitglieder der US-Zentralbank. Nach Allem, was man heute sehen kann, ist das dort beschriebene Szenario genau das, welches nun eintritt. Natürlich kann ein Staat nicht im eigentlichen Sinne bankrott gehen, aber die Auswirkungen sind umso tiefgreifender.

E.G.:

Wann hat denn nun die Wirtschaftskrise wirklich begonnen?

K.W.:

Ja, das war wohl, als die die US-Fed in einem Anfall von Panik den Zinssatz mit einem Mal um 0,5% senkte, also Mitte September 2007 . Offiziell ist die Wirtschaftskrise natürlich erst eingeläutet, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen das „Gross National Product“ sinkt, was wohl erst in der zweiten Jahreshälfte 2008 konstatiert werden wird, jedenfalls für die USA, für die ganze Welt wohl noch später. Aber das sind nur Details. Inzwischen steht bereits fest: Die Krise hat begonnen, sie geht von den USA aus, greift langsam auch auf andere Volkswirtschaften über und wird vorraussichtlich Jahre dauern, vielleicht ein ganzes Jahrzehnt.

Wie danach die Welt aussehen wird, darüber lässt sich spekulieren, aber mir scheint, es wird keine alleinige Supermacht USA mehr geben.

Was ich für wichtig halte: Mit dieser Krise tritt die Menschheit auf der Erde auch in die kapitalistische Barbarei ein und das ist schrecklich.

Dies bereits nach Verwesung stinkende System muss schnellstens abgelöst werden – und zwar durch den echten Sozialismus.


Veröffentlicht am 22. April 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Zusatz zum Interview von Karl Weiss:

Wie um den Aussagen noch mehr Nachdruck zu verleihen, hat der Euro am Tag der Veröffentlichung zum ersten Mal die 1,60 Dollar überschritten, wenn auch nur kurzzeitig beim ersten Mal. Wenn diese Schranke in Kürze endgültig fallen sollte, scheint dem Verfall des Dollars nichts mehr im Wege zu stehen, was die ganze Weltwirtschaft in ihren Grundfesten erschüttern würde.

Auch der Erdölpreis erreichte zeitnah mit der Veröffentlichung eine neue Rekordmarke mit 116 Dollar pro Barrel. Das ist eine weitere Marke, die den andauernden Spüchen der Ökonomen widerspricht, welche die ganze Zeit davon sprachen, der Erdölpreis sei nur durch "die Spekalution" hochgetrieben und werde bald wieder auf 70 Dollar zurückfallen. Allein dieser Preis wird auf Dauer bereits einen Inflationsdruck ausüben,der die Notenbanken vor unlösbare Probleme stellt - ein Ausfluss des Grundproblems, dass man einfach nicht aus der Erdölwirtschaft aussteigen will.



Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

"General Motors könnte pleite gehen"

"Fannie und Freddie in der Bredouille"

"Drei EU-Länder sind bereits in der Wirtschaftskrise"

"Wirtschaftskrise in den USA"

"Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise"

"Banken gerettet – Staat pleite?"

"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

"Verdienen deutsche Banken Vertrauen?"

"Können Sie das glauben?"

Montag, 21. April 2008

Natascha Kampusch - die kapitalistische Barbarei

Schutz von Verbrechensopfern oder Recht auf „Information der Öffentlichkeit“?

Von Karl Weiss

Hatte der eine oder andere vielleicht noch einen Zweifel, dass wir bereit in die ersten Bereiche der kapitalistischen Barbarei eintauchen, der mag sich den Fall Natascha Kampusch ansehen. Da bekommt selbst ein kerngesunder Mensch Schwierigkeiten, noch normal weiter zu atmen.

Natascha Kampusch

Natascha Kampusch ist eine Österreicherin, eine Wienerin, um es genau zu sagen, die als Kind mit 10 Jahren von einem Verbrecher entführt und für viele Jahre als Geisel (oder muss man sagen: als Sexsklavin?) gefangengehalten und wohl auch missbraucht wurde – der Fall einer unsäglichen Leidensgeschichte, die nur noch mit Fällen von Foltern aus US-gelernten Folterschulen wie Chile oder aus anderen, wie der Chinas, verglichen werden kann.(siehe zu Sexfolter von Frauen hier)

Hier die Beschreibung des Falles durch die „netzeitung“: „Die heute 19-jährige war 1998 als zehnjähriges Mädchen auf dem Schulweg im Norden Wiens entführt und danach von ihrem Kidnapper, Wolfgang Priklopil, acht Jahre in einem Verlies-ähnlichen Raum festgehalten worden. Im August 2006 gelang ihr die Flucht. Priklopil nahm sich daraufhin das Leben.“

Der Fall entfachte eine gewaltige Anteilnahme der Öffentlichkeit, speziell in Österreich, aber auch in Deutschland. Da gab es aber auch andere „anteilnehmende“ Interessen nach der gelungenen Flucht von Frau Kampusch: Bestimmte Kreise hatten ein Interesse, intime Details des Leidens von Frau Kampusch zu erfahren, speziell sexuelle Details.

Doch Frau Kampusch wurde zunächst verantwortungsbewusst vor solchen falschen „Anteilnehmern“ geschützt. Da nach dem Selbstmord des Täters (der sich im Grunde wohl des verdammenswerten Charakters seiner Tat bewusst war) auch keine Notwendigkeit bestand, zum Zwecke der Strafverfolgung irgendwelche intimen Einzelheiten an die Öffentlichkeit zu bringen, schien der Leidensweg des Opfers zunächst wirklich zu einem Ende gekommen zu sein.

Doch jene Kreise, die genaueres aus den schmuddeligen Details der Sexsklavin-Haft wissen wollten, gaben nicht so schnell auf.

So wurde Natascha Kampusch nach einer Zeit der „Besinnung“ gezwungen, in Aussagen vor der Polizei ausführlich Einzelheiten zu erzählen, obwohl dies für absolut nichts nutze war, es sei denn, dass sich perverse Personen daran aufgeilen könnten.

Kurz nach ihrer Flucht hatte Natascha Kampusch ausfürlich einer jungen Kriminalbeamtin erzählt, was ihr widerfahren war, aber die Wiener Staatsanwaltschaft/Polizei hatte in einem Akt bemerkenswerter Weisheit dies Protokoll vernichtet und das einzige Exemplar an das Opfer ausgehändigt. Das gleiche geschah mit dem Tagebuch, das die gequälte junge Frau in der Geiselhaft geschrieben hatte: Es wurde dem Opfer der Tat ausgehändigt, so dass niemand die Chance hätte, irgendwelche Einzelheiten einsehen zu können.

Doch danach hat man aus unerklärlichen Gründen das Opfer gezwungen, nun erneut ausführlich der Polizei Details zu erzählen. Zwar wurde ihr zugesichert, dies seien selbstverständlich Polizeiprotokolle, die niemals von Unbefugten eingesehen werden könnten, aber da lag der Hase im Pfeffer.

Als nämlich jene gewissen Kreise Wind bekamen von diesen Protokollen, sannen sie darauf, wie man in den Besitz solcher pikanter Einzelheiten kommen könnte. Gesagt – getan: Es wurde unter einem Vorwand ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet, der sich mit solchen Dingen zu beschäftigen haben würde und natürlich Einblick in solche Protokolle haben müsste. Der Vorwand war, man wollte untersuchen, ob der Täter eventuell Komplizen gehabt haben könnte.

Nicht zufällig spielten die Politiker vom äussersten rechten Rand, in Österreich nennen sie sich FPÖ, eine entscheidende Rolle beim Einsetzen dieses Ausschusses. Die extreme Rechte, die immer die „Werte der Familie“ beschwört, ist traditionell heuchlerisch und besonders geil auf schwülstige Details. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses ist Peter Fichtenbauer von der FPÖ.

So kam es, wie es kommen musste: Kaum war das Protokoll der Polizei an den Ausschuss übergeben worden, kamen seitenweise Auszüge an die Öffentlichkeit. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Leck beim Ausschuss lag oder bei der Polizei, die jene Gelegenheit wahrgenommen haben mag: Irgendjemand bekam Geld zugeschustert, um diese intimen und schmerzvollen Privat-Erlebnisse von Frau Kampusch an einen Verlag weiterzugeben, der dies dann in Wien in ein sogenanntes Anzeigenblatt beförderte, kostenlos verteilt, damit sich Hunderttausende oder Millionen an den sexuellen Einzelheiten verlustieren konnten.

Das ist das klassische Szenario der beginnenden kapitalistischen Barbarei. Der Schutz von Verbrechensopfern muss natürlich hinter dem „Interesse der Öffentlichkeit auf Information“ zurücktreten.

Der Verlag des Anzeigenblattes konnte selbstverständlich für die auf insgesamt fünf Seiten veröffentlichten schmierigen Details viele neue Anzeigen aquirieren, und das, appellierend an die niedrigsten Instinkte der Menschen, zu einer genussvollen Umsatzsteigerung machen und natürlich vor allem zu einer geilen Profitsteigerung.

Wie bei den Mohammed-Karikaturen, die ebenfalls mit den Rechtsaussen in Verbindung stehen, wird Dreckschweinerei als "Meinungsfreiheit" ausgegeben.

Was wird nun in der kapitalistischen Barbarei mit den Verantwortlichen dieses Verlags passieren? Deportation nach Guantanamo oder Diego Garcia? Langsame und schmerzvolle Todesstrafe? Lebenslang? Millionen-Entschädigungen? Langjährige Gefängnisstrafen? Gefängnisstrafen auf Bewährung?

Nun, der geneigte Leser weiss bereits die Antwort: Nichts dergleichen! Man wird weitermachen wie gehabt.

Der Chefredateur, der diese Möglichkeit aufgetan hätte, würde vielmehr einen speziellen Bonus bekommen und man wird auf den nächsten sensationellen Fall aus sein – wenn möglich, mit sexuellen Details.

Wie gut, dass es Verbrechen gibt - und speziell Verbrechen mit Sex!

Das ist das normale Vorgehen in der kapitalistischen Barbarei. Würde man den Verantwortlichen im Verlag befragen, er würde sagen, man habe diese Gesellschaft ja nicht erfunden, man bediene nur Wünsche dieser Gesellschaft.

Ja, im Grunde hat er recht. Diese Gesellschaft nennt sich Kapitalismus und sie muss so schnell wie möglich abgeschafft werden, speziell jetzt, da sie schon immer deutlicher in die Barbarei übergeht.

Dann werden wir auch wieder in der Lage sein, Verbrechensopfer würdig zu behandeln oder besser: Verbrechen nach und nach ganz abzuschaffen.


Veröffentlicht am 21. April 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Samstag, 19. April 2008

Libertadors 2008 - Ende der Gruppenphase

Scheidet Vorjahressieger Boca Juniors aus?

Von Karl Weiss

In der Copa Libertadores, dem südamerikanischen Gegenstück zur „Champions Leage“, geht die Gruppenphase nun in die letzten Begegnungen und die wesentlichen Entscheidungen, bis auf eine, sind wohl gefallen. Im wesentlichen haben sich die Favoriten durchgesetzt. Allerdings läuft der Vorjahressieger und Hauptfavorit Boca Juniors Gefahr, sich nicht zu qualifizieren. Der Verein aus der argentinischen Hauptstadt ist auf die Hilfe des mexikanischen Clubs Atlas angewiesen. Was am meisten auffällt, ist die Ausgeglichenheit des Feldes.

Wenn, wie es am wahrscheinlichsen ist, am 22. April Colo Colo aus Santiago de Chile zu Hause zumindest ein Unentschieden gegen Atlas schafft – und damit Boca Juniors draussen bleibt (wenn man nicht im Fall eines Unentschiedens von Atlas mit mehr als zwei Toren Unterschied gewinnt), ergibt sich nach aller Wahrscheinlichkeit folgendes Bild:

Von den 5 brasilianischen Vereinen Cruzeiro, Flamengo, Santos, São Paulo und Fluminense kommen alle durch. Von den 6 gestarteten argentiniscchen Clubs qualifizieren sich 4: San Lorenzo, Estudiantes, Lanus und River Plate. Mexiko verliert einen der drei gestarteten Vereine, es verbleiben: Atlas und America. Im übrigen wird es dann im Achtelfinale noch zwei Vereine aus Kolumbien geben (Cúcuta und Atletico Nacional) und jewels einen Verein aus Chile (Colo Colo), aus Uruguay (Nacional) und Equador (LDU).

Es gibt auch noch eine Chance, dass es der brasilianische Meister São Paulo nicht schafft, wenn man im letzten Spiel zu Hause gegen die starke kolumbianische Mannschaft von Atletico Nacional nur ein Unentschieden erreicht oder sogar verliert. Im Fall eines Unentschiedens und eines Sieges der chilenischen Mannschaft von Audax Italiano in Paraguay wäre das chilenische Team Gruppensieger und São Paulo wäre mit der schlechteren Tordifferenz gegenüber Atletico ausgeschieden.

Das Ausscheiden des brasilianischen Meisters wäre eine genauso grosse Überraschung wie das des argentinischen Favoriten.

Die Ausgeglichenheit der Mannschaften zeigt sich einerseits darin, dass kein Verein auch nur dem Idealergebnis von 18 Punkten in sechs Spielen nahekam. Im Moment ist Fluminense Rio de Janeiro mit 13 Punkten an der Spitze, aber es können noch Atlas (Mexiko) und Flamengo Rio de Janeiro gleichziehen, wenn sie gewinnen.

Die geringste Punktzahl liegt mit 2 bei Unión Maracaibo aus Venezuela und Coronel Bolognesi aus Peru, welche immerhin jeweils zwei Unentschieden geschafft haben, aber die einzigen Mannschaft sind, die nicht zumindest einen Sieg errungen haben.

Ausgeschieden sind bei den beschriebenen ausstehenden Ergebnissen alle drei Mannschaften aus Peru, zwei der sechs Vereine aus Argentinien, jeweils beide Clubs aus Bolivien, Venezuela und Paraguay, jeweils einer der beiden Vertreter aus Uruguay und Equador, einer der drei Vereine aus Mexiko und zwei der drei Vertreter aus Chile.

In Südamerika wird das Achtelfinale unter den verbliebenen 16 Mannschaften nicht ausgelost, sondern es spielen der Club mit dem besten Gruppenergebnis gegen den mit dem schlechtesten, der zweite gegen den Vorletzten usw. Dabei gelten als Kriterien in dieser Reihenfolge: Zahl der Punkte, Zahl der Siege, Tordifferenz, Zahl der geschossenen Tore und das Los.

Fluminense hat eine grosse Chance, als bester aus den Gruppenspielen hervorzugehen, da es ein Torverhältnis von 8 aufweist. Allerdings könnte das bedeuten, man käme direkt gegen den Mitfavoriten America aus Mexico-Stadt, der nämlich mit 9 Punkten aus drei Siegen und drei Niederlagen und einer ausgeglichenen Tordifferenz wohl als schlechtester Verein der qualifizierten dastehen wird.

São Paulo könnte im Falle eines Unentschiedens im letzten Spiel als zweitschlechtester Verein ins Rennen gehen und könnte dann typischerweise auf Flamengo Rio de Janeiro treffen, dem man wohl einen Sieg gegen das peruanische Team Colonel Bolognesi im heimischen Marcanã-Stadion zutrauen kann, was die Mannschaft zur zweitbesten der Gruppenphase machen würde.

Die noch ausstehenden Spiele der Gruppenphase finden am 22. und 23 April statt, die Achtelfinalbegegnungen am 30. April und am 14. Mai. Die Mannschaft mit den schlechteren Gruppenergebnissen muss jeweils zuerst zu Hause antreten.

Übrigens ergeben sich die Viertelfinale automatisch aus den Achtelfinalbegegnungen. Es wird also bis zum Ende des Turniers nicht mehr ausgelost. Dieses System ("Die Vereine setzen sich selbst") wird dieses Jahr zum ersten Mal angewandt, weil es immer Querelen mit gesetzten Begegnungen und Auslosungen gegeben hat.


Veröffentlicht am 19. April 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Freitag, 18. April 2008

Neues riesiges Erdölfeld vor der brasilianischen Küste?

Brasilien: Wirtschafts-Boom

Von Karl Weiss

Hatte man noch vor kurzem gehört, in Brasilien wurde ein neues, großes Erdölfeld im Meer vor der Küste des Staates São Paulo gefunden („Brasilien wird Erdölland“), so gibt es nun schon wieder Neuigkeiten. Es ist heraus gesickert: Ein noch weit größeres Feld wurde, ebenfalls im Meer weit von jeglichem Land, vor der Küste des Bundesstaates Rio de Janeiro gefunden. Es soll angeblich das größte Feld sein, das seit dreißig Jahren auf der Welt gefunden wurde. Zusammen mit diesem Feld könnte Brasilien bis 2020 in die Reihe der wichtigen Erdölproduzenten und -exporteure aufrücken.

Erdöl

Aus noch zu klärenden Gründen hat der Chef der staatlichen brasilianischen Ölbehörde am 14.4.2008 verlauten lassen, die brasilianische halbstaatliche Petrobras habe eines der mächtigsten Erdölfelder aller Zeiten gefunden (genau gesagt: das drittgrößte, geschätzte 33 Billionen Barrel). Noch am gleichen Tag reagierte die Petrobras. Sie dementierte nicht, sagte aber, es handele sich lediglich um erste Hinweise. Die tatsächliche Gehalt des Feldes müsse erst noch bestätigt werden. Das ist immerhin ein bemerkenswertes Nicht-Dementi.

Logo Petrobras

Gehorsam machte der Kurs der Petrobras-Aktien einen Sprung nach oben. Eventuell war diese Ankündigung genau zu diesem Zweck gemacht worden, um mit Aktienspekulationen Geld zu verdienen.

Wie auch immer, es ist keineswegs überraschend, dass es dort noch mehr Öl gibt, denn es handelt sich um die gleiche geologische Formation wie die des vorherigen Fundes.

Die beiden Felder liegen weit draußen im Meer, in Wassertiefen von etwa 3000 - 4000 Metern, wobei das Erdöl noch einmal Kilometer unter dem Meeeresboden liegt. Man wird in diesem – wie auch dem vorher gefundenen – Feld von einer Tiefe vom Bohrschiff bis zum Öl von etwa 7 Kilometer ausgehen müssen. Noch vor wenigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, solches Erdöl zu fördern.

Die Petrobras hat aber zusammen mit spezialisierten Firmen (darunter Halliburton) in diesen Jahren so grundlegende und schnelle Fortschritte in der Explorations- und Fördertechnik aus grossen Wassertiefen und grossen Tiefen unter dem Meeresboden gemacht, dass es heute bereits möglich ist, an ein Erschliessen solcher Vorkommen zu denken, wenn auch der Aufwand enorm ist.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Der Verfasser dieser Zeilen hatte in seiner Zeit in Rio de Janeiro die grosse Ehre, einen der führenden Spezialisten in diesen Tiefwasser-Förderungen persönlich kennenzulernen, den Italiener Vincenzo Russo, der Anfang dieses Jahres leider vorzeitig verstorben ist. Dessen Sohn ist gerade dabei zu versuchen in seines Vaters Fusstapfen zu treten.

Da trifft es sich gut, dass der Rohölpreis entgegen allen Voraussagen von Rekord zu Rekord eilt. Am Tag der Bekanntgabe wurde gerade die Grenze von 111 Dollar pro Barrel überschritten.

In Niteroi im Bundesstatt Rio de Janeiro hat sich alles etabliert, was für Tiefsee-Ölprospektion und –förderung Rang und Namen hat, darunter einige Werften, die spezialisiert sind auf Bohr- und Förderschiffe. Bei solchen Wassertiefen kann man natürlich nicht mehr mit Plattformen arbeiten, die auf dem Meeresboden stehen, sondern muss mit schwimmenden Plattformen bohren und fördern. Das Erforschen, Bohren und Schiffebauen bis zur Förderung dauert unter den genannten Bedingungen etwa 7 Jahre. Nun, was tut man nicht alles, um der Erde noch die letzten Tropfen des schwarzen, schmierigen Nasses zu entlocken.

Brasilien (topographisch)

Sollten sich tatsächlich die vermuteten Grössenordnungen der beiden neuen Entdeckungen bewahrheiten, könnte Brasilien bis zum Jahre 2020 zu den grossen Erdölförderländern gehören, wie auch zu den grossen Exporteuren, wie etwa Saudi-Arabien, der Iran und Venezuela. Die spanische ‚El Pais‘ sieht Lula sogar schon als ‚neuen Ölscheich‘.

Erdöl 1

Das trifft sich zufällig mit anderen Nachrichten, die in Brasilien zum Köpfen einiger Champagnerflaschen führten. Die Wirtschaft brummt und im Gegensatz zu Deutschlands angeblichem „Boom“ kommt auch etwas davon unten beim kleinen Mann an. Die brasilianischen Lebensmittelsupermärkte melden seit etwa 10 Monaten Monat für Monat Umsatzsteigerungen im Bereich zwischen 20 und 32% im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das heisst, Brasiliens “kleiner Mann“ hat mehr Geld auszugeben und kauft mehr und höherwertige Lebensmittel.

Chávez und Lula

Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin katastrophal hoch, aber die Zahl der offiziellen Arbeitsplätze steigt seit zwei Jahren deutlich an. Auch jene Brasilianer, die sich mit Gelegenheitsarbeit über Wasser halten, die hausieren oder sich auf andere Weise ein kleines Einkommen sichern, haben mehr zu tun, mehr Geld und mehr auszugeben.

Mit Präsident Lulas Programm „Familien-Stipendium“ (bolsa família) und zwei anderen Programmen wurde der Hungertod in Brasilien fast vollständig ausgerottet. Familien (das heisst fast immer: Mütter) mit Kindern bekommen,wenn sie bedürftig sind und die Kinder im Schulalter die Schule besuchen, eine Art von Lebensmittelgutschein im Wert von (im Moment) 79 Reais pro Kopf (das sind etwa 30 Euro) monatlich. Die Umrechnung in Euro ist allerdings nicht korrekt, denn sie wurde über den Wechselkurs gemacht. Lebensmittel kosten aber in Brasilien weit weniger als entsprechend der Umrechnung in Euro. Ein Beispiel: Brasiliens Grundnahrungsmittel Reis kauft man hier bei Sonderangeboten zu 6 oder 7 Reais für das Paket mit 5 kg, also etwa 1,2 bis 1,4 Reais pro Kg (das wären nach der Umrechnung 45 bis 52 Cents pro Kilo).

Viele Menschen leben zwar weiterhin in Favelas oder abgelegenen ländlichen Elends-Siedlungen ohne menschenwürdige Bedingungen, haben aber wenigstens etwas zu essen. Die typischen Armutskrankheiten sind aber weiterhin allgegenwärtig und führen zu häufigen Todesfällen, speziell bei Kindern. Dies auch und gerade wegen des desaströsen Zustands, in dem sich das öffentliche Gesundheitswesen Brasiliens befindet.

Trotzdem haben aber Programme wie ‚bolsa família‘ und andere das Ansehen Lulas auf neue Höchstwerte gebracht. Seine Zustimmungsquote in Umfragen in Brasilien lässt sich nur noch mit der Putins in Russland vergleichen. Könnte er 2010 für eine dritte Amtszeit kandidieren, wäre sein Wiederwahl sicher. Auf seine Partei PT hat allerdings fast nichts von diesem Ansehen abgefärbt. Die konservative Opposition rechnet sich jetzt bereits einen leichten Sieg bei jenen Präsidentenwahlen aus und will Brasilien wieder auf den Weg der unterwürfigen Merkel-Politik gegenüber den Vereinigten Staaten zurückführen.

Die Automobilindustrie Brasiliens meldet ein Rekordergebnis nach dem anderen. Die zuletzt gemeldeten Steigerungsraten des Auto-Absatzes liegen imSchnitt bei 30% gegenüber dem Vorjahresmonat.



Wie schon gemeldet, wird das Werk des Autoherstellers mit der höchsten Zahl von verkauften Autos, Fiat (hier im Grossraum Belo Horizonte), gerade auf eine Tagesproduktion von 5200 Wagen ausgeweitet, was den größten Einzelstandort aller Automobilwerke auf der Welt bedeuten wird.

Das Bruttosozialprodukt (genau gesagt: Gross National Product) Brasiliens stieg letztes Jahr etwa 5% real und für dieses Jahr wird erneut einWachstum in dieser Grössenordnung erwartet. Das kann zwar nicht mit den Wachstumsraten der anderen BRIC-Länder mithalten (Brasilien, Russland, Indien, China, die vier ‚emerging countries‘), aber es ist ein „gesundes“ Wachstum, denn es beruht hauptsächlich auf gestiegenem Inlands-Konsum.

Aber die wirklich großen Gewinners des brasilianischen Booms sind natürlich die Reichen und Superreichen. Zum Beispiel jene, die vom vorherigen Präsidenten Cardoso für einen Appel und ein Ei die damals staatliche Minengesellschaft „Compania Vale do Rio Doce“ nachgeworfen bekamen, heute die Privatfirma mit den höchsten Gewinnen in ganz Lateinamerika. Diese Firma hat sich jetzt in ‚Vale‘ unbenannt und besitzt die meisten „Goldgruben“ in Brasilien. Was aber die wahnwitzigen Gewinne ausmacht, ist gar nicht so sehr das Gold, es ist vielmehr hauptsächlich das Eisenerz.

Gold

Die Vale besitzt die größten Eisenerzvorkommen auf der Welt und verkauft das meiste Eisenerz auf der Welt. Brasilien ist der größte Exporteur von Eisenerz. Die Mengen an Eisenerzvorräten hier im Bereich des Zentrums des Staates Minas Gerais, von dem aus dieser Artikel geschrieben wird, sind so gigantisch, dass man im Moment ein riesiges Förderband in Planung hat, das von hier zur Küste in Rio de Janeiro führen wird, über 450 km!

Die Vale hat vor einem Monat bekanntgegeben,ihre Eisenerzkontrakte mit den Stahlwerken der Welt für 2008 (es werden jeweils Jahreskontrakte abgeschlossen) seien mit Preisen um 69% höher als 2007 abgeschlossen worden, das besonders begehrte hochprozentige Eisenerz aus Carajás im Amazonasgebiet sogar um 75% höher als im Vorjahr!

Da kann sich der Verbraucher weltweit auf einen Sprung nach oben in der Inflation gefasst machen – und das gerade jetzt, da die Weltwirtschaft beginnt, in eine Wirtschaftskrise abzustürzen.

Es sind also nicht nur die Lebensmittelpreise, die steigen. Brasilien profitiert aber auch von diesen Steigerungen. Die Preise für Sojaöl z.B., sind glatt um die Hälfte gestiegen – und Brasilien ist auch der größte Exporteur von Soja und Sojaprodukten.

Brasilien: Soja-Pflanzungen auf Regenwald-Gelände

Genau in diesem Moment ist Erntezeit für Soja (hier ist jetzt Herbst) und die tagelangen Schlangen von Soja-Lastwagen vor dem hauptsächlichen Soja-Ausfuhrhafen Paranaguá im Bundestaat Paraná sind bereits Legende.

Die Freudentränen bei der brasilianischen Oligarchie fliessen also reichlich, aber hier fallen auch einige Brosamen für die Mittelschicht und die Armen ab.


Veröffentlicht am 18. April 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Donnerstag, 17. April 2008

Hartz IV: Nicht der gesunde Menschenverstand

„Klar wie Klossbrühe, mit Hartz IV kann es so nicht weitergehen“


Von Elmar Getto


Dies schrieb Nadja Klinger im ‚Tagesspiegel‘ am 1. Juni 2005 – Hartz IV war gerade ein halbes Jahr alt:

Hartz IV, ein halbes Jahr nach der Einführung

Elmar auf Stuttgarter Modemo Jan 06, Polizeifahrzeuge

“ [Hartz IV:] Da ist was faul. (...) Die Reform (...) bietet (...) nicht mal vage Aussichten. Sie ist teurer als gedacht, steckt ihre Nase in private Bindungen, greift nach redlich verdientem Vermögen, zerstört Lebenspläne. Sie bringt keine Jobs. Das Gesetz, das ihr zugrunde liegt, erscheint mehr und mehr wie eine Anleitung zum Scheitern. Es harmoniert mit der Wirklichkeit wie der Elefant mit dem Porzellanladen.”
“Für ein Gesetz, das den Menschen derart an die Existenz geht, können bereits jetzt unangemessen viele Mängel aufgelistet werden.”
“Es gibt Probleme mit dem Kindergeld, bei Eigenheimzulagen, der Krankenversicherung und der Berufsunfallrente, mit Mietwohnungen, unehelichen Lebensgemeinschaften, Wohngemeinschaften, mit Frauen in Frauenhäusern, volljährigen Sprößlingen, leiblichen und nichtleiblichen, mit denen, die bei Eltern leben, und jenen, die ausgezogen sind.”
“Merkt sie [Hartz IV-Ombudsfrau Bergmann], daß insgesamt etwas faul ist?”
Sie sagt: „Es war nicht abzusehen, wie weit das Gesetz in andere Lebensbereiche hineinreicht.“
Die Frauen an der Hotline des Ombudsrates. „Die Fragen der Anrufer drehen sich immer um die Existenz“, sagt eine.
" ... klar ist wie Kloßbrühe, daß es mit Hartz IV so nicht weitergehen kann, ...“

Hätte der Autor dies in der ‚Berliner Umschau‘ geschrieben, wäre das ganz normal gewesen, aber es sind alles Zitate aus einem Artikel des Berliner „Tagesspiegel” mit dem Titel „Anleitung zum Scheitern“. Die Journalistin Nadja Klinger begleitete die ehemalige Ministerin und damalige Ombudsfrau für Hartz IV, Bergmann, eine Zeit bei ihrer Arbeit und sprach mit den Frauen an der damaligen Hotline für Hartz IV.

Da erlebte sie, was Hartz IV wirklich bedeutet und schrieb es in den Artikel. Journalisten, die ‚gegen den Strom’ schreiben, müssen Mut haben. Manchmal läßt die Chefredaktion so etwas durchgehen. So ein Artikel unter Tausenden in die „richtige” Richtung kann nicht viel schaden, sogar als Alibi dienen.

Hartz-Protest 02

Trotzdem, angesichts der Tatsache, daß Hartz IV Deutschland durchwirbelt (oder besser, wie die Journalistin schreibt: wie ein Elefant im Porzellanladen haust), beginnen hier und dort langsam, aber sicher, mutige Journalisten auch im Mainstream die Wahrheit zu schreiben. War es letzte Woche eine Journalistin der “Welt”, die aufdeckte, daß Ein-Euro-Zwangsarbeiter bereits Schulstunden geben, ist es diese Woche der ‚Tagesspiegel’.

Meldung ist bereits Kommentar – oder Lüge

Berichterstattung über irgendein beliebiges Detail von Hartz IV ist einer der krassesten Fälle für einen Journalisten. Entweder er verdreht und verbiegt in himmelschreiender Weise oder er schreibt die Wahrheit, dann klingt der Artikel automatisch wie eine schwere Anklage gegen unseren Politiker-Einheitsbrei von CDUGRÜNESPDFDPCSU. Die behauptete Möglichkeit, "objektiv“ zu berichten und Meldung und Kommentar zu trennen, gibt es nicht. Meldung ist bereits Kommentar.

Was Ex-Ministerin Bergmann sagte

Bemerkenswert zwei Äußerungen der damaligen Hartz-IV-Ombudsfrau Bergmann, die natürlich Verfechterin von Hartz IV ist (sonst hätte man sie ja nicht auf diesen Posten berufen). Selbst sie muß, wie oben zitiert, zugeben, dass Hartz IV in alle Bereiche des Lebens eingreift und keineswegs etwa „nur“ eine ‚Reform’ der Sozial- und Arbeitslosenhilfe ist.

Als die Sprache auf den damals noch unterschiedlichen ‚Regelsatz’ für Ost und West kommt, sagt sie : „Ja, da hätte der gesunde Menschenverstand genügt.“

Hartz-Protest 01

Hören Sie, die Herren Politikerr und die Dame Merkel, was da eine aus Ihren eigenen Reihen über Ihren Verstand sagt? Der gesunde eines Menschen... ist er nicht!

Diese Aussage macht sie in Beisein einer Journalistin, wissend, das wird wohl veröffentlicht. Sie, die nun Tag für Tag fein säuberlich notieren muss, wie Hartz IV wirklich aussieht, ist anscheinend auch schon genervt. Auch daß sie nach Aussagen der Journalistin andauernd beide Hände hebt in Beteuerung ihrer Unschuld und immer betont, sie habe das Gesetz nicht gemacht, läßt nicht gerade darauf schliessen, daß sie ein Hartz-IV-Fan ist. Trotzdem verliert sie natürlich nicht die Contenance und findet die „Reform“ weiterhin richtig.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Man weiss nicht mehr, was man sagen soll

Sehr deutlich auch der Teil des Artikels, in dem berichtet wird, was die Damen am Telephon der Ombuds-Hotline in Potsdam zum Schweigen bringt:

„Wenn Leute aus Wohnungen müssen oder Familien monatelang kein Geld erhalten, weil sie ein Eigenheim mit Zulage gebaut haben. Wenn Obdachlosen Geld verweigert wird, weil sie keine Meldebescheinigung vorlegen. Wenn ihnen Essen in der Suppenküche von den Leistungen abgezogen und in ihren Unterlagen zum Wohnraumzuschuss vermerkt wird: Kein Bedarf. Wenn Anrufer erzählen, welchen Tipp das Jobcenter gibt: Beschweren Sie sich beim Ombudsrat! Oder wenn gar Mitarbeiter der Hotline der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit anrufen! Sie fragen die Rostocker Frauen, was sie mit den vielen unzufriedenen Leuten machen sollen.”

Gezwungen, auseinanderzuziehen

Schließlich auch das, was die Berliner Umschau bereits vorausgesagt hat und was auch eingetreten ist: Hartz IV zwingt reihenweise Leute auseinanderzuziehen: Eltern und Kinder, Verwandte, einfach in Wohngemeinschaft Lebende oder Lebensgefährten, denn wenn man zusammen wohnt, kriegt man weniger oder es wird das Einkommen des anderen angerechnet. Allein die Tatsache, daß man in der gleichen Wohnung wohnt oder im gleichen Haus, reicht bereits aus. Inzwischen gibt es auch schon ein Urteil des Berliner Sozialgerichts, daß dies rechtmäßig sei. Deutsche Richter zeigen mal wieder ihre Fratze – bekannt aus dunklen Zeiten.

Diese Regelung führt natürlich automatisch dazu, daß die Bedürftigen, denen mit dieser Begründung das Geld gestrichen wird, auseinanderziehen, soweit sie denn einen Wohnung finden. Nicht umsonst sind in Deutschland kleine billige Wohnungen immer schwerer zu finden auf dem Wohnungsmarkt – und die waren schon vorher rar.

Der Artikel sagt dazu: „Die Bedarfsgemeinschaften, in die man die Bundesrepublik unterteilt hat, lösen sich auf. Mütter und Kinder ziehen auseinander, Ehen werden geschieden. Der Bedarf am Geld, das der Staat Alleinlebenden gibt, ist existenzieller als der Bedarf an Gemeinschaft.“

Die Reaktion des damals zuständigen Ministers Clement

Wie einer mit jener Art von Verstand, der nicht der gesunde eines Menschen ist, darauf reagiert, bewies Minister Clement, der am gleichen Tag genau zu diesem Thema Stellung nahm: „Wir werden verstärkt gegen Sozialmißbrauch und Abzockermentalität vorgehen. Es gibt eine bemerkenswerte Vervielfältigung von Bedarfsgemeinschaften.“

Es sind also nicht die raffsüchtigen Mitglieder der Politikerkaste, die neben den bereits mehr als üppigen Diäten und Gehältern und Altersabsicherungen auch noch die Millionenzuweisungen der deutschen Großkonzerne erhalten und verstecken, die eine Abzockermentalität haben, nein, es sind die Arbeitslosen ohne Geld, die verzweifelt um ihre Existenz kämpfen und Gemeinschaft aufgeben, um Geld zu erhalten. Die Welt steht auf dem Kopf und dreht sich verkehrt rum!

Nicht der gesunde Menschenverstand

Ja, da muß man der ehemaligen Bundesministerin Bergmann wirklich Recht geben, der gesunde Verstand eines Menschen ist dies nicht, entweder er ist krank oder er ist unmenschlich.



Dieser Hartz-IV-Artikel ist nun bald drei Jahre alt und brauchte nur unwesentlich (vom Autor) redigiert zu werden, um heute taufrisch zu klingen. Nur ein Wahnsinns-Hackebeil wie Hartz IV bringt so etwas zustande.

Montag, 14. April 2008

Dafür ist kein Geld da!

Die Legende vom Sparen

Von Karl Weiss

Landauf, landab erklären Politiker, Medien und auch ein Teil der irregeleiteten Bundesbürger, es müsse eben gespart werden. Es sei eben nicht mehr so viel zu verteilen da und da müsse jeder sein Scherflein beitragen. Kein Kindergarten, öffentliche Bäder geschlossen, öffentlicher Nahverkehr unbezahlbar, mehr als 30 Kinder in einer Klasse: Tut uns ja so leid, aber man muß sparen. Es fehlt einfach Geld an allen Ecken und Enden!

Die allgemeine Sparorgie ist nichts als eine Legende, das ganze Spargetue ist nicht mehr als „bullshit", wie sich unsere amerikanischen Freunde auszudrücken pflegen.

Die Linke 2008

Leider haben sich auch bereits weite Teile der 'Linken' auf diese Sprachregelung eingelassen. In Berlin, wo sie mitregieren, erklären die „Genossen", es sei eben kein Geld da.

Wenn man sich den Bundeshaushalt ansieht, so müßte der also geschrumpft sein - 30, 40%. Das ist aber wundersamerweise nicht der Fall. Er ist im wesentlichen gleichgeblieben. Nur kleine Veränderungen von Jahr zu Jahr, mal etwas nach unten, mal etwas nach oben. Moment mal, wie kann das sein, wenn doch überall das Geld hinten und vorne fehlt?

Warum glauben die Politiker eigentlich, wir seien so dumm, daß wir nicht einmal die Zahlen des Bundeshaushalts der letzten Jahre und dieses Jahres vergleichen können?

Filbinger und Kohl

Das Ganze begann unter der Regierung Kohl. Die Monopolkonzerne hatten ageordnet, daß nun Schluß mit lustig sein mußte, soziale Leistungen sollten rigoros abgebaut werden. Gehorsam startete Kohl die erste Sondierung, den ersten Versuch, massiv Soziales abzubauen und zu sehen, was geschieht. Doch die Regierung Kohl und die Herren der Konzerne fielen voll aufs Maul. Man hatte dort angefangen, wo die größte Kampfkraft der Arbeiter lag: Man versuchte als erstes, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu kappen und bereitete bereits das Ende der Steuerbefreiung der Nacht- und Schichtzuschläge vor.

Daraufhin begannen Streiks in mehreren großen Betreiben, hauptsächlich bei Mercedes, zunächst befristet. Praktisch alle Arbeiter machten mit. Die SPD-gelenkten Gewerkschaftsführungen sahen die große Gelegenheit, der scheinbar unschlagbaren Kohl-Regierung eins auszuwischen und ihre Partei als Alternative anzupreisen. Sie organisierten die Streiks und Kohl mußte schnellstens zurückrudern, um nicht in die Situation zu geraten, die ein Villepaine in Frankreich vor zwei Jahren kennengelernt hat.

Schröder

Der Mythos der Kohl-Regierung war vorbei, der Weg war frei für Schröders und Fischers Sieg 1998 in den Bundestagswahlen. Das war genau, was die Monopole nun brauchten. Sie wußten, das die Arbeiter ohne die SPD-Führer nur schwerlich streiken konnten, also brauchte man die SPD an der Regierung. Und so geschah es. Die meisten, die damals SPD und Grüne wählten, glaubten, ein kleineres Übel gegenüber der CDU-FDP-Regierung gewählt zu haben. In Wirklichkeit hatte man genau das gewählt, was die Monopole nun wollten.

Bereits kurz nach der Regierungsübernahme beschloß Rot-Grün die größte Unternehmenssteuer-Entlastung, die Deutschland je gesehen hat. Es wurden alle Arten von Abschreibungsmöglichkeiten eingeführt, speziell für all jene Dinge, die große Konzerne abschreiben wollen. So kam man zum Ergebnis, daß die Monopolkonzerne in vielen Fällen praktisch keine Steuern mehr zahlen brauchten, z.T. sogar Geld aus anderen Jahren wieder herausbekamen.

Du verlagerst deine Fertigung nach Polen? Klar, daß du alle Kosten dafür abschreiben kannst! Dein Gewinn ist in Irland angefallen? Brauchst du in Deutschland keine Steuern mehr bezahlen, auch wenn lediglich der Verkauf über Irland abgewickelt wurde! Deine Aktien sind gefallen? Kannst du von den Steuern absetzen! Kosten für Entlassungs- und Frühpensionierungsaktionen? Kannst du von den Steuern absetzen! Die Krise hat dir Verluste beschert? Dafür bekommst du Steuern vom letzten Jahr wieder raus! Usw. Usf. Insgesamt fehlen seitdem etwa 100 bis 150 Milliarden Euros jedes Jahr im Staatssäckel, während in den Vorstandsetagen ohne Unterlaß die Sektkorken knallen.

Wie sich bald zeigen sollte, wurden diese verluste aber fats vollst6andig in die Gemeinden verlagert, w6ahrend der Bundeshaushalt fast gleich blieb. In den gemeinden, wo die Bürger wohnen, fehlt es vorne und hinten, oben im Bund, wo die Politiker hausen, ist weiterhin Überfluss angesagt.

Diese ganze „Reform" wurde zunächst in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, weil die Folgen nicht unmittelbar zu sehen waren. Noch schien ja alles seinen gewohnten Gang zu gehen.

Charakteristisch war auch, daß diese Unternehmenssteuer-Abschaffung praktisch nicht auf kleinere Betriebe anzuwenden war. Für sie blieben die Steuern vielmehr im wesentlichen gleich hoch. Da wurde klar wie kaum je zuvor, daß wir nicht mehr im normalen Kapitalismus, sondern im Monopolkapitalismus leben, in dem nur die großen, die Monopol-Konzerne das Sagen haben.

Als dann, bereits während der ersten rot-grünen Legislaturperiode, nach und nach die öffentlichen Leistungen in den Kommunen (und auch Ländern) abgebaut zu werden begannen, merkten zunächst nur wenige, daß es das Geld der Konzerne war, das nicht mehr in den Kommunen und Ländern ankam, die daraufhin Grundlegendes zu streichen begannen.

Es begann die Zeit der Privatisierungen, der „Public-Private"-Konzepte, das Herunterfahren der Lehrerstellen, das Schließen von Schulen, die Krankenhäuser ließ man einschnurzeln usw. usf.

Aber auch auf Bundesebene würden Leistungen für den Bürger abgebaut. Die Bahn wurde aufs Abstellgleis gefahren, die Post zum Tode verurteilt, der öffentliche Nahverkehr mehr und mehr ausgedünnt.

Man stelle sich nur vor, wenn die Unternehmensbesteuerung noch so wäre wie zu Kohls Zeiten. Es stünden zwischen 100 und 150 Milliarden Euros mehr zur Verfügung. Man könnte eine wirkliche Familienförderung durchführen, Kindergärten für alle anbieten, die Schulklassen verkleinern, den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und billigere Tickets anbieten, die Bahn zu einem wirklichen Verkehrsmittel für Alle und alle Güter ausbauen - zu angemessenen Preisen -, die öffentlichen Bäder wieder öffnen, die preiswerten Wohnungen in der öffentlichen Hand lassen, die Krankenhäuser zu wirklichen Gesundheitszentren machen - und hätte immer noch Geld übrig für weitere wichtige Aufgaben.

Stattdessen wurde all dies Geld den Großkonzernen in den Rachen geworfen, die sich dafür mit mehr und mehr Entlassungen und Stellenabbau bedankten.

Als es dann 2002 wieder ans Wählen ging, hattten schon eine Reihe von Rot-Grün-Wählern gemerkt, daß von „kleinerem Übel" keine Rede sein konnte. Doch mit dem Trick vorzugeben, man werde sich nicht am Irak-Krieg der US-Regierung beteiligen, konnte Rot-Grün noch ein zweites Mal triumphieren, wenn auch knapp und nicht für eine ganze Legislaturperiode. In Wirklichkeit war der Beitrag der Bundesrepublik als „Etappe" für den völkerrechtswidrigen Krieg weit größer als zum Beispiel der von Spanien oder Italien und ist es bis heute, während deren Truppen längst zu Hause sind.

Nun wurde das zweite große „Reform"-Projekt der Monopole in Auftrag gegeben. Diesmal sollte der massive Abbau von Löhnen, die Einführung von Niedrigstlöhnen und das Durchlöchern des gesamten Netzes von Tarifverträgen erreicht werden. Man war sich klar, dies war nicht dadurch möglich, daß man einfach in den Tarifrunden minus 10% forderte. Es wurde das Projekt Hartz IV geboren, erstellt in einer Komission durch die Monopolverbände und Schröder zum Umsetzen vorgelegt, der dann auch keine Zeit verlor.

Hartz-Protest 02

Man mußte die Arbeitslosen in Armut stürzen, sie demütigen bis aufs Unterhemd, so daß der Fall in die Arbeitslosigkeit für die Arbeiter (und Angestellten) zum absoluten Alptraum würde. Dann brauchte man nur noch Entlassungen ankündigen und konnte jegliche Verschlechterung durchsetzen, denn damit würden ja angeblich jene Entlassungen verhindert. In Wirklichkeit wird zuerst verschlechtert und dann doch entlassen. Ebenso würde man so einen Niedrigstlohnbereich einführen können, denn der wäre ja immer noch besser als Hartz IV.

So wurde dann - wieder unter dem Vorwand von angeblichem Sparen - Hartz IV durchgezogen. In Wirklichkeit war jedem klar, der rechnen konnte, daß Hartz IV selbstverständlich keinen Cent Einsparung bringen, sondern eher mehr kosten würde, so wie es dann ja auch kam. Auch daß Hartz IV natürlich nicht einen mehr in Arbeit bringen würde, die ihren Mann ernährt, war völlig klar. Es ging ja auch nicht um Einsparungen und nicht um Arbeitsplätze, sondern um mehr Profite für die großen Monopolkonzerne.

Man braucht sich nur die Unternehmensberichte durchsehen, die für die Jahre 2005, 2006 und jetzt auch schon 2007 veröffentlicht wurden: Es hat geklappt, die Profite haben Höhen erreicht, die selbst hartgesottenen Spitzen-Managern die Freudentränen in die Augen treiben.

Insoweit hört es sich auch immer wieder rührend an, wenn bemängelt wird, daß Hartz IV doch eine so riesige Bürokratie geschaffen habe, daß es so schlecht gemacht sei. Es ist genauso gemacht, wie es sein sollte.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Aber selbst wenn wir dies alles nicht berücksichtigen. Wenn wir einfach sagen: Nun, mehr als da ist, ist eben nicht in der Steuerkasse, wäre denn dann wenigstens die Sparhysterie gerechtfertigt?

Nicht die Bohne.

Sieht man sich nämlich genau an, für was alles Geld da ist, Millionen und Milliarden von Euros da sind, wird klar, daß mans wirklich hat, aber eben nur für das, was man will.

Schweigen wir hier von Militärausgaben und Auslandseinsätzen, für die immer genug Geld da ist, nehmen wir andere Beispiele.

Reden wir hier auch nicht von den gewaltigen Kosten für die Betreuung, den Transport und die Aufbewahrung der Atommüllabfälle, für die jene Energie-Konzerne keinen Cent bezahlen müssen.

Fangen wir mal mit den ca. 100 Milliarden Euro an, die Deutschland jedes Jahr in die Europäische Union zahlt. Jeder Cent davon ist rausgeworfenens Geld. Diese unglaubliche Summe von Geld wird nämlich fast ausschließlich für zwei Dinge ausgegeben: Für die Brüsseler Bürokratie und für Subventionen, die fast ausschließlich an Reiche und Konzerne gehen.

Daß die Brüsseler Bürokratie so überflüssig ist wie ein Kropf, bracht nicht mehr eigens erläutert zu werden. Um Verordnungen darüber zu schaffen, um wieviel cm die Verpackung größer sein darf als das Produkt, dafür braucht man keinen Apparat von 21 000 Bürokraten, das könnte im Einvernehmen der Länderministerien geregelt werden - wenn so etwas denn regelwürdig ist.

Aber auch die Subventionen Europas, laufen sie unter dem Namen Agrarsubventionen oder Regionalfonds oder anderen, haben keinerlei Daseinsberechtigung. Weder die kleinen Bauern werden davor gerettet, ihre Höfe aufgeben zu müssen noch werden unterentwickelte Regionen Europas gestützt. In Wirklichkeit sind das alles Gelder, die am Ende in den Taschen von Superreichen, Politikern und Großkonzerne landen.

Was man mit 100 Milliarden jährlich alles Sinnvolles anfangen könnte!

Um sich nur einmal ein Bild zu machen, was da für eine Schlange am Busen der Steuerzahlen genährt wurde, hier einige Zahlen vom unabhängigen österreichischen Europa-Abgeordneten Hans-Peter Martin zum Beamten-Futtertrog Brüssel:

Die durchschnittliche Pension eines Europa-Beamten beträgt 5.509 Euro, das ist der Durchschnitt, also vom Pförtner bis zum Generaldirektor. Die Ausgaben allein für Pensionen dieser Beamten sind seit 1999 um 75% angestiegen. Heute stehen bereits Pensionszusagen fest, die den europäischen Steuerzahler mit 22,8 Milliarden Euro belasten werden - bei wohlgemerkt, wie gesagt, nur 21.000 Beamten!

Martin Bangemann

Bereits jetzt gibt es 7.500 ehemalige Euro-Beamte, wie z.B. Skandalnudel Bangemann. Die durchschnittliche Pension der Spitzenbeamten beträgt 10.500 Euro! Allein die Pensionsleistungen kommen heute auf 491,5 Millionen Euro jährlich. 2004 gab es eine Sonderregelung, daß die Beamten bereits mit 50 in Pension gehen konnten, während unsereiner bis 67 warten muss, bis er seine Mini-rente bekommt. Gehen sie in Pension, bekommen sie zunächst einmal 6 Monate ihr Gehalt weiter, dann für 5 Jahre 70%. Das alles sind keine Renten, sondern Pensionen, für die also bestenfalls symbolische Eigenleistungen eingezahlt werden. Na, man hats ja!

Aber nicht nur für den allseits unbeliebten Brüsseler Wasserkopf und seine Subventionen wird Geld zum Fenster hinaus geworfen.

Ein besonders interessantes Kapitel ist das Übergeben von Hunderten von Millionen von Euros an Firmen, die dies absolut nicht brauchen. Zum Beispiel trifft das zu auf die FIFA. Es handelt sich um eine der reichsten Handels-Firmen im ganzen Sportgeschäft. Was sie verkauft? Sportrechte! Die Rechte, die sie für die WM in Deutschland verkauft hat, darunter Fernsehrechte, Werberechte, Eintrittskarten usw. werden auf größenordnungsmäßig 3 Milliarden Schweizer Franken geschätzt, allein die Fernsehrechte kosteten 1,8 Milliarden Euro.

Nun, verehrter Leser, wenn Sie eine Firma aufmachen, die in Deutschland etwas verkauft, dann müssen Sie natürlich dafür Steuern zahlen. Nicht so die FIFA. Ihr wurde im Rahmen der deutschen Bewerbung für die WM 2006 im Jahre 1998 zugesagt, daß sie völlig steuerbefreit sein würde. Damit hat man nach „Wikipedia" auf etwa 250 Millionen Euro verzichtet.

In diesen 250 Millionen Euro aber noch keineswegs eingeschlossen die ganzen Polizeiaufgebote und sonstigen staatlichen Maßnahmen, um die WM zu organisieren und abzusichern. Auch das alles, was von jeder anderen Firma natürlich bezahlt werden müßte, wird der FIFA umsonst gegeben. Aber man hats ja, warum soll man dann nicht ein bißchen der FIFA abgeben, nicht wahr?

So könnte man noch seitenweise weitermachen. Von Milliarden, die monatlich an die christlichen Kirchen fliessen, von weiteren Milliarden, für die unbedingt riesige Truppentransporter gekauft werden mussten, von weiteren Milliarden, die in den Leipziger Flughafen flossen, um schnell überallhin auf der Welt Truppen fliegen zu können usw. usw. Es wird Geld verpulvert, daß es eine Art hat, während man uns gleichzeitig weismachen will, es würde gespart und es sei kein Geld vorhanden.


Dieser Artikel war in seiner ursprünglichen Form bereits im Jahr 2006 erschienen. Es ist wirklich auffallend, wie aktuell er ist, obwohl nur leicht aktualisiert, gerade jetzt, als allüberall Milliardenbeträge zur Rettung von Banken und Landesbanken übrig sind und mit vollen Händen ausgegeben werden.

Dienstag, 8. April 2008

Dossier Totale Kreislaufwirtschaft, Teil 5: Kryo-Recycling statt Müllverbrennung

Kreislaufwirtschaft und Kryo-Recycling statt Müllverbrennung

Von Karl Weiss

Die Müllverbrennung ist heute Deutschland- und Europaweit die Methode der Wahl, um die Mengen an Abfall zu verringern und um hohe Profite für Betreibergesellschaften solcher Anlagen zu erzielen. Dagegen steht das moderne Kryo-Recycling-Verfahren, das die Zukunftslösung in der Trennung von Abfallstoffen und damit zur Vorbereitung ihrer stofflichen Wiederverwendung darstellen dürfte.

Kraftwerk

Die Gefahren der Müllverbrenung liegen nicht nur in der völlig ungerechtfertigten Vernichtung hochwertiger Stoffe, die mit relativ geringem Aufwand zu neuen Wertstoffen umgewandelt werden könnten, sondern auch in den gefährlichen Stoffen, die an die Luft, in die Umwelt und in Restabfall-Deponien abgegeben werden.

Die Behauptung, die Verbrennung mit Energiegewinnung von z.B. wertvollen Kunststoffen sei eine „energetische Wiederverwendung“, ist eine lächerliche Schönrednerei. Es ist die Vernichtung eines hochwertigen Stoffes, in den die Gesellschaft eine Menge Arbeit und Energie gesteckt hat, um was zu gewinnen? Energie!

Nur kann diese Energie kinderleicht durch ein System von Sonnen-Paneelen in den Wüsten der Welt gewonnen werden, ohne deshalb andere Stoffe vernichten zu müssen. Siehe den ersten Teil des Dossiers Totale Kreislaufwirtschaft.

Synthesis Hochspannungsleitungen-Verbund

Die Kunststoffe werden nicht recycelt!

Allein die deutsche Müllverbrennung wird auf etwa 25 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr an vernichteten Werten geschätzt. Kann sich die Gesellschaft das leisten? Dazu kommt auch noch das unverschämte Täuschen der Menschen, die fein säuberlich ihre Kunststoffabfälle von anderem Müll trennen und die Plastikverpackungen in den Geschäften abgeben und dann erleben müssen: Ein wesentlicher Teil dieser Kunststoffe wird zusammen mit Restmüll in Müllverbrennungsanlagen verbrannt. Ein anderer Teil dient als teilweiser Kohleersatz in Hochöfen (wird also ebenfalls verbrannt), ein weiterer wird in Zement-Drehrohröfen verbrannt.

Der Anteil der wirklich wiederverwendeten Abfälle von Kunststoffen dagegen ist nach Expertenangaben, die nicht der Verbrennungslobby angehören, gering. Hierzu schreibt die Bürgerbewegung Total Recycling: „... beziffern namhafte Kunststoffchemiker die werkstoffliche Recyclingquote von Thermoplasten auf 10 - 12 % der Produktionsmenge (SCHWARZL, 1990; JOCHEN, 1998; PFAENDNER, 1998; Huckestein, 2000). Dabei macht die direkte Rückführung von Produktionsabfällen (Verschnitt- und Ausschussware), also das sog. In-House-Recycling innerhalb der Hersteller- oder Verarbeiterfirmen, den größten Teil aus.“

Das bedeutet nichts anderes, als dass über 90% der gebrauchten Kunststoffe, die in deutschen Haushalten in vorbildlicher Weise getrennt und zu den Sammelstellen gebracht werden und die gebrauchten Kunststoff-Verpackungen, die in die Tonnen des „Grünen Punkts“ wandern, anschliessend nicht recycelt, sondern verbrannt werden!

Dies ist ein Skandal absurden Ausmasses!

Globale Erwärmung

Müllverbrennung

Dazu kommt, wie man an verschiedenen Beispielen, wie Köln und Mühlheim gesehen hat: Müllverbrennungsanlagen sind Korruptionsmühlen! Kaum eine, bei der nicht ein Korruptionsfall aufgedeckt wurde oder vermutet, aber nicht untersucht wird.

Doch die Müllverbrennungsanlagen haben noch viele andere „Nebenwirkungen“.

Eine wichtige ist verursacht durch das Mischen von Kunststoffabfällen mit Restmüll: Das Kochsalz aus dem Restmüll verursacht zusammen mit den Kunststoffen bei den hohen Verbrennungstemperaturen das Entstehen von chlorierten Ringverbindungen wie chlorierte Benzole und Phenole und sogar chlorierte Biphenyle wie das berühmte Supergift Dioxin. Auch wenn nicht Dioxin entsteht, sind alle diese Verbindungen Atemgifte, wenn sie aus den Schornsteinen der Müllverbrennungsanlagen in der Form von an Feinstaub gebundenen Tröfchen in die Luft hinaus gelassen werden, oft auch krebserregend und speziell Allergien-Verursacher.

Auch entstehen Halon und FCKW-Verbindungen, die aus den Fabriken durch die Arbeitsschutzverordnung längst verbannt sind, aber der Allgemeinheit in der Nähe von Müllverbrennungsanlagen zugemutet werden (und nicht nur in der Nähe!).

Dazu kommen die Schwermetalle, die aus den Kunststoffen stammen können oder auch aus dem Restmüll. Während sie im Müll typischerweise als wasserunlösliche und nicht magenlösliche Salze vorliegen, werden sie durch die hohem Verbrennungstemperaturen aktiviert. Sie entweichen zum Teil aus den Schornsteinen in Form organischer Schwermetallverbindungen oder als flüchtige Salze.

Ein eigener Grund, alle Müllverbrennungsanlagen stillzulegen ist natürlich auch der Ausstoss von zusätzlichem CO2 – und dies, obwohl inzwischen alle wissen, dies ist der Grund für die globale Erwärmung, die inzwischen schon in eine Klimakatastrophe überzugehen beginnt.

Grönland-Erwärmung-Stand-1985

Grönland Erwärmung Stand 2002

Grönland Erwärmung Überblick - Kartenausschnitt

Doch damit nicht genug, die Halone und FCKWs schaffen auch eine neues Problem mit der Ozonschicht, die sich gerade zu erholen begann.

Aber es geht noch weiter: Eines der schwersten Probleme jeder Müllverbrennungsanlage sind die in den Elektrofiltern abgetrennten hochgiftigen Stäube und die anfallenden Schlacken. Aus einer Tonne Müll, der aus völlig harmlosem Hausmüll und aus ebenso inoffensiven Kunststoffabfällen besteht, entstehen in einer Müllverbrennungsanlage etwa 5 Tonnen verunreinigte Abluft und eine halbe Tonne giftiger Stäube und Schlacken.

Versucht man dann die Schlacken noch irgendeiner Verwertung zuzuführen, z.B. Tennisplatz-Kieselrot, so können beim Zerbrechen der Körnchen hochgiftige eingeschlossene Gase freigesetzt werden, die dann zu unerklärlichen Erkrankungen der Sportler führen.

Alle genannten Schwermetallverbindungen und chlorierten Kohlenwasserstoffe sind typische fettlösliche Giftstoffe, die – einmal in den Körper gelangt, z.B. durch Schlachtvieh, sich in den Fettzellen des Körpers anreichern und – selbst in kleinen Monatsmengen aufgenommen,nach Jahren eine ernste Gefährdung darstellen und zu scheinbar unerklärlichen Vergiftungen, z.B. bei Krankheiten, führen können.

Noch gefährlicher ist es, wenn solche Stoffe in Nervenzellen oder ins Immunsystem kommen. Sie können schwere Störungen auslösen, von AIDS-ähnlichen Symptomen bis hin zu Persönlichkeitsveränderungen. Sie können auch die Blut-Hirnschranke schädigen, so dass öllösliche Stoffe ins Gehirn gelangen können und das Verhalten von scheinbar Geisteskranken auslösen.

Für alle diese Effekte gibt es keine Mindestmengen, denn die Stoffe können sich über Jahre anreichern und dann gefährliche Konzentrationen erreichen. Die Beteuerungen der Betreiber, die Müllverbrennungsanlagen würden keine Giftstoffe oberhalb der erlaubten Grenzwerte ausstossen, sind daher Schall und Rauch (im wahrsten Sinne des Wortes).

Mit den abgeschiedenen Stäuben und den Schlacken schaffen die Müllverbrennungsanlagen ausserdem ein neues Sondermüllproblem, das es vorher gar nicht gab. Wertvolle abgedichtetet Lagerräume für Sondermüll müssen so mit völlig unnötigem und überflüssigem Sondermüll belegt werden und stehen nicht mehr für solche Sondermüllmengen zur Verfügung, die tatsächlich nicht zu vermeiden sind.

Schliesslich ist noch zu erwähnen: Die Müllverbrennngsanlagen erzeugen Salz-, Fluss- und Schwefelsäure, die – vom Regen aus der Luft geholt – als „Saurer Regen“ zum Waldsterben beitragen.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Der Feinstaub und Fein-Russ aus den Müllverbrennungsanlagen trägt generell zur Feinstaubproblematik bei, die speziell in deutschen Grosstädten bereits alarmierende Grössenordnung erreicht hat. Lungengängige Feinstäube und Feinrusse verursachen Lungenkrebs!

Generell bedenklich sind die aus fluorhaltige Kunststoffabfällen stammenden Fluor-Gehalte in den Abgasen (Flusssäure-Gas), Feinstäuben (verschieden Fluoride und organische Fluorsubstanzen) und wasserlöslichen Fluorsalzen (zusammen mit Regen).
Fluor kommt in der Natur praktisch nur als inoffensiver Flussspat vor. Alle anderen Fluorverbindungen sind potentiell der Gesundheit und den Lebewesen abträglich. Im Laufe von Jahren tonnenweise solche Stoffe in die Luft zu blasen ist unverantwortlich.

Eine Reihe von Schwermetallen, die in den Abgasen von Müllverbrennungsanlagen nachzuweisen sind, wie z.B. Kobalt, sind krebserregend. Auch bei solchen krebserregenden Substanzen, die sich im Körper anreichern können, gibt es generell keine verträglichen Höchstmengen.

Schmelzendes Eis

Nach Ansicht der „Bürgerbewegung Total Recycling“ sind Müllverbrennungsanlagen „absolut zweifelsfrei chaotische Großsyntheseanlagen von Giftstoffen mit Langzeitwirkung“.

Treffende Karikatur

Kryo-Recycling

Kreislaufwirtschaft

Das Kryo-Recycling ist die heute wohl am meisten fortgeschrittene Methode der Trennung von Abfällen zur Wiederverwertung, speziell der Kunststoff-Abfälle und Elektronik-Abfälle, aber auch in Mischung mit anderen Abfällen. Sie wurde von Prof. Dr. med Harry Rosin zusammen mit anderen Experten entwickelt. Prof Rosin ist jener Erfinder, der als erster auf die Gefahren der damals verwendeten Kühlgase für die Ozonschicht hingewiesen hat und den Öko-Kühlschrank entwickelte, der heute die Voraussetzung dafür ist, dass sich die Ozonschicht schon zu erholen beginnt.

Das Kryo-Recycling beruht auf der Methode des Abkühlens der „Abfälle“, was sie versprödet (ein seit vielen Jahrzehnten bekannter Effekt) und einer Feinvermahlung zugänglich macht (thermoplastische Kunststoffe sind bei Raumtemperatur nicht zu vermahlen, weil sie die Mahlwalzen zusetzen).

Das Mahlgut kann anschliessend durch verschiedene bereits bekannte Methoden in reine Aussgangsstoffe getrennt werden, was Voraussetzung für eine fast vollständige Wiederverwertung der vorher für Abfälle gehaltenen Stoffe ist.

Unter den Trennverfahren für das sich ergebende feine Pulver sind die nach der Dichte mit längst ausgereiften Verfahren die am meisten angewandten. Dazu kommt für Stoffe mit fast gleicher Dichte spektroskopische Trennverfahren. Man kann so praktisch alle Abfallstoffe und speziell die problematischen Kunststoff-Fraktion und Elektronic-Teil-Fraktion der Abfallstoffe in fast völlig reine Pulver der einzelnen Inhaltsstoffe trennen, was eine Wiederverwendung von fast allen von ihnen in bekannten Verfahren ermöglicht.

Für Kunststoffe gilt dabei: Man braucht für ihre Gewinnung aus Abfällen nur etwa 10% der Energie im Vergleich zu jener, die Kunststoffe neu herzustellen.

Beim Kryo-Recycling wird im Gegensatz zum bereits früher bekannten Cryo-Verfahren (mit C) nicht flüssiger Stickstoff zum Abkühlen verwendet, sondern ein Gasgemisch aus Propan, Ethan und Methan, das bei -160 Grad eine vorzügliche Aufbereitung zum Vermahlen garantiert. Dadurch wird der extrem hohe Energiebedarf zur Herstellung verflüssigten Stickstoffs vermieden und mit gemässigten Kosten eine vollständige Trennung der Komponenten von z.B. Kunststoffen, aber auch von Handys, Computern und anderen elektronischen Geräten ermöglicht, was die praktisch vollständige stoffliche Wiederverwertung garantiert. Im Vergleich zum Stickstoff-Verfahren belaufen sich die Kosten nur auf etwa ein Zehntel, weil das kalte Gas nicht verloren geht, wie beim Abkühlen mit flüssigen Stickstoff, sondern im geschlossenen Kreislauf geführt wird.

Prof . Rosin schreibt zu den Grundsätzen des Verfahrens:

„Wenn "Müll" nicht mehr Müll hieße, wer käme auf die Idee, teure Ware in Deponien zu vergraben oder schadstoffbildend zu verbrennen? Die Gefahren der Schadstoffbildung durch "Müll"-Verbrennung spitzten sich extrem zu, als sich ab etwa 1990 die ersten großen Abfallberge aus alten Computern anhäuften. Wohin damit ? Elektronikschrott - zusammen mit Alt-Kunststoffen und "Restmüll" - zu verbrennen, erzeugt eine der schlimmsten Giftküchen: Die Gehäuse waren/sind oft aus PVC und die Leiterplatinen mit Flammschutzmitteln imprägniert (bis zu 8 Gew.% Fluor oder Brom). Die Metalle, besonders Kupfer, wirken bei hohen Temperaturen als chemische Katalysatoren für Tausende neu entstehende Gifte, wie z.B. Vinylchlorid, Phosgen usw. - bis hin zu den Dioxinen vom Typ des "Seveso-Giftes" und den noch viel giftigeren Fluor- und Brom-Dioxinen!“

(siehe hier.)

Statt die wertvollen Plastikstoffe wirklich wiederzuverwerten, werden sie unter anderem auch (wiederum mit hohem Energieaufwand) zu flüssigen chemischen Rohstoffen gecrackt, aus denen dann (erneut mit hohem Aufwand) wieder Kunsststoffe hergestellt werden können – ein absurdes Verfahren.

Das Kryo-Recycling nutzt dagegen die hochwertige Struktur des Kunststoffes maximal aus. Oberflächen der Kunststoffteile, die durch Oxidation ein verändertes Verhalten aufweisen, können zudem praktisch vollständig von den inneren Teilen der Kunststoffe (60 – 80%) getrennt werden, die unmittelbar wie der eben neu hergestellte Kunststoff einsatzfähig sind, während die anoxidierten Oberflächen für weniger hochwertige Anwendungen zu Verfügung stehen.

Es wurde bereits nachgewiesen: Das Verfahren kann sowohl für thermoplastische Kunststoffe wie Polyethylen und Polypropylen angewandt werden, die aufgeschmolzen und so in neue Formen gespritzt werden können, als auch für elastomere und duroplaste Kunststoffe, wie Polyamide, Polyetylenterephthalat (PET), Kunstgummi usw. Oft kann man Duroplaste auch bei Raumtemperatur vermahlen. Sie können nach dem Mahlen mit speziellen Verfahren oberflächlich aktiviert werden, so dass sie erneut zum Formen des ursprünglichen Kunststoffes eingesetzt werden können.

Das Kryo-Recycling-Verfahren ist bis heute noch nicht grosstechnisch erprobt, weil heftigste politische Widerstände die Investitionen für eine solche Erprobung verhindert haben. Unsere heissgeliebten Politiker sehen ihre Möglichkeiten schwinden, mit „kleinen Nebeneinnahmen“ aus den Müllverbrennungsanlagen zu rechnen. Zudem sind sie in der Ideologie verhaftet, die Behandlung von Abfallstoffen müsse Profite für eine Firma erbringen.

In dieser Hinsicht aber ist die umwelt- und zukunftsfreundliche Wiederverwendung und Aufbereitung zur Wiederverwendung der Müllverbrennung klar unterlegen. Den (umsonst angelieferten) Müll zu verbrennen und den gewonnenen Strom (oder eventuell Fernwärme) in das Netz einzuspeisen ist für die Betreibergesellschaft ein gutes Geschäft, aber für die Menschen eine Katastrophe.

Hier zeigt sich ein weiteres Mal, wie der Kapitalismus nicht in der Lage ist, die Probleme der Menschheit zu lösen, weil seine Mechanismen die Interessen der Gemeinschaft nicht kennen, nur die Profitinteressen.


Veröffentlicht am 8. April 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Montag, 7. April 2008

Hartz-IV-Empfänger müssen im Dunkeln sitzen, kalt duschen und Wasser trinken

Das grenzt schon an leichte Formen von Folter

Von Karl Weiss

Hatte irgendeiner noch Zweifel an der sadistischen Veranlagung unserer Politiker von christlicher, „sozial“demokratischer, grüner und liberaler Provenienz, so kann er die nun getrost vergessen. Es geht bei der Gestaltung von Hartz IV anscheinend wirklich um sadistische Quälereien.

Hartz-Protest 02

Das sei übertrieben? Na, lesen Sie dies erst einmal.

Das Bundessozialgericht in Kassel muss nun in Bundesunsozialgericht umbenannt werden, denn es hat abgesegnet, was sich die die Arbeitsagenturen bzw. Arbeitsgemeinschaften (ARGE) als Quälereien für die Arbeitslosen ausgedacht haben. Eigentlich steht im Gesetz, es müssen neben der Miete auch die Nebenkosten ersetzt werden – und jeder weiss, was Nebenkosten sind: Sie umfassen zumindest Strom, Wasser, Heizung, Warmwasser (falls zentral), Gas (soweit vorhanden) und meist auch noch einiges andere.

Ein Teil dieser Nebenkosten kommt nicht in die jährliche Nebenkostenabrechnung, sondern wird vom Mieter direkt mit dem Versorgungsunternehmen abgerechnet, aber es bleiben doch Nebenkosten.

Hartz-Protest 01

Nun haben die ach wie so beliebten deutschen Politiker und ihre Helfershelfer in den Arbeitsagenturen und ARGEn dies einfach umdefiniert, denn sie wussten ja, wozu Hartz IV geschaffen wurde: Die Arbeitslosen sollen als abschreckendes Beispiel dienen, damit jene, die noch Arbeit haben, jede, aber auch jede Verschlechterung hinnehmen, die verspricht (wenn auch falsch), nicht auch in diese Lage zu kommen.

Dazu müssen die Arbeitslosen logischerweise höllisch gequält werden und das tut man.

Strom und Warmwasser keine Nebenkosten!

Man definierte: Strom und Warmwasser gehört nicht zu den Nebenkosten. Anders ausgedrückt: Der ALG-II-Empfänger bekommt diese Kosten nicht ersetzt. Entweder er bringt sie aus den 347 Euro auf oder er muss eben im Dunkeln sitzen und kalt duschen.

Das grenzt schon an leichte Formen von Folter.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Nun weiss man aber bereits zur Genüge: Jene 347 Euro reichen auch so schon hinten und vorne nicht für einen normalen Lebenswandel. Der Berliner SPD-Wirtschaftssenator Sarrazin hat uns ja den Gefallen getan, uns vorzurechenen, von was für einem Frass wir leben müssen, wenn wir arbeitslos sind. Von seiner Veröffentlichung, die nach hinten losging, haben wir speziell erfahren: Es sind keinerlei Getränke vorgesehen! Der Arbeitslose muss Wasser trinken!

<< Wo kämen wir denn da hin, wenn unnütze Glieder der Gemeinschaft auch noch Getränke bekämen! Sollen sie Wasser trinken und uns noch auf den Knien danken, dass sie das überhaupt bekommen! Man stelle sich vor: Ein Arbeitsloser mit einem Glas Bier! Das wäre doch unerhört! Oder gar einen Fruchtsaft? Kommt nicht in Frage! Da könnte er ja länger leben als vorgesehen und uns weiter auf der Tasche liegen! Gesunde Ernährung? Für die nicht! Sollen sie so schnell wie möglich verrecken! >>

Danke, Herr Sarrazin, dass Sie uns so eindrücklich klar gemacht haben, was sie von den Millionen Arbeitslosen halten! Sonst hätte die geringfügige Möglichkeit bestanden, wir hätten vielleicht noch einen Rest von Vertrauen für Ihre SPD und/oder die anderen Parteien aufgebracht, die Hartz IV beschlossen haben und umsetzen: Die CDU/CSU, die Grünen und die FDP.

Und nicht zu vergessen, die dahinter stehen: Deren Auftraggeber in den Konzern- und Bank-Zentralen.

So ist nun klar geworden, was vorher mehr vermutet wurde:

Die Arbeitslosen müssen im Dunkeln sitzen, kalt duschen und Wasser trinken!


Veröffentlicht am 7. April 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel


Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

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