Es könnten 12 Milliarden Menschen ernährt werden
Von Elmar Getto
„Die ärmsten Länder müssen die höchsten Zinsen zahlen - das ist nicht gerecht", so äußerte sich der Österreicher Fischler, ehemaliger EU-Agrar-Kommissar, in Richtung Weltbank bei der Premiere des Dokumentarfilmes „We feed the world" von Erwin Wagenhofer über die Lebensmittelkonzerne. Der ehemalige Schweizer Parlamentarier Jean Ziegler, heute UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, brachte es beim gleichen Ereignis auf den Punkt: „Der Hunger ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!"
Im Film selbst sieht man Zieglers Aussage: „Wir sind in der Lage, 12 Milliarden Menschen zu ernähren. Daher ist jedes Kind, das heute an Hunger sterben muß, das Opfer eines Mordes."
Er macht die Lebensmittelkonzerne verantwortlich: „Sie operieren rein profitorientiert."
Ziegler, seit fünf Jahren in den Diensten der UN, unterstützt Fischler in seiner Aussage, daß der Kern des Hungerproblems die Verschuldung der Entwicklungsländer ist und die hohen Zinsen, die sie zahlen müssen. Er rief alle Bürger der demokratischen Zivilgesellschaft auf, ihre Stimme für ein Umdenken in Politik und Wirtschaft zu erheben. Nur „planetarisch" könne man „wirklich etwas unternehmen gegen die Kosmokraten, jene kalten Monster in den Megakonzernen."
Allerdings ist es nicht einfach so, daß die Zinsen um so höher sind, je ärmer ein Land. Vielmehr werden von allen Entwicklungsländern die jeweils höchsten Zinsen abverlangt, die das Land gerade noch ertragen kann, ohne völlig zusammenzubrechen (wobei da auch schon mal übertrieben wird, siehe Argentinien).
Im Moment z. B. muß die höchsten Zinsen Brasilien zahlen, mit fast genau 20 % (über 15% Realzins über der Inflationsrate), weil dort am meisten zu holen ist.
[Anmerkung vom Januar 2007: Heute sind die Zinsen in Brasilien niedriger, bei 13% - immer noch 11% über der Inflationsrate - und immer noch die höchsten aller relevanten Länder auf der Welt.]
Tatsächlich wohnen wir im Moment dem bei weitem größten Völkermord aller Zeiten bei.
Tausende sterben täglich, Zehntausende von Kinder im Monat, Millionen pro Jahr, Opfer von Unter- und Falschernährung aus Armut, von Krankheiten, die längst ausgerottet sein könnten, während die Großkonzerne, -banken und -spekulanten ihre Zinsen bei den Entwicklungsländern eintreiben. Dieser Massenmord übertrifft selbst die Taten der deutschen Faschisten bei weitem.
Beeindruckend, wie manche Politiker, wenn sie nicht mehr in der Verantwortung stehen, plötzlich durchscheinen lassen, daß sie die ganze Zeit wußten, an was sie da beteiligt waren. Der ehemalige EU-Agrar-Kommissar Fischler war zu aktiven Zeiten einer der Hauptverantwortlichen für diese Verbrechen, denn die Abschottung der EU gegen Agrarimporte ist einer der wichtigsten Gründe, warum diese Länder keinerlei Chance zu einer Erholung haben, selbst wenn sie ausnahmsweise mal eine Regierung hätten, die versuchen würde, etwas für das Volk zu tun.
Die deutschen Wähler haben gerade eben ihre Stimme erhoben für ein Umdenken in Politik und Wirtschaft, nur wollen weder die Angehörigen der deutschen Politiker-Kaste noch die Mainstream-Medien verstehen, was sie ausgedrückt haben. [Anmerkung vom Januar 2007: Das bezieht sich auf die Ergebnisse der Bundestagswahl Ende 2005: Die niedrigste Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen seit Bestehen der Bundesrepublik.]
Die tun so, als hätten sie den Auftrag bekommen, so weiterzumachen wie bisher.
Der UN-Beauftragte legte seinen Finger in die Wunde, wenn er die gnadenlosen Super-Manager als Haupttäter ausmacht und sagt, daß die Konzerne nur auf Profit orientiert sind. Aber er vergißt hinzuzufügen, daß sie gar nicht anders können im Kapitalismus.
Wer die Bedingung ausklammert, daß wir im Kapitalismus leben, mag noch so recht haben, bleibt aber im Kern unredlich. Die Konsequenz aus diesen Erkenntnissen ist der Kampf für den echten Sozialismus.
Dieser Artikel von Elmar Getto erschien ursprünglich am 6. Oktober 2005 in "Rbi-aktuell", hier vom Autor mit Anmerkungen versehen. Auch in diesem Fall wieder überraschend die Aktualität des Artikels.
Utopismus
Eine anderer interessanter Aspekt wäre zu fragen, ob es evolutionär und ökologisch Sinn macht, 12 Milliarden Menschen auf der Erde leben zu lassen. Vor allem, wenn die Landwirtschaft in der nächsten Zukunft nicht mehr so ertragreich produzieren wird. Aber eben, sind wir nicht alle Gutmenschen, die die biologische Perspektive der Menschen nicht sehen wollen?
Einfache Begründung
Das Problem der Menschheit ist nicht das schnelle Wachstum, denn das Wachstum der Agrarproduktion hat dies schon weit übertroffen, wie der Artikel darlegt. Das Problem der Menschheit ist der Kapitalismus, der verhindert, dass alle von diese Wachstum etwas abbekommen.
Wird es im Sozialismus den Menschen besser gehen, werden die Geburtenraten automatisch sinken, so wie sie überall dort gesunken sind, wo es den Menschen besser ging.
Es wird also niemals 12 Milliarden Menschen auf der Erde geben. Wir müssen aber anfangen, für den echten Sozialismus zu kämpfen.