Freitag, 1. Februar 2008

1. Februar: Fleischpreis-Explosion in Europa?

Einfuhr billigen brasilianischen Rindfleisches gestoppt

Von Karl Weiss

Ab 1. Februar darf kein Rindfleisch aus Brasilien mehr in die EU. Das hat der zuständige Gesundheitskommissar der EU, Markos Kyprianou, am Tag vor dem Ablauf der Genehmigung, dem 30. Januar 2008, bekanntgegeben. Die Fleischexporte Brasiliens in die EU haben 2007 einen Umfang von 4,4 Milliarden US-Dollar gehabt, das ist ein ins Gewicht fallender Teil aller Fleischimporte. Es ist ein steiler Anstieg der Fleischpreise zu erwarten.

Brasilien ist der größte Fleischexporteur der Welt mit einem Anteil von 40% an allen Fleischexporten, ebenso der größte Exporteur von Rindfleisch und der größte von Hühnerfleisch. Der Anteil der EU an Brasiliens Fleischexporten ist bedeutend, aber keineswegs der größte. Noch mehr wird nach China, nach Russland und in Länder des Nahen und Mittleren Ostens exportiert

Fleischland Brasilien

Brasilianisches Rindfleisch hat die Preise in der EU niedrig gehalten, was dem Verbraucher zugute kam. Die Produzenten dagegen, das sind vor allem die Industrie-Grossbauern und die Lebensmittel-Industrie, fanden das gar nicht gut. Brasilien-Fleisch verdarb ihnen Maximalprofite. Sie haben daher ständig den Druck auf die EU-Kommission verstärkt, das Brasilianische Rindfleisch unter irgendeinem Vorwand aus der EU herauszuhalten. Besonders zeichnete sich dabei die irische Regierung aus, die eng mit Rinderzüchtern auf der grünen Insel liiert ist

Zuerst versuchte die Kommission etwas über die „Mad Cow“, den Rinderwahnsinn, auch BSE genannt. Es stellte sich aber bald heraus, andere Länder der EU waren da viel gefährlicher als Brasilien, wo es seit Jahren keinen Fall von BSE mehr gegeben hat. Während es in Europa üblich ist, Rinder mit gemahlenen Rindern zu füttern, was den BSE-Erreger weiterverbreiten kann, ist es in Brasilien für Alle ein Horror, überhaupt daran zu denken, man könne den Pflanzenfressern Rind gemahlene Artgenossen zu Fressen gegeben

Dann ging man auf die Sklavenarbeit. Es werden auf Farmen (Fazendas), die auch Rinder zum Schlachten verkaufen, Sklaven gehalten und man drohte, Brasilianisches Rindfleisch zu stoppen, wenn die Brasilianische Regierung das nicht unterbindet.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Diese sicherte daraufhin zu, die Fazendas, auf denen Rinder zum Export gehalten werden zu überprüfen und nur solche in eine Positiv-Liste aufzunehmen, die als sklavenfrei gelten. Man ging daran, zusammen mit den europäischen Behörden eine Positiv-Liste aufzustellen.

Währenddessen fanden die europäischen Behörden einen neuen Vorwand: Die Maul – und Klauenseuche. Vor zwei Jahren hatte es Fälle im Südwesten Brasiliens gegeben und eine Anzahl Rinder mussten geschlachtet und verbrannt werden.

Die EU-Kommission schickte dann eine Delegation nach Brasilien, die Fazendas und Schlacht- und Kühlhäuser inspizieren sollten, um die Gefahr einzuschätzen, ob aus Brasilien diese Rinderseuche eingeschleppt werden könnte. Was diese Kommission fand, ist mangelnde Rastreabilität der Brasil-Rinder. Darunter ist zu verstehen, nicht alle Rinder im Kühlhaus können lückenlos auf die Schlachthöfe und alle Fazendas zurückverfolgt werden, wo sie je gelebt haben. Dies sei aber notwendig, um auszuschliessen, dass sie eventuell auf einer Fazenda waren, die Maul- und Klauenseuche hatte.

In Rekordzeit hat nun die Brasilianische Regierung im Januar eine Positiv-Liste mit etwa 2700 Fazendas (von insgesamt etwa 10 000, die vorher exportierten) erstellt und nach Europa geschickt, die alle Kriterien der EU erfüllen sollen. Da eine Ultimatum bis Ende Januar gestellt wurde, hat man die Liste offensichtlich erstellt, ohne alle Fazendas zu inspizieren. Das nun wieder, was durch die extrem kurze Zeit des Ultimatums verursacht war, nahm die EU-Kommission zum Vorwand, um die Liste Brasiliens nicht zu akzeptieren und zugleich das generelle Verbot von Brasilianischem Rindfleisch zu erklären.

Ein ehemaliger Brasilianischer Agrarminister und heutige Chef des Exportverbandes Platini de Morais kommentierte dies mit den Worten: „Ich halte es lediglich für absurd, dass man das absolute Verbot von Rindfleisch aus den Staaten São Paulo, Paraná und Mato Grosso do Sul aufrecht erhielt, während in der gleichen Entscheidung englisches Rindfleisch freigegeben wird, wo die letzten Fälle von Maul- und Klauenseuche auftraten.“ Nach seiner Ansicht „macht dies deutlich, die Europäische Union legt zwei verschiedene Masse an, eins für die Vettern und eins für die Armen.“

Tatsache ist aber auch, die Liste der Brasilianischen Regierung war keineswegs überprüft. Ob sie überhaupt unter irgendwelchen Kriterien angelegt wurde, ist zweifelhaft.

Dagegen hat Radraig Walsh, der Chef des irischen Produzentenverbandes, die Entscheidung begrüsst. Die Zahl der autorisierten brasilianischen Farmen müsse limitiert werden. Nach dem Bericht der Delegation, so sagte er, dürften höchstens 300 brasilianische Fazendas die Erlaubnis erhalten, nach Europa zu exportieren.

300 Fazendas könnten nicht einmal 5% der bisher exportierten Menge erzeugen. Laut Walsh sei es aber sowieso besser, brasilianisches Fleich generell aus der EU zu halten.

Die EU-Kommission hat zugesagt, Inspektoren nach Brasilien zu schicken, die nach und nach bestimmte Fazendas besuchen und einige zur Export autorisieren können.

Bis auf diese Weise ins Gewicht fallende Mengen Brasilianischen Rindfleisches in die EU kommen könnten, würde es Jahre dauern.

Da zuviel Rindfleisch sowieso ungesund ist, kann die europäische Bevölkerung sich angesichts der nun mit Sicherheit steil steigenden Preise gleich an eine gesündere Ernährung gewöhnen.


Veröffentlicht am1. Februar 2008 in der Berliner Umschau


Originalartikel

Mittwoch, 30. Januar 2008

Dossier Totale Kreislaufwirtschaft, Teil 4

Teil 4: Widerlegen von Gegenargumenten

Von Karl Weiss

Auf den zweiten Teil des ‚Dossiers Totale Kreislaufwirtschaft‘ mit dem Titel „Dieses Irrenhaus könnte ein Paradies sein – Den Widerstand gegen den Kapitalismus organisieren“ kam ein Kommentar von ‚Köppnick‘ , der die wesentlichen Gegenargumente der Verfechter des bestehenden kapitalistischen Systems und des hemmungslosen Raubbaus bringt. Sie seien hier widerlegt.

Hier der Kommentar:

Köppnick - 14. Jan, 18:46

Die verschiedenen Rohstoffe und Abprodukte müssen jeder für sich bewertet werden. Am wenigstens problematisch ist das Verschwinden von Kohle, Erdöl und Erdgas für die weitere Existenz der Menschheit. Kohlenstoff und Wasserstoff stehen praktisch unbegrenzt in Form von Kohlendioxid und Wasser zur Verfügung. Die Verfahren zur Synthese von Kohlenwasserstoffen aus ihnen sind technisch einfach.

Theoretisch muss uns nicht einmal vor der Klimakatastrophe bange sein, denn es gibt technische Verfahren, um binnen weniger Jahrzehnte einen großen Teil des Kohlendioxids aus der Luft zu filtern. Was fehlt, ist der politische Wille und das zur Verfügung Stellen von ausreichend Geld.

Wenig problematisch sehe ich die Verringerung der Verfügbarkeit einiger chemischer Elemente. Die für das Leben notwendigen Stoffe (Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Eisen, ...) sind in ausreichender Menge vorhanden. Die in der Industrie benötigten kann man mehr oder weniger alle substituieren oder durch andere Techniken überflüssig machen.

Problematisch hingegen sind die in die Umwelt entlassenen Kunststoffe und ihre Verbrennungsprodukte, weil ihre Wirkung auf Lebewesen völlig unbekannt sind und aufgrund der schieren Vielzahl an Stoffen auch niemals aufgeklärt werden können.

Am problematischsten sind die radioaktiven Abprodukte zu bewerten. Während bei Kunststoffen wenigstens die Hoffnung besteht, dass in den folgenden tausenden von Jahren Sonne und Salzwasser viele dieser chemischen Verbindungen zerstören werden, gibt es keinen Mechanismus, der die Halbwertszeit radioaktiver Substanzen verringert. Bei einzelnen dieser Substanzen geht es nicht um Jahrhunderte oder Jahrtausende, sondern um Jahrmillionen.

Ich bin aber nicht pessimistisch, was unsere Fähigkeiten anbelangt, die anstehenden Probleme zu lösen. Es ist ja nicht nur so, dass unsere Probleme heute größer sind als früher, sondern im gleichen Maß sind auch unser Wissen und unsere Fähigkeiten gewachsen.

Und was den Kapitalismus betrifft: Ich hätte auch gern etwas Besseres, aber ich sehe derzeit keine funktionierende Alternative. Die wenigen Staaten auf der Welt, in denen etwas anderes probiert wird, sind technologisch weniger fortgeschritten und vielfach demokratisch nicht besser als das, was wir in den entwickelten kapitalistischen Staaten haben. Es ist sicher richtig, dass ein großer Teil der derzeitigen Probleme auf die Entwicklung des Kapitalismus zurückzuführen sind, aber die besten Möglichkeiten zur Lösung der Probleme gibt es auch nur dort.


Und hier meine Antwort:

Immerhin bemerkenswert, Köppnick: Sie sprechen sich nicht mit einem Wort gegen den Raubbau an den Rohstoffen der Erde aus. Mit anderen Worten: Sie verteidigen die irrwitzige Wegwerf-Ideologie, alles zu benutzen und dann als Abfall anzusehen, auf Halden zu befördern oder zu verbrennen. Irgendein vernünftiges Argument dafür bringen Sie allerdings nicht. Das einzige Argument, das Sie haben: Nach dem Ende aller dieser Rohstoffe werde es technische Möglichkeiten geben, diese Stoffe künstlich herzustellen oder sie gleichwertig zu ersetzen.

Tatsächlich ist dies so. Der menschliche Erfindergeist hat noch fast jede Herausforderung früher oder später gemeistert.

Allerdings müssen Sie in ihrem Kommentar indirekt selbst zugeben: Hier im Kapitalismus werden die bekannten Methoden nicht verwandt, ausser sie können Profite für einen Konzern erbringen. An dem von Ihnen gewählten Beispiel mit der Filterung des Kohlendioxids wird dies ja sehr deutlich. Obwohl eine Klimakatastrophe droht, die auf Dauer die Existenz der Menschheit gefährden würde, wie wir sie kennen, werden die bekannten Methoden, sie zu verhindern, nicht angewandt.

Insofern ist Ihre Aussage, wir würden schon alle Probleme lösen (und können daher getrost weiter raubbauen), mit nichts Faktischem untermauert.

Tatsächlich werden wir die Fähigkeiten haben, alle diese Probleme zu lösen, aber solange der Kapitalismus herrscht, werden sie trotzdem nicht gelöst - ausser breite Volksbewegungen erzwingen es.

Und dies einfach, weil hier allein die Besitzer und Manager der Gross-Konzerne und –Banken das Sagen haben und die tun nur, was den Profiten nützt. Die Menschheit, die kommenden Generationen, sind denen völlig egal. Darum nenne ich jene manchmal die Monster in den Vorstandsetagen.

Die Haltung: „Es wird schon irgendwie gelöst werden“ erinnert an die Aussage einer Romanfigur in Gabriel Garcias Marquez „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“:
„...wenn das Holz einmal zu Ende ist, gibt es längst Schiffe, die mit Erdöl fahren”.

Man nennt das üblicherweise ökologische Naivität.

Da gibt es auch eben noch ein anderes Problem: Die alternativen Stoffe und Methoden, die nach dem Verbrauch von bestimmten Rohstoffen deren Aufgabe übernehmen können, sind in der Regel weit aufwendiger, z.B. fünf Mal, zehn Mal, hundert Mal oder tausend Mal aufwendiger in der Herstellung oder im Abbau.

Was heisst das konkret? Die gesamten Werte, die in einem gegebenen Jahr (oder Monat) geschaffen werden, entsprechen in ihrem wirklichen Wert der Menge an Arbeit, die alle arbeitenden Menschen aufgebracht haben oder in anderen Worten, dem gerechten Lohn den sie dafür beanspruchen können und brauchen. Unser heutiger Lebensstil kann deshalb zum Teil recht aufwendig sein (man sehe sich nur die Zahl der Handys auf der Welt an, die fast alle nach Gebrauch weggeworfen werden), weil wir für fast Alles, was wir brauchen, die Rohstoffe überreich zur Verfügung haben. Werden wir einmal eine wesentliche Zahl von ihnen durch weit aufwendigere Verfahren ersetzen müssen, wird die Zahl aller geleisteten Arbeitsstunden (bzw. Ihr Wert) für weit weniger an benötigten oder wünscheswerten Gütern reichen.

Kurz: Der erreichte durchschnittliche Lebensstandard der Menschheit wird sich nicht halten lassen. Erst wenn man in Jahrhunderten genügend neue Werte angesammelt hat, wird man wieder auf ein von uns heute als normal angesehenes Lebensniveau kommen.

Das gilt auch, wenn wir dann bereits den Sozialismus haben. Wenn nicht, wird es sowieso keine Menschheit mehr geben, wie wir sie kennen. Im Sozialismus wird es selbstverständlich keine unfreiwillig Arbeitslosen geben und die Schaffenskraft Aller wird genutzt werden können zum Wohl der Menschheit. Damit wird zwar das genannte Problem verringert, aber die Tendenz bleibt eben trotzdem bestehen.

Am Schluss Ihres Kommentars durfte natürlich Ihre Verteidigung des Unterdrückungssystems Kapitalismus nicht fehlen. Wie üblich, versichern Sie, Sie hätten auch gern Besseres, aber das gäbe es eben nicht. Nur: Das wäre das Ende der Menschheit, wie wir sie kennen.

Bereits heute produziert der Kapitalismus über 3 Millionen tote Kinder pro Jahr als Folge des Elends (die tatsächliche jährliche Zahl von toten Kindern, die indirekt mit der Armut in Verbindung stehen, ist sogar 10 Millionen). Tendenz: stark steigend. Der Kapitalismus kann heute nicht ein einziges der Probleme der Menschheit mehr lösen.
  • Kohlendioxid vermindern, Klimakatastrophe verhindern und Überleben der Spezies Mensch sichern? Fehlanzeige!
  • Atomare Abrüstung? Im Gegenteil!
  • Friedliches Zusammenleben? Nein, mehr und mehr Kriege!
  • Soziale Errungenschaften ausbauen? I wo, abbauen, eliminieren!
  • Bürgerliche Rechte sichern? Stattdessen Überwachungsstaat, Folter, Militärtribunale!
  • Hungerkatastrophen und Flüchtlings-Desaster eliminieren? Keine Rede davon! Mehr und mehr rutschen in absolutes Elend, mehr und mehr werden vertrieben!
  • Agrarsubventionen streichen, um Entwicklungsländern eine Chance zu geben? Nein, nicht daran zu denken!
  • Kein Abbrennen und Abholzen der Regenwälder und anderer Wälder mehr? Pustekuchen, jedes Jahr wachsen die Flächen der zerstörten „Lungen der Erde“.
  • Weltfriedenspolitik? Fehlanzeige, immer aggressivere Konfrontationen!
Aber zum Glück wird genauso geschichtlich gesetzmässig, wie nach der Urgemeinschaft die Sklavenhaltergesellschaft kam, wie nach der Sklavenhaltergesellschaft der Feudalismus kam und nach dem Feudalismus der Kapitalismus kam, nach dem Kapitalismus der Sozialismus kommen, wenn er dies auch nicht automatisch tut, sondern wir aufgerufen sind, diese Revolution zu machen.

Karl Marx

Ihre Hinweise, dass die ersten Versuche mit dem Sozialismus nicht von Dauer waren, sind richtig, aber so ist das mit allen grundlegenden Neuerungen: Die Idee kann noch so gut sein, erst nach einer Reihe von Versuchen gelingt es vollständig.

Das war nicht anderes, als der Mensch begann, Flugapparate zu bauen: Die ersten stürzten alle ab (was aber auch immer bedeutet, sie flogen vorher). Heute ist der Luftraum schon so voll, dass manchmal schon Flugzeuge in der Luft zusammenstossen.


Veröffentlicht am 30. Januar 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel


Hier geht es zu Teil 1, zu Teil 2, zu Teil 3 und zu Teil 5 des Dossiers 'Totale Kreislaufwirtschaft'.

Dienstag, 29. Januar 2008

Exxon-Mobil gibt auf in Lateinamerika

Revolutionäre Gärung in Mittel- und Südamerika

Von Karl Weiss

Die immer deutlicher werdende revolutionäre Gärung in vielen Ländern Lateinamerikas hat anscheinend ein neues Opfer gefordert. Die Exxon-Mobil, größter Ölkonzern der Welt, will sich vollständig aus Lateinamerika zurück ziehen und die dortigen Besitze verkaufen. Der Exxon-Konzern reagiert damit auf verschiedene Verstaatlichungsaktionen und Abgabenerhöhungen an Staaten der Region. Kandidat für den Kauf des ganzen Pakets ist die halbstaatliche brasilianische Petrobras.

Exxon-Mobil ist bezüglich des Treibstoff-Marktes Marktführer in der Region. Allein in Brasilien verwaltet Exxon heute 1.800 Tankstellen sowie 43 Versorgungsterminals, hier noch unter dem Namen Esso. Neben Tankstellen und Versorgungsterminals hat Exxon-Mobil auch Raffinerien bzw. Beteiligungen an Raffinerien sowie Ölquellen bzw. Beteiligung an Ölquellen in Lateinamerika.

Sowohl in Venezuela als auch in Bolivien hat es letztlich Verstaatlichungen gegeben, die Infrastruktur-Anlagen der Erdöl- und Erdgasförderung betrafen. Auch in Ekuador gibt es jetzt solche Pläne. Soweit nicht verstaatlicht wurde, wurden Beteiligungen der jeweiligen staatlichen Öl-Unternehmen erzwungen und teilweise auch drastisch die Abgaben für die Förderlizenzen erhöht.

Mit anderen Worten: Mehr und mehr Länder in Mittel- und Südamerika wollen auch selbst beteiligt sein an dem Reichtum, der aus ihren Bodenschätzen fließt, nicht nur als Basis für die Profite von internationalen Öl-Konzernen dienen.

Ein klassisches Beispiel ist Venezuela, das lateinamerikanische Land mit der höchsten Erdölproduktion und den größten Ölreserven: Obwohl man schon seit langem einer der größten Erdölexporteure ist (Platz 4 oder 5, je nach Quelle), sah die Venezuelanische Bevölkerung absolut nichts von diesem Reichtum. Venezuela blieb eines der Armenhäuser Lateinamerikas – und das will dort schon etwas heißen.

Das Gross der Gewinne ging in die Taschen der Erdöl-Multis, ein kleinerer Teil ging an die nationale Oligarchie des Landes, einige tausend Familien, die seit den Zeiten der Unabhängigkeit des Landes dem Volk im Nacken sitzen und in extremem Reichtum und Luxus schwelgen, den sie vor allem aus den Staatskassen abzweigen. Diese Oligarchie ist traditionell eng mit den Vereinigten Staaten verbunden und stellte das Faustpfand des US-Imperalismus im Land dar.

Mit Präsident Chaves gibt es nun einzelne geringfügige Verbesserungen für das Volk, nachdem Venezuela jetzt einen etwas grösseren Anteil am Kuchen der Erdölgelder hat.

Brasilien war mit seiner halbstaatlichen Erdölgesllschaft Petrobras (51Prozent liegen beim Staat, der Rest in weit gestreuten Aktien, eines der größten Aktienvermögen Lateinamerikas) im Jahr 2006 die Öl-Autarkie feiern können, d.h. man produzierte eben so viel Erdöl wie man verbrauchte.

Logo Petrobras

Nachdem US-Experten es der brasilianischen Regierung vor einigen Jahrzehnten schriftlich gegeben hatten, es gebe kein Erdöl auf brasilianischem Boden, hat man trotzdem im Meer vor der Küste gesucht und traf auf nicht unerhebliche Reserven, die allerdings aus Tiefen von über Tausend Meter heraufgeholt werden müssen und unter Wasserschichten von Tausend und mehr Metern liegen. Ebenso ist dieses Erdöl eine mindere Qualität, ein sogenanntes „schweres“ Erdöl.

Ende letzten Jahres hat die Petrobras nun bekanntgegeben, im Meer vor der Küste der Bucht von Santos in noch größeren Tiefen und in noch tieferen Wassern ein erhebliches Feld von Erdöl und Erdgas gefunden zu haben, das die Reserven des bevölkerungsreichsten Landes Südamerikas um etwa 50 Prozent erhöht. Zudem ist dieses Erdöl von besserer Qualität. Damit wird (in etwa 7 Jahren) Brasilien unter die zehn oder elf größten Erdölförderländer (in etwa gleichauf mit Nigeria) vorstoßen und beginnen können, ins Gewicht fallende Mengen des „Schwarzen Goldes“ zu exportieren.

So ist die Petrobras zusammen mit der staatlichen venezuelanischen Ölfirma PdVSA natürlicher Kandidat, die Tankstellen, Anlagen und Liegenschaften der Exxon-Mobil zu kaufen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass Exxon-Mobil nicht alles als Paket verkauft, sondern Ihre lateinamerikanischen Werte in kleineren Stücken veräußert.

Erhielte Petrobras den Zuschlag, begänne der einst verschwindend kleine Konzern in die Reihe der „Global Players“ vorzustoßen. Zwar wäre er auch dann noch nicht mit den Riesen-Multis der Ölbranche zu vergleichen (Exxon-Mobil, Chevron-Texaco, Shell, BP, Total), die alle zu den größten Unternehmen der Welt gehören, träte aber in die Konkurrenz mit den etwas kleineren Öl-Multis.

Die Exxon-Mobil gab unterdessen bekannt, sie werde ihre Aktivitäten in der Öl-Exploration und Förderung außerhalb der USA und Kanadas auf Afrika und Asien konzentrieren. Sie sei im Moment in wichtige Projekte in Azerbaijan, Norwegen, Kanada, Malaysia und in Ländern Afrikas involviert.


Veröffentlicht am 28. Januar 2008 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel

Montag, 28. Januar 2008

Besiegte Krankheiten kehren zurück - Gelbfieber in Brasilien

Liebe in den Zeiten des Gelbfiebers

Von Karl Weiss

Einer der wichtigen Romane des großen lateinamerikanischen Dichters und Schriftstellers Gabriel Garcia Marques ist „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“. Dies Werk des kolumbianischen Nobelpreisträgers, sicherlich eine der schönsten Liebesgeschichten der Literatur, erschien 1985 und blieb für lange Zeit in vielen Beststellerlisten.

Letztes Jahr kam die Geschichte als Film heraus, unter Regie von Mike Newell. Der Start des Films in Deutschland ist für den 21. Februar 2008 vorgesehen. Wer Näheres zum Film wissen will, hier ist der Link.

Die Cholera, eine Krankheit, die zu Zeiten des Romans, Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, noch eine wichtige Rolle spielte, ist heute nur noch in wenigen Fällen eine wirkliche Gefahr. Das Cholera-Bakterium kann mit Antibiotika bekämpft werden. Das Gelbfieber dagegen, eine Krankheit, die von einem Virus übertragen wird, ist unheilbar und in 70% der Fälle tödlich. Das einzige Mittel dagegen ist die Impfung. Gleichzeitig ist diese Impfung eine der risikoreichsten von allen.

In Marques Roman erscheint die Cholera im Hintergrund, immer als dunkle Bedrohung. So ähnlich fühlt man sich heute in Brasilien, wenn man liebt, wie der Berichterstatter. Das Gelbfieber steht drohend am Horizont, so wird die Liebe um so bedeutender. „Carpe diem“.

Brasilien (topographisch)

Das Gelbfieber hat eine sogenannte wilde Form, die von einer Mücke mit Namen Haemagogus übertragen wird. Sie betrifft hauptsächlich wilde Tiere und nur in Ausnahmefällen Menschen, die sich in wilden, entlegene Gegenden aufhalten. Diese Form ist der Grund, warum allen Reisenden ins Amazonasgebiet die Impfung empfohlen wird.

So gibt es in Brasilien denn auch jedes Jahr in solchen Gegenden, fern jeder Zivilisation, Fälle von Infektionen und Toten durch Gelbfieber.

Die andere Form der Krankheit aber, das „städtische“ Gelbfieber, kann sich aus dieser Wildform entwickeln. Dieses Gelbfieber wird von der Mücke Aedes aegypti übertragen, dem Überträger des Denge-Fiebers - ein guter Bekannter fast aller Brasilianer. In diesem Moment, als diese Zeilen geschrieben werden, summt eine Mücke dieser Art um den Berichterstatter. Im Gegensatz zu deutschen Mücken sind die Dinger unheimlich schwer zu erschlagen.

Moskito Aedes aegypti

Es sind Mücken, etwas kleiner als unsere Deutschen, deren Beine schwarz-weiss gestreift sind – daher leicht zu erkennen.

Nun hat sich, zum ersten Mal in Brasilien seit den Zeiten des 2. Weltkriegs, ein solcher Stamm des Gelbfieber-Virus entwickelt, der von der Aedes-Mücke übertragen wird.

Der erste städtische Gelbfieber-Tote wurde in Brasiliens Hauptstadt Brasilia Anfang Januar registriert. Bis heute (23.1.08) sind es bereits 9 bestätigte Todesfälle durch Gelbfieber. Weitere 14 verdächtige Fälle sind in Untersuchung. Drei Personen haben sich bereits von der Erkrankung erholt oder sind auf dem Wege der Besserung.

Der erste Ausbruch scheint im ländlichen Gebiet des Bundestaates Goiás stattgefunden zu haben, das ist jener ländliche Staat im Landesinneren, der die Hauptstadt Brasilia umgibt. Der erste Todesfall war ein Tourist aus Brasilia, der sich in einem geschützten Erholungsgebiet von Goiás aufgehalten hatte und in einem Krankenhaus in Brasilia verstarb.

Das letzte Mal vorher, dass in Brasilien jemand an „städtischem“ Gelbfieber verstorben war, war 1942.

Erst am 10. Januar kam die Nachricht, es handelte sich wirklich um städtisches Gelbfieber. Die Brasilianer in fast allen Staaten und Regionen wurden aufgerufen, sich impfen zu lassen. Speziell in Goiás sind heute schon viele Einwohner geimpft. Allerdings ging dem Staat der Impfstoff aus und der staatliche Gesundheitssekretär von Goias erklärte, nun würde nur noch geimpft, wer ein staatliches Impfbuch vorweisen könne. Solche Bücher sind in ländlichen Gegenden in der Regel nicht vorhanden. Damit wird genau jenen, die sie am nötigsten brauchen, die Impfung vorenthalten.

Aber auch im Staat Minas Gerais, der an Goiás angrenzt, (von dem aus der Berichterstatter schreibt), besteht der Verdacht auf Gelbfieber. Im Norden des Staates, nahe der Grenze zu Goiás, wurden tote Affen gefunden, die eventuell Opfer der Krankheit wurden. Affen werden vom Gelbfieber genauso wie Menschen betroffen. Die Untersuchungen laufen noch.

1991 hatte sich der Berichterstatter bereits gegen Gelbfieber impfen lassen, weil eine touristische Reise ins Amazonasgebiet anstand. Wenige Tage nach der Impfung wurde er schwer krank und lag mit hohem Fieber und Schmerzen am ganzen Körper im Bett. Das ging zwar nach ein/zwei Tagen vorbei, war aber doch beängstigend.

Das ist eines der Probleme mit der Gelbfieber-Impfung. Die Impfreaktionen sind, individuell unterschiedlich, zum Teil äusserst schwer. Kindern und älteren Menschen wird darum von der Impfung abgeraten, wenn sie nicht unabdingbar ist. Der Impfschutz hält nur 10 Jahre vor und der Berichterstatter ist auch nicht jünger geworden seit 1991.

Bei der Massenabfertigung zum Impfen ist es vorgekommen, dass Personen, die keine Erfahrung damit haben, zweimal geimpft wurden. Sie liegen heute im Krankenhaus. Aber auch nur einfach geimpfte mussten in grosser Zahl in die Krankenhäuser eingeliefert werden. Heute liegen in ganz Brasilien weit mehr Patienten im Krankenhaus wegen der Impfung als wegen des Gelbfiebers.

Hier in Belo Horizonte sind Impfstationen an den beiden Flughäfen und am Busbahnhof eingerichtet, wo es bereits lange Schlangen gibt. Was tun?

So lebt man also seine Liebe in den Zeiten des Gelbfiebers.


Veröffentlicht am 28. Januar 2008 in der "Berliner Umschau"

Originalartikel

Samstag, 26. Januar 2008

AIDS, Malaria und Tuberkulose

Besiegbare Krankheiten weiten sich immer mehr aus

Von Elmar Getto

Ein weiteres Anzeichen, daß der Kapitalismus nun beginnt, in die kapitalistische Barbarei überzugehen, ist der massive Anstieg von schweren Infektionserkrankungen, das Wiedererscheinen von ganz oder fast ausgerotteten Krankheiten und der beginnende Rückbau der Gesundheitsversorgung in den entwickelten Ländern.

So war z.B. die Tuberkulose eine Krankheit, die in den entwickelten Ländern praktisch ausgerottet war und nur noch in einigen wenigen Entwicklungsländern eine Rolle spielte, was man mit wenig Aufwand in den Griff bekommen hätte - wenn man gewollt hätte.

Heute ist die Tuberkulose eine über große Teile der Entwicklungsländer bereits als Epidemie verbeitete Krankheit, die sich rasend schnell auch in die ärmeren Gebiete der entwickelten Länder vorfrißt.

Irgendeine Rückkehr zu den Methoden, mit denen es gelang, diese Krankheit fast auszurotten, ist nicht vorgesehen, wozu auch? Es sind ja fast nur die Armen, die betroffen sind! In Deutschland zum Beispiel waren wegen TB, wie man damals sagte, Anfang der sechziger Jahre noch routinemäßig Lungen-Röntgen-Aufnahmen für die ganze Bevölkerung vorgeschrieben.

Es wird nicht mehr lange dauern, bis sich wieder Krankheiten wie der Pest und der Lepra oder ähnliche Erkrankungen auszubreiten beginnen.

Das schreiendste Beispiel aber ist die Immunschwächekrankheit AIDS. Nachdem diese sich zunächst fast ungehemmt ausweitete, vor allem unterstützt durch die Legende, nur Gays und Drogensüchtige seinen betroffen, wurde sie - jedenfalls in vielen der entwickelten Länder -, hauptsächlich durch Aufklärung, zum langsameren Wachsen gebracht, in einige Ländern sogar zur Abnahme der jährlichen Neuerkrankungsfälle.

Dann wurden die antiretroviralen Medikamente entwickelt und es konnte die Zahl der weltweiten Todesfälle durch AIDS drastisch verringert werden. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis AIDS besiegt wäre.

Doch diese Entwicklung ist inzwischen längst zum Stehen gekommen und hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Die Zahl der Neuerkrankungen an AIDS steigt wieder unaufhaltsam, die Zahl der AIDS-Toten geht wieder in die Höhe, in einigen Ländern im Süden Afrikas kann man inzwischen davon sprechen, daß bereits die ganze Bevölkerung bedroht ist.

AIDS hat sich zu einer weltweiten Epidemie entwickelt und weitet seine Einflußsphäre kontinuierlich aus. Auch in Deutschland und den USA, wo die Zahl der Neuerkrankungen (genau gesagt: neu positiv getesteten) über Jahre zurück gegangen war, ist die Krankheit wieder auf dem Vormarsch. In Südostasien, China und Osteuropa, wo sie erst mit Verspätung ankam, ist die Steigerungsrate immens. Allein in der Ukraine sind inzwischen bereits 250.000 Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von 48 Millionen infiziert. In Deutschland sind es etwa 40.000 Personen im Moment.

Zu dieser Entwicklung hat mit die offizielle US-Politik beigetragen, der Kampf gegen AIDS dürfe ausschliesslich durch Aufrufe zur ehelichen Treue und zur Enthaltsamkeit geführt werden und auf keinen Fall durch Propagieren und Verteilen von Kondomen. Der Versuch, die Menschen dazu zu bringen, Sex nur noch innerhalb der Ehe zu machen, war immer schon verloren und wird auch jetzt nicht gewonnen werden können - abgesehen davon, dass damit religiöse Vorurteile den anderen Menschen übergestülpt werden sollen.

Man hat es inzwischen schriftlich, daß die Gesundheitsbehörden die Entwicklung dieser weltweiten Epidemie nicht mehr kontrollieren können. Die AIDS-Konferenz in Bangkok im vorletzten Jahr erklärte dies offiziell in ihrer Abschlußerklärung.

Im Moment sind weltweit 40,3 Millionen Menschen infiziert, das sind über doppelt so viele wie 1995, als es noch 19,9 Millionen waren. Davon sind 2,3 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Auch dieser Anteil ist dramatisch gewachsen. Allein im vorletzten Jahr haben sich 4,9 Millionen Menschen neu infiziert. Gestorben sind vorletztes Jahr bereits 3,1 Millionen Menschen an AIDS. Im gesamten Zeitraum von 1981 bis 2005 sind 25 Millionen an AIDS verstorben.

Im Moment erhalten 90% der Infizierten nicht die antiretroviralen Medikamente, die ihr Leben verlängern könnten, weil die Pharmakonzerne darauf bestehen, hieraus Maximalprofite zu ziehen und diese Medikamente damit für die meisten unerschwinglich sind.

15 Millionen Kinder auf der Welt wachsen im Moment als AIDS-Waisen auf. Für Medikamente und Projekte gegen die wichtigsten Infektions-Erkrankungen in den Entwicklungsländern, AIDS, Malaria und Tuberkulose, wurden nach Angaben der WHO (Welt-Gesundheits-Organisation) für 2006 7,1 Milliarden Dollar benötigt. Die imperialistischen Länder haben aber nur 3,7 Milliarden zugesagt und nicht einmal das wurde ausgeschöpft, nicht ein Zehntel im ganzen Jahr dessen, was sie monatlich für Rüstung ausgeben.

Alarmierend ist aber auch das Vordringen bereits fast vergessener Krankheiten in den entwickelten Ländern.

In den USA ist die Situation besonders kritisch. Dort gibt es heute ganze Gebiete in bestimmten Bundeststaaten und ganze Stadtviertel in grossen Städten, wo fast niemand mehr irgendeine Art von Krankenversicherung hat. Da es sich um arme Bevölkerng handelt, haben sie damit keinerlei Zugang mehr zu Ärzten, Medikamenten, Erste-Hilfe-Stationen oder Krankenhäusern.

Die völlige Privatisierung des gesamten Gesundheitswesens, der Krankenkassen, Krankenhäuser und Krankenversicherungen, die auch in Deutschland bereits anvisiert ist, macht aus dem Gesundheitswesen eine Profitquelle für schnell wachsende Konzerne statt einer Dienstleistung für die Bevölkerung. Da bleiben die Armen natürlich auf der Strecke (und für die anderen steigen die Gesundheitskosten steil an). Je nach Quelle betrifft dies zwischen 10 und 20% der Bevölkerung im reichsten Land der Welt.

Obwohl die staatlichen Ausgaben für die Gesundheit pro Kopf der Bevölkerung höher sind als in den meisten anderen Ländern, kann das US-Gesundheitswesen als das ineffektivste aller grossen Länder angesehen werden. Gleichzeitig fallen die mit dem Gesundheitswesen befassten Konzerne wie Versicherungen, Pharma, Krankenhäuser und andere, von einem Freudentaumel in den nächsten aufgrund der steil ansteigenden Profite.

Auch in Deutschland gibt es bereits Zehntausende, die keine Krankenversicherung mehr haben, weil ihnen kein Hartz IV mehr zugestanden wird.

Das sind keine unerwünschten Nebenwirkungen des neoliberalen Ausverkaufs aller Werte, sondern dessen logische Konsequenz.

Ein anderes Beispiel ist die Malaria. Auch sie war durch eine Reihe von Maßnahmen bis etwa Ende der 80er-Jahre im wesentlichen bereits zurückgedrängt auf wenige „Hot Spots" in einigen Regenwaldgebieten ohne große Bevölkerung.

Heute gibt es bereits eine weltweite Malariaepidemie. Die Krankheit hat sich weit aus den tropischen Gebieten hinaus ausgeweitet, die jetzigen Erreger reagieren auf keines der klassischen alten Medikamente mehr und speziell unter den Ärmsten der Armen, die chronisch unterernährt sind, ist Malaria heute bereits die häufigste Todesursache, gerade auch unter Kindern.

Hätte auch nur einer der großen Pharmakonzerne auch nur einen Bruchteil dessen an Forschung und Entwicklung für neue Malaria-Medikamente oder eine Impfung ausgegeben wie man es für „Me too"-Arzneimittel tut, die längst auf dem Markt sind, aber eben vom Konkurrenten, dann hätte die Malaria schon ausgerottet werden können. Aber die betrifft ja fast nur Arme, also was kümmert es? Die Menschheit ist zu einem Mittel verkommen, die Profite der Großkonzerne zu sichern und zu erhöhen.

Auch im Fall AIDS wird gelegentlich ein neues antiretrovirales Medikament entwickelt, aber die eigentlich bei weitem nötigste Forschung und Entwicklung, die eines Impfstoffes, der die Krankheit ausrotten könnte, ist allerletzte Priorität der Pharmakonzerne. Auch von den jährlich 2 Milliarden Dollar für die öffentliche AIDS-Forschung gehen nur 650 Millionen in die Impfstoff-Forschung - und davon ist auch noch der weitaus größte Teil im Budget des „Walter Reed Army Institute" der US-Regierung, wo alles Mögliche geforscht wird für die militärische Anwendung solcher Retroviren, was als „Impfstoff-Forschung" getarnt ist.


Dieser Artikel erschien in seiner ursprünglichen Form am 2. Dezember 2004 in der Berliner Umschau. Hier eine vom Verfasser aktualisierte und erweiterte Version.

18 Monate - 500 000 Klicks

Dieses Blog wurde eineinhalb

Von Karl Weiss

Rechtzeitig zum eineinhalbjährigen Geburtstag ist dieses Blog zum 500 000. Mal angeklickt worden nach 'blogcounter'.

Recht beachtlich für ein Baby. Es kann aber auch schon laufen. Dann auf die nächste halbe Million!

Mittwoch, 23. Januar 2008

Rechts bricht der Horror aus

Verliert Koch trotz seines Ausländer-Bashing die Wahlen in Hessen?

Von Karl Weiss

Am äußersten rechten Rand des deutschen politischen Spektrums gibt es ein schwarz-braunes Geschwurbel, das es (noch?) nicht wagt, offen mit den faschistischen Horden der NPD zu marschieren, aber in Vielem mit diesen übereinstimmt. Es handelt sich um Personen und Gruppen, die üblicherweise CDU (oder CSU) wählen, aber auch schnell zu einer DVU oder NPD überwechseln, wo diese eine Chance haben, ins Parlament zu kommen.

Ein Teil von ihnen ist auch Mitglied in CDU oder CSU. Ihre poltischen Repräsentanten sind Leute wie Schönbohm, Koch, Beckstein und ähnliche.

Es gibt aber auch eine nicht zu unterschätzende braun-schwarze Szene außerhalb der ach so christlichen Parteien. Um diese Gruppen von Personen zu integrieren , hat die NPD Tarnorganisationen aufgemacht, wie zum Beispiel „Pro Köln“ und „Pro NRW“. So wird u.a. berichtet: Teile der Führungsriege dieser Rechtsaussen-Organisationen traf sich am 11. September 2007 „mit anderen Kader aus der rechtsextremen Szene .... . Im Rahmen der so genannten Dienstagsgespräche sei diesmal Holger Apfel, Fraktionschef der NPD im sächsischen Landtag, als Referent eingeladen gewesen, hieß es.“ ( Quelle )

In dieser Art von Organisation sind nur wenige ausgewiesene NPDler, aber man versteht sich auch so blind.

Filbinger und Kohl
Der Faschist Filbinger war damals Stellvertreter Kohls als Parteivorsitzender der CDU

Es braucht keinerlei Erklärung, dass diese Klientel natürlich hell begeistert war, als Hessens Ministerpräsident Koch sein Schmutzkampagne gegen junge Ausländer begann. Das entsprach genau ihrem Geschmack. Vor allem natürlich, weil sie sicher waren, auch diesmal würde das Türken-Bashing funktionieren. Man muss nur an die niedrigsten Instinkte der Bundesbürger appellieren, schon reagieren sie mit Zustimmung zu extrem rechten Anschauungen und wählen wieder ‚richtig‘.

Nach den Umfragen hatte sich nämlich eine von diesen Leuten als gefährlich angesehene Situation ergeben, denn die Prozentzahlen der voraussichtlichen SPD-, Grüne- und Linke-Wähler stand praktisch gleichauf mit der vereinigten christlichen und FDP-Wählerschaft, wenn es der Linken gelingen würde, in den Landtag einzuziehen. Ohne die Linke könnte sich eine Mehrheit Rot-Grün finden.

Nun aber, mit Koch, der in der braunen Kiste kramt, würde der gleiche Effekt eintreten, der damals zum Wahlsieg Kochs geführt hatte: Der erschrockene Teil der Bundesbürger, der die Lüge glaubt, die Ausländer hätten ihre Arbeitsplätze abgebaut, würde erneut für Kochs Wahlsieg sorgen.

Doch zum Befremden Kochs und der braun-schwarzen Suppe geschah dies nicht, jedenfalls nicht in den Umfragen. Die weit überwiegende Mehrheit der Befragten beurteilt Kochs Vorstoss als Wahltaktik und sprang nicht auf den Zug des hessischen braun-schwarzen Expresses auf. Die letzten Umfragen ergeben sogar einen geringen Vorsprung (allerdings innerhalb der Fehlermarge) des Rot-Rot-Grün-Gespanns.

Adenauer und Globke
Der Faschist Globke war eine wichtige juristische Figur im Hitlerfaschismus. Adenauer holte ihn als Staatssekretär in seine Regierung.

Als Koch damals die „Anti-Doppelpass-Aktion“ durchzog, hatten sich noch glatte 5% der Wähler auf seine Seite geschlagen, die vorher nicht da gestanden hatten. Sieht ganz so aus (unabhängig davon, wie die Wahlen wirklich ausgehen), als ob der Bundes-Michel lernfähig ist. Er lässt sich nicht so leicht ein zweites Mal für dumm verkaufen.

Jener Teil der Wähler nämlich, die auf „Ausländer raus“ oder eigentlich genauer auf „Türken raus“ stehen, werden ständig an der Nase herumgeführt. Auch in dieser Diskussion wieder ging es ja im Kern darum: Wie werden wir die vielen Türken wieder los? Wäre nicht ein praktischer Ausweg, jeden, der einmal mit dem Gesetz in Konflikt kam, in die Türkei abzuschieben? Das wird suggeriert und man hofft, der erschrockene Bundesbürger fällt darauf herein.

Wie sind aber die Tatsachen? Wer in Deutschland geboren ist, akzentfrei deutsch spricht, niemals in der Türkei gelebt hat (oft nicht einmal akzentfrei türkisch spricht) und mit dem Gesetz in Konflikt kommt, ist nach internationalem Recht, über das sich Deutschland nicht einfach hinwegsetzen kann, Deutscher und hat das Recht auf deutsche Staatsbürgerschaft und darauf, hier bestraft und eventuell eingesperrt zu werden. Allerdings gibt es die Regelung, er muss dafür die türkische aufgeben, was viele nicht gern tun – und so öffnen sich rechtliche Leerräume, wenn es sich um Einzelfälle handelt.

Aber die Türkei würde natürlich nie zulassen, dass eine grössere Anzahl solcher junger Menschen dorthin gekarrt wird – und hat internationales Recht auf ihrer Seite. Dies Tatsachen werden den Bürgern konsequent vorenthalten. Sie wurden in der ganzen Diskussion nie erwähnt. Die Rechtsaussen suggerieren, man könnte alle Türken zurückschicken und die dagegen argumentieren, vergessen zu sagen, das ist sowieso Illusion.

In diesem Zusammenhang muss eben auch erwähnt werden, warum wir so viele Türken hier haben. In der Situation des deutschen Wirtschaftswunders in den 50er und 60er Jahren wuchs die deutsche Wirtschaft so schnell, dass bereits nach kurzer Zeit alle vorhandenen Arbeitskräfte absorbiert waren und das Wachstum sich allein deshalb zu verringern drohte, weil Arbeitskräfte fehlten. So beschloss man, in anderen Ländern Arbeitskräfte anzuwerben. Den grössten Erfolg hatte man damit in der Türkei. Viele Jahre lang zogen deutsch-türkische Anwerber-Kolonnen durch die Türkei – mit Vorliebe durch das Innere Anatoliens, wo das blanke Elend hauste – und versprachen den Himmel für die Männer, wenn sie nach Deutschland arbeiten kämen.

So kamen Hunderttausende von türkischen Männern hierher, die üblicherweise in Männerwohnheimen zusammengepfercht wurden. Doch nach einer Anzahl von Jahren in Deutschland hatten sie eben bereits das Recht auf eine Daueraufenthaltserlaubnis und die Industriebetriebe wollte die eingearbeiteten und fleissigen Arbeiter auch nicht wieder verlieren und so wurde ihre Situation offiziell und deutsch.

Bald hatten sie auch das international garantierte Recht auf Familienzusammenführung und durften Frau und Kinder nachkommen lassen. Sie zogen vom Männerwohnheim in Wohnungen um. Hätte man wirklich verlangen wollen, sie sollten Jahrzehnte von ihren Familien getrennt leben?

Diese türkischen Arbeiter haben einen wesentlichen Anteil am Schaffen jener Werte, die in Deutschland einen mässigen Wohlstand schufen. Sie haben soviel Recht hier zu sein, wie Sie und ich!

Diese türkischen Arbeiter, ihre Frauen, ihre Kinder und inzwischen auch schon Enkel und Urenkel sind längst Teil des Volkes in Deutschland geworden, sie sind Deutsche mit allen Rechten, auch wenn man mit einigen Tricks noch verhindert hat, dass sie alle die deutsche Staatsbürgerschaft bekamen.

Oettinger Rede für Filbinger
Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger bei seiner legendären Reinwasch-Rede für den Faschisten Filbinger

Wenn die Rechtsaussen wieder und wieder suggerieren, man könne sie alle deportieren in die Türkei, so gibt es dafür weder eine irgendwie geartete Berechtigung noch Rechtsgrundlage. Die Kampagnen, die den Ex-Türken die Angst eintreiben, sie könnten deportiert werden, veranlassen sie, die türkische Staatsbürgerschaft nicht aufzugeben und das wiederum wird als Voraussetzung für die deutsche verlangt. So schafft man sie in ein Loch ohne Ausweg und Koch, Pofalla und Beckstein schenken ihnen auch noch ein Hohngelächter (das man angeblich von ihnen gehört haben will).

So macht man auf dem Rücken eines wesentlichen Teiles der Bevölkerung dreckige reaktionäre Politik.

Doch nun muss der rechte Sumpf fürchten, dass seine Rezepte nicht mehr aufgehen, dass der mündige deutsche Bürger immer wenige in diese Fallen stapft und die Demagogie zu durchschauen beginnt. Da bricht blankes Entsetzen aus, der Horror!

Filbinger - Schäuble
Hier erweist Schäuble dem Faschisten Filbinger "die letzte Ehre"

Ein Beispiel: Im Blog kewil (hier), der dem braun-schwarz-gestreiften Sumpf zuzuordnen ist, konstatiert man entsetzt: „Wahlprognosen: Ypsilanti gewinnt“.

Ein Kommentator auf jener Site mit dem Pseudonym „Onkel Peter“ bringt dies in jener typischen Weise auf den Punkt:

„Falls diese Prognosen zutreffen sollten, hat das deutsche Volk seinen Untergang verdient. Wegen erwiesener Dummheit ist es unwürdig weiterzuleben und hat anderen lebenstüchtigeren Völkern platzzumachen.“

Sehen Sie sich nur einmal an, wer bei „kewil“ im Impressum als Verantwortlicher genannt wird:

Mr Kewil B. R. Gozo
1571, Knights Templar Rd
Valletta, VLT01
Malta

Zwar wird dann gleich erklärt, diese Umfragen sind ja immer unzuverlässig und ein Beispiel der falschen Vorhersagen vor der Bundestagswahl 2005 gebracht, aber das klingt wie Pfeifen im Wald. Was damals nämlich falsch vorhergesagt wurde, war ein weit besseres Abschneiden der CDU/CSU als es dann tatsächlich eintrat. Nun ist die Hoffnung gering, dass diesmal die Umfragen genau im umgekehrten Sinn falsch sind.

Aber das letzte, was stirbt , ist die Hoffnung.

Auch wenn es diesmal erneut für Koch reichen sollte, die Rechtsaussen-Szene ist in heller Aufregung. Es droht die „strukturelle linke Mehrheit“ - wobei noch zu ergründen sein wird, was da links ist. Auf jeden Fall aber: Einen Glückwunsch an den aufgeklärten deutschen Bürger!


Veröffentlicht am 23. Januar 2008 in der Berliner Umschau


Originalartikel

Montag, 21. Januar 2008

Dossier 'Totale Kreislaufwirtschaft', Teil 3

Teil 3: Plastik-Holz – eine Zukunftslösung

Von Karl Weiss

In Deutschland wird heute weithin bereits in vorbildlicher Weise Abfall sortiert. Die Verpackungsabfälle, in Volumen ein grosser Teil des gesamten Abfalls werden in den meisten Gemeinden separat erfasst und – in der Regel – dem System Duales System Deutschland (DSD) zugeführt, üblicherweise unter dem Namen „Grüner Punkt“ bekannt. Aber dies ist eine Privatfirma, die Profit zu machen hat.

Ihre Profite sind sogar so gross, dass sich einer der grossen internationalen Hedge-Fonds (üblicherweise „Heuschrecken“genannt), die KKR, für diese deutsche Firma interessierte und sie „ausgesaugt“ hat. Heute ist die DSD GmbH zu einer Schimäre geworden. Die Abgaben werden immer weniger geleistet, die Verpackungen immer weniger gekennzeichnet und Minister Glos hat für 2010 schon ihre Auflösung verkündet.

Die grossmäulig Anfang der neunziger Jahre versprochene Wiederverwendung von Kunststoffen findet nur in untergeordnetem Masse statt. Die überwiegende Menge der Kunststoffe wird auf Abfallhalden geworfen oder in Müllverbrennungsnlagen oder Hochöfen verbrannt. Was verwertet wird, geht praktisch ausschliesslich in extrem „billige“ Anwendungen.

Das ganze Problem liegt daran, dass unsere Art von Politikern in Deutschland (und in ganz Europa) der absurden Ideologie anhängen, man brauche Probleme der Menschheit nur den „Kräften des Marktes“ zu übergeben, sprich den Kräften des Kapitalismus, dann würden sie gelöst. Der „Grüne Punkt“ ist eines der klassischen Beispiele: Dies war nie so und wird nie so sein! Die „Kräfte des Marktes“ lösen immer nur die Probleme der Grosskonzerne, Superreichen und Grossbanken, die des Restes der Menschheit, also weit mehr als 99%, werden nicht gelöst, sondern meistens verschlimmert.

Betrachten wir ein Teilgebiet des Problems, die Plastikabfälle. Plastik, also Kunststoffe, sind polymerisierte Produkte, die praktisch ausschliesslich durch Chemie auf Erdölbasis hergestellt werden. Es wird viel Geld in Form von Grossanlagen und Energie in ihre Herstellung gesteckt und sie bieten hervorstechende Eigenschaften. Es ist also ein haarsträubende Verschwendung, wenn man sie nach einmaligem Gebrauch (ein grosser Teil von ihnen sind ja Plastikverpackungen) in Müllverbrennungsanlagen „entsorgt“.

Da Müllverbrennung zu zusätzlichem CO2-Ausstoss und damit zur Beschleunigung der Entwicklung zur Klimakatastrophe führt, müssen diese Anlagen sowieso so schnell wie möglich stillgelegt werden. Auch ohne diese Notwendigkeit hätte man schon seit langem alle Müllverbrennungsanlagen stillegen müssen, denn sie sind aufgrund des PVC-Gehaltes im Plastikmüll und im Restmüll zu Dioxin-Schleudern geworden und gefährden somit die Gesundheit der Bevölkerung in nicht zu vertretender Weise.

Dioxin, selbst in winzigsten Mengen, ist nicht nur giftig, es reichert sich auch in den Fettgeweben an, es ist krebserregend, kann die Gene verändern (Missbildungen) und die Blut-Hirn-Schranke schädigen, was zu tiefgreifenden Verhaltensstörungen führen kann. Ausserdem schädigt es die Fortpflanzungsorgane und kann zu Sterilität führen.

Da sind wir dann auch schon beim zweiten Problem: Der Kunststoff PVC ist zwar billig zu haben, kostet aber zu viel. Er muss aus dem Verkehr gezogen werden.

PVC-Kosten Nr.1: Das Vorprodukt von PVC ist Vinylchlorid, ein extrem krebserregender Stoff. Hunderte von Chemiearbeitern sind bereits Opfer dieses heimtückischen Giftes geworden. Der Schreiber dieser Zeilen hat einen von ihnen persönlich gekannt.

PVC-Kosten Nr. 2: Die bevorzugte Anwendung von PVC ist die der Kabelisolierung. Damit ist PVC in viele Brände verwickelt. Fängt er einmal zu brennen an, entwickelt er dichte giftige und erstickende Gaswolken, die aus relativ leicht zu bekämpfenden Bränden entsetzliche Brandkatatstrophen mit vielen Toten machen, Ein Beispiel dafür war der Brand im Düsseldorfer Flughafen vor einer Anzahl von Jahren, der nur durch die PVC-Rauch-Vergiftungen zu einem tödlichen Ereignis wurde.

PVC-Kosten Nr. 3: PVC ist ein harter und brüchiger Kunststoff, der in dieser Form fast ohne Anwendungsgebiete ist. Er wird mit beträchtlichen Mengen von Weichmachern versetzt, die einen weichen und handhabbaren Kunststoff daraus machen. Diese Weichmacher, hauptsächlich der häufigste von ihnen, Di-(iso)-octyl-phthalat (DOP), sind aber gesundheitsschädliche Substanzen, die das menschliche Erbgut schädigen und zu männlicher Sterilität führen. Auch das ist ein zu hoher Preis für einen leicht zu ersetzenden Kunststoff.

PVC-Kosten Nr.4 : Der Chlorgehalt von PVC ist dafür verantwortlich, dass in den Abgasen von Müllverbrennungsanlagen Dioxin enthalten ist, das Super-Seveso-Gift, das selbst in kleinsten Mengen die Menschen schädigt. Allein dies wäre bereits ein ausrechender Grund für das Verbot von PVC.

Ist PVC erst einmal eliminiert, haben sich auch eine ganze Reihe von Probleme der Sortentrennung von Kunststoffen bereits erledigt.

Es wird dann möglich sein, die anfallenden Kunststoffabfälle durch eines oder mehrere der bekannten Verfahren in artenreine oder fast artenreine Kunststoffe zu trennen und sie einer erneuten Verwendung zuzuführen.

Ist PVC erst einmal ersetzt (es wird in seinen meisten Anwendungen durch Polyethylen (PE) ersetzt), wird PE der am meisten verwendete Kunststoff sein.

PE existiert prinzipiell in zwei Formen, dem PE hoher Dichte (HDPE) und dem niedriger Dichte (LDPE). Die meisten Anwendungen hat HDPE. Fast alles, was wir als Kunststoff-Flaschen und -Behältnisse für Haushalt, Kosmetik, Lebensmittel und chemische Produkte kennen, ist HDPE. Aber auch die grossflächigen Folien, die man am Bau und in der Landwirtschaft verwendet, sind aus diesem Material. Es gibt auch noch andere Anwendungen.

Hat man im Abfall erst einmal dies HDPE von anderen Kunststoffen getrennt und den Kunststoff zu kleinen Brocken vermahlen (oder zerschnitten, je nach Verfahren), kann man ihn erneut aufschmelzen und die entsprechenden Artikel erneut daraus herstellen, ohne dass die aufwendige Herstellung aus Erdöl und durch Polymerisation wiederholt werden müsste. Man muss ihn nur aufschmelzen und dann spritzgiessen und kommt so zu den entsprechenden Kunsstofferzeugnissen.

Nur ist natürlich das schlichte Wiederverwenden für die gleiche Anwendung eine Notlösung, wenn man nichts Besseres entdeckt. In vielen Fällen kann man aber unter Ausnutzen der speziellen Form, in der das Material beim Recyclen anfällt, einen wertvolleren Stoff als vorher daraus machen. Ein Beispiel dafür ist das Plastik-Holz aus HDPE.

Ein deutscher Erfinder hat ein besonderres Verfahren entwickelt, das eine übelegene Art von Polyethylen herstellt, das sogenannte Kunststoff-Holz oder Plastik-Holz. Dies beruht darauf, dass das HDPE nicht zu einem Pulver gemahlen wird, sondern nur zu kleinen Brocken. Diese werden dann nicht so weit erwärmt, dass sie schmelzen, sondern nur soweit, dass sie sich oberflächlich verbinden, ähnlich wie beider Herstellung von gesintertem Stahl.

Anschliessend kann nicht nur spritzgegossen, sondern auch extrudiert werden. Für diese Prozesse wird der Stoff noch mit einer kleinen Menge von Zusätzen vermischt.

Was da aus dem Extruder kommt und in ein Erstarrungsbad gelangt, ist ein Profil, das extreme Ähnlichkeit zu Holz hat. Wie Holz, ist es aus verbundenen kleinen, sehr widerstandsfähigen Einheiten aufgebaut. Allerdings ist die Basis HDPE viel resistenter als Holz. Es entsteht ein äusserst fester und harter Werkstoff, der viele Stähle in diesen Eigenschaften übertrifft. Speziell die Bruchfestigkeit ist weit dem Holz überlegen und auch den normalen Stählen.

Dabei kann dieser Werkstoff zu Kosten hergestellt werden, die deutlich unter denen spezieller hochfester Stähle sind, mit denen er in mancher Hinsicht vergleichbar ist.

Er kann gesägt und spanabhebend bearbeitet werden, man kann Nägel einschlagen und Holzschrauben eindrehen (versuchen Sie das einmal mit Stählen). Wenn man Holz mit Nägeln befestigt, öffnen sich mit der Zeit Risse im Holz, nicht so bei Plastik-Holz.

Kurz: Ein interessanter und leicht zugänglicher Werkstoff, der viele Vorteile von Stählen mit denen des Holzes verbindet, aber beiden in der Wasser-Resistenz üerlegen ist.

Allerdings ist er eben aus HDPE und kann somit brennen und brennt auch selbständig weiter, wie Holz. Das schliesst ihn von bestimmten Bau-Anwendungen aus.

Auf der anderen Seite hat er aber eben auch klare Vorteile gegenüber den beiden anderen Stoffen, mit denen er hier verglichen wird. Er ist absolut Korrosions-, Insekten- und Fäulnisfest, braucht also keinerlei Lackierung, kann andererseits aber in allen Farben und Formen hergestellt werden, ohne dass die Farbe mit der Zeit abblättert.

Und – natürlich muss kein Baum gefällt werden, um an diesen Werkstoff zu gelangen. Die Mengen von leicht aus Kunststoff-Abfällen zugänglichen HDPE-Abfällen wären bei einem weitgehenden Recycling viele Hunderttausende von Tonnen im Jahr.

Dazu kommt, man kann dies Material auch glasfaserverstärkt anwenden, dann wird es noch stabiler. Im Extremfall lassen sich auch Anwendungen mit Kohlenstofffaserverstärkung denken. Auch kann man den Kunststoff mit verschiedenen Füllstoffen versehen und damit seine Anwendungsbreite noch erhöhen.

In Rio de Janeiro in Brasilien gibt es bereits eine Fabrik mit dem Namen „Cogumelo“, die jährlich bereits 1000 Tonnen dieses Plastik-Holzes und daraus gefertigter Güter herstellt.

Das Institut IMA der staatlichen Universität UFRJ in Rio de Janeiro hat auf eine spezielle Art dieses Plastikholzes mehrere Patente und bezeichnet es als IMAwood.

Im Landesinneren des brasilianischen Bundestaates São Paulo, in Guaratingetá, gibt es eine Institution zur Wiedereingliederung von Drogensüchtigen und Drogenhändlern nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis, eine Gemeinschaft mit dem Namen „Esperança“ (Hoffnung). Dort wird Plastik-Holz hergestellt und verarbeitet und die (meist jungen) Menschen lernen diesen Werkstoff zu bearbeiten. Die Parallelen drängen sich auf zwischen den aus der Gemeinschaft ausgestossenen Menschen, die Wiedereingliederung suchen und dem Material, das fälschlicherweise als Abfall angesehen wurde und sich in einen wertvollen neuen Stoff verwandelt.

Die Institution, zunächst mit Mitteln der katholischen Kirche ins Leben gerufen, trägt sich inzwischen selbst. Den Internierten kann eine kleiner Lohn gezahlt werden. Sie lernen das, was man als Schreiner oder Zimmermann bezeichnen müsste, auch wenn es gar kein Holz ist, das bearbeitet wird.

Die Anwendungen von Plastik-Holz drängen sich auf und sind extrem vielfältig. Hier nur eine kleine Auswahl dessen, was heute bereits hergestellt wird:

- Kanaldeckel und Gullys (geschlossen oder durchbrochen), mit eindeutigen Festigkeitsvorteilen gegenüber den heute üblichen aus Gusseisen.

- Fenster und Fensterläden sowie Haustüren: Sieht aus wie Holz, ist aber resistenter und braucht aber nicht ständig mit neuen Anstrichen gegen Wasser, Insekten und Fäulnis geschützt zu werden.

- Pier, Landesteg: Diese ins Wasser vorspingenden Brücken, zum Beispiel ins Meer hinaus, sind traditionell äusserst anfällig. Plastik-Holz ist die ideale Lösung.

- Bahnschwellen: Man kann sie bereits mit Vertiefungen herstellen, die den Kontakt mit den Steinen der Aufschüttung als Untergrund verbessern gegenüber Holz. Holz muss in einem schwierigen Verfahren mit Teer angereichert werden, um den Schwellen Resistenz zu geben. Gegenüber Betonschwellen klare Festigkeitsvorteile. Plastik-Holz bröckelt nicht.

- Parkbänke und andere Freiluft-Möblierungen: Natürlich kann man die auch aus Beton herstellen, aber dann werden sie nicht angenommen. Ein Material, das sowieso schon wie Holz aussieht und bei entsprechender Pigmentierung ein völlig „hölzernes“ Aussehn hat, ist logischerweise für alle Freiluft-Holz-Anwendungen ideal, so etwa auch für Holz-Balkone und ähnliches. Nicht nur Parkbänke, sondern auch andere „Möblierungen“ von Parks, wie etwa Holzwege, Stege, Brücken, Geländer und ähnliches, sind ebenfalls ideale Anwendungen. Auch jede Art von Perolen zum Ranken von Pflanzen sind weit widerstandsfähiger aus Plastik-Holz als aus Holz. Überhaupt ist Plastik-Holz das ideale Material für jede Art von Garten- und Park-Gestaltung, wenn man nicht ständig das Holz mit neuen Anstrichen versehen will.

- Schrauben: Wegen seiner hohen Festigkeit kann Plastikholz auch für grössere Schrauben angewandt werden. Eine solche Schraube rostet nicht und kann noch nach Jahren ohne Probleme wieder gelöst werden.

- Schweine-Koben, Tierpferche und andere Abgrenzungs-Paneelen für Tierställe. Auch hier die offensichtlichen Vorteile gegenüber Holz oder Blech.

Wer diesen Werkstoff einmal auf einem Video sehen will, kann sich diesen Link ansehen.

Zwar ist der Text der Reportage über das Plastik-Holz in Brasilien in Portugiesisch, was man hierzulande natürlich nicht so häufig hört, aber auch ohne den Text zu verstehen, bekommt man einen guten Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten dieses Recycling-Materials.

Veröffentlicht am 21. Januar 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel


Hier geht es zu Teil 1, zu Teil 2, zu Teil 4 und zu Teil 5 des Dossiers 'Totale Kreislaufwirtschaft'.

Sonntag, 20. Januar 2008

Offener Brief an die Herrschenden - Von den Arbeitern und dem Volk in Deutschland - 2

Vorschlag für einen Offenen Brief von Karl Weiss



Tatsächlich hättet ihr uns beinahe herumgekriegt. Wir waren schon fast überzeugt von den Stories vom angeblichen Sozialstaat, der uns alle zu einer großen Familie macht, vom Rechtsstaat, der Gerechtigkeit für alle einführt, von der Demokratie, in der wir angeblich das Sagen hätten und von der Verfassungsmäßigkeit, die uns vermeintlich alle schützt.

Fast waren wir schon überzeugt, wir hätten wirklich im Grunde die gleichen Interessen wie eure Konzerne und Banken und eure Politiker.

Fast glaubten wir bereits fest, daß all das, was wir uns wünschen, im Kapitalismus Wirklichkeit werden kann: Ausreichend Geld zum Leben, eine angemessene Wohnung, Ausbildung für die Kinder, Kinderbetreuung, damit die Frau mitarbeiten kann, genügend Arbeitsplätze für alle, die arbeiten wollen, eine komplette und fortgeschrittene Gesundheitsversorgung, Ausbildungs- und Studienplätze und eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder, eine auskömmliche Rente nach einem erfüllten Arbeitsleben und vielleicht sogar dann und wann noch kleine Extras.

Zu schön wäre es gewesen, wäre wirklich ein gerechter Staat zu schaffen gewesen, hier im Kapitalismus. Doch nun müssen wir entsetzt feststellen, daß dies alles nur eine Schlafpille mit begrenzter Wirkung war für uns, daß ihr all dies keineswegs vorgesehen habt für uns, ja, es geradezu als absurd anseht, daß wir es wollen.

Die Sechziger Jahre, die Siebziger Jahre und selbst noch die Achtziger Jahre haben es fast geschafft, uns dies alles als möglich zu verkaufen. Waren wir doch schon fast dort, es fehlte ja nicht mehr viel. Ja, es war schön, ein Auto zu haben und Urlaub machen zu können, wir wollen das nicht leugnen. Doch nun sehen wir bereits, daß sich so mancher das schon nicht mehr leisten kann und es auch für den Rest nicht mehr lange dauern wird. Es war angenehm, daß sich manche von uns sogar den Traum eines Häuschens erfüllen konnten, aber jetzt erleben wir, wie jene, die arbeitslos werden, die Abzahlungen in der Regel nicht mehr leisten können.

Ihr habt es uns nun wiederholt und ausführlich klargemacht: Ob wir genug zu essen haben, kümmert euch einen feuchten Kehricht, ob wir Arbeitsplätze haben, ob unsere Kinder eine Zukunft haben, das alles ist nicht euer Bier. Ihr habt euch nur um eure Profite zu kümmern und wir sollen sehen, wo wir bleiben.

Mit der Gesundheitsreform und den zehn Euro Eintrittsgeld beim Arzt habt ihr uns schon geschockt, aber wir glaubten meist immer noch, alles werde schon nicht so schlimm kommen. Als ihr die Renten immer weiter gekürzt habt, hofften wir noch, andere eurer Politiker könnten dies rückgängig machen.

Als dann aber Hartz IV eingeführt wurde und das Versprechen gebrochen war, es müsse keiner darben, wenn er keine Arbeit mehr findet, da wurden schon ganz schön viele aufsässig und begannen mit den Montagsdemos. Ihr habt es zwar geschafft, die wieder klein zu bekommen, aber macht euch keine Illusionen: Das ist nicht von Dauer.

Daß Hartz IV so durchgegangen ist, bei allen euren Parteien, bei den Gerichten, bei den Medien und sogar bei manchen Sozialverbänden, das allerdings hat uns zutiefst geschockt, kein Verfassungsgericht, das Einhalt geboten hätte. Nun wissen wir, Rechtsstaat, Demokratie, Grundgesetz: Alles hohle Phrasen, nur um uns zu täuschen.

Noch sind die meisten von uns gelähmt vor Entsetzen, nicht in der Lage, irgendetwas zu tun und ratlos, was getan werden müßte. Aber im Grunde, in der Tiefe unserer Herzen, wissen wir fast alle schon, was dies bedeutet und was wir tun müssen. Die meisten von uns wollen es sich noch nicht eingestehen, ringen noch mit sich.

Was das bedeutet - und das dringt mehr und mehr von uns ins Bewußtsein, ist: Der Kapitalismus hat sein Gesicht nicht gewandelt, es war lediglich eine kurze Phase in der Geschichte, in der ihr eure wahre Fratze verstecken konntet. Der Kapitalismus hat für uns keinerlei Zukunft und nicht für unsere Kinder. Wir werden die Revolution machen müssen und euch zum Teufel jagen.

Ihr versucht unsere Reihen zu spalten, wollt uns gegen unsere ausländischen Kollegen aufbringen. Aber wir wissen, woher der Wind weht, wir arbeiten mit ihnen seit vielen Jahren zusammen!

Ihr baut unsere Arbeitsplätze ab, gerade wie es euch gefällt. Ihr streicht unsere Löhne zusammen, verlängert unsere Arbeitszeiten, laßt die Renten ins Nichts fallen, laßt die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik durchziehen (natürlich für uns), während eure Großkonzerne und Banken überhaupt keine Steuern mehr zu zahlen brauchen. Ihr streicht die Lehrstellen, die unsere Kinder brauchen und ihr übernehmt nicht in ein festes Arbeitsverhältnis nach der Ausbildung, die noch eine gefunden haben.

Ihr beschimpft uns noch dazu, wir seinen Sozialschmarotzer, wenn wir keine Arbeit finden, wenn wir krank sind oder pflegebedürftig oder alt. Ihr betrügt uns um das Geld, das wir und unsere Väter und Mütter in die Sozialversicherungen eingezahlt haben. Ihr habt dies Geld für andere Dinge verbrauchen lassen und zuckt nun mit den Schultern: Nichts mehr da.

Ihr habt die Zeitungen und Zeitschriften, das Fernsehen und die Radios fest im Griff. Sie überschütten uns mit eurer Ideologie, daß der Staat nicht dazu da sei, für uns zu sorgen, wenn wir es brauchen. Wir hätten vielmehr alleine klar zu kommen. Das hätte uns eigentlich schon früher auffallen müssen, daß von den Medien Einmütiges kommt - und das dort Veröffentlichte nicht auf unserer Seite steht.

Aber auch diese Einsicht beginnt sich auszuweiten, ebenso wie jene, daß die Kommunisten vielleicht doch keine kleinen Kinder fressen. Wir beginnen nun auch bereits alternative Nachrichten im Internet zu finden.

Seit Jahren sinkt nun unser Reallohn und wird zusätzlich noch durch Arbeitszeitverlängerungen gekürzt. Ihr wollt uns bis 67 weiterarbeiten lassen, ja sogar von Rente mit 70 ist schon die Rede - und dann die Altersarmut für fast Alle von uns.

Tatsächlich haben wir schon begonnen, dies nicht mehr hinzunehmen. In den Wahlen, die ihr immer als große Ausrede hattet („Die Mehrheit hat sich dafür entschieden"), haben wir euren Politkern bereits Denkzettel gegeben, die sich gewaschen haben. Bei der letzten Bundestagswahl haben gerade noch 50 % der Wahlberechtigten die euch genehmen Parteien gewählt und wenn man alle abzieht, die noch glaubten, taktisch wählen zu müssen, sind es noch weit weniger. Das Vertrauen in eure Politker ist inzwischen nur noch bei 20 % der Bevölkerung vorhanden.

Da ist es ein Zufall, daß kürzlich der „Club of Rome", eine eurer Denkorganisationen, verkündet hat, daß man in Zukunft nur noch 20% brauchen werde, die anderen würden ohne Arbeit sein. Danke für die Offenheit.

Dabei ist es noch nicht einmal die Gegenwart, die uns so Angst macht und wütend, es ist vor allem die Zukunft, die ihr für uns vorgesehen habt. Fast jeder von uns muß mit Arbeitslosigkeit rechnen, noch bevor er in Rente gehen kann und dann heißt es, er sei arbeitsscheu. Jahrzehnte von Einzahlungen in die Sozialkassen und dann wird man mit Almosen abgespeist, die weit unterhalb der Armutsgrenze liegen, sei es bei Arbeitslosengeld II oder später der Rente.

Demütigende Bittgänge zu Behörden, die Kontrolleure in unsere Wohnungen schicken - und die Politiker tönen mit euren Medien im Chor: soziale Hängematte, arbeitsscheu, Mißbrauch!

Für den Rest des Lebens zur „Tafel", um noch etwas zu essen zu haben, die Gesundheitsversorgung so eingeschränkt, daß Nötiges nicht mehr durchgeführt wird, in eine Winz-Wohnung wechseln oder man wird ganz obdachlos. Das ist die Zukunft, die ihr uns bereitstellt. Und dann klingt es auch noch in unseren Ohren, wenn ihr hervorhebt, daß es in Entwicklungsländern den Menschen noch schlechter geht.

Auch Danke dafür, daß ihr einen eurer Politker gleich habt klarmachen lassen, daß uns das Essen bei der „Tafel" keineswegs garantiert ist: „Wer keine Arbeit hat, soll auch nicht essen."

Doch selbst das hätten wir uns vielleicht - oder jedenfalls so mancher von uns - gefallen lassen, denn man fällt leicht in Resignation, in Hoffnungslosigkeit, in Depression. Die ersten Selbstmorde Verzweifelter, der erste Hungertote.

Aber dann haben wir gemerkt, daß eure Pläne sich hauptsächlich gegen unsere Kinder richten. Waren wir schon aufmerksam geworden, als die Klassengrößen immer mehr anstiegen, als die Diskussion über Studiengebühren begann, so merkten wir endlich, wo es hinläuft, als ihr immer mehr Lehrstellen abschafftet, unsere Kinder verurteiltet, bei uns wohnen zu bleiben, wenn sie keine Arbeit finden und für sie fast nur noch Teilzeitstellen, Minijobs, Ein-Euro-Jobs, Zeitarbeit, Praktikum und prekäre Arbeit anbotet.

Wir lieben unsere Kinder und wir werden euch dies nicht mit unseren Kindern machen lassen! Das war ausschlaggebend, daß wir nun, wenn auch zunächst noch unbeholfen, zu kämpfen begonnen haben - zu kämpfen gegen euch. Ihr habt nicht die geringste Ahnung, wie stark die Wut in unserem Bauch ist und wie wild unsere Entschlossenheit.

Ihr seid noch nicht sehr beeindruckt von unseren Kämpfen - das wird sich legen. Tatsächlich ist es jenen Gewerkschaftsführern, die mit den euch genehmen Parteien verbändelt sind, bisher noch meistens gelungen, die Kämpfe abzuwürgen, ehe sie ans Eingemachte gingen, aber wir lernen. Seht nur, wie sich im Ver.di-Streik die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder in den bestreikten Betrieben verdoppelt hat.

Hartz-Protest 02

Doch ihr habt es auch schon gemerkt. Wir werden dies alles auf keinen Fall ergeben über uns ergehen lassen. Ihr bereitet euch schon darauf vor, dass wir kämpfen werden, nicht nur gegen Entlassungen, sondern für eine bessere Zukunft für uns und unsere Kinder. Warum sonst lasst ihr diesen Staat in eine Überwachungsstaat umwandeln? Um Terroristen oder Kinderschänder geht es nicht! Die liefern euren Politikern nur Vorwände.

Wir sind es, wir sind das Ziel all diesen Abbaus von selbstverständlichen bürgerlichen Rechten. Schon werden wir alle im Internet und am Handy überwacht, schon ist die Freiheit von Folter nicht mehr gewährleistet, schon wird vom wichtigsten Verbündeten das Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren aufgehoben und eure Politiker klatschen Beifall. Im Lokführerstreik wurde bereits das Streikrecht generell in Frage gestellt.

Ihr wisst, was auf euch zukommt!

Schon päppelt ihr wieder die faschistischen Horden hoch, so wie ihr es damals mit der Hitler-Brut gemacht habt. Doch ihr habt es schon gemerkt: Diesmal trifft dies auf entschlossenen und fast einmütigen Widerstand.

Ihr vertraut auf euren Gewalt-, Schnüffel- und Unterdrückungsapparat. Habt ihr schon vergessen, wie schnell einer der entwickeltsten Apparate dieser Art, jener der DDR, das Zeitliche segnete?

Ja, wir werden kämpfend lernen - und wir werden französisch lernen! Und wir werden uns erinnern: Montags geht man auf die Strasse!

Ihr könnt schon mal zu zittern anfangen.


Dieser Artikel, dessen erste Version in der "Berliner Umschau" am 3.6.2006 erschien (Übersetzung auf Englisch hier), wird hier nun aus Anlass der Umwandlung der Bundesrepublik in einen Schnüffelstaat und aus Anlass der angekündigten Werksschliessung von Nokia in einer erweiterten neuen Version veröffentlicht.

Mittwoch, 16. Januar 2008

Hunger - Verbrechen des Massenmordes

Es könnten 12 Milliarden Menschen ernährt werden

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Von Elmar Getto

„Die ärmsten Länder müssen die höchsten Zinsen zahlen - das ist nicht gerecht", so äußerte sich der Österreicher Fischler, ehemaliger EU-Agrar-Kommissar, in Richtung Weltbank bei der Premiere des Dokumentarfilmes „We feed the world" von Erwin Wagenhofer über die Lebensmittelkonzerne. Der ehemalige Schweizer Parlamentarier Jean Ziegler, heute UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, brachte es beim gleichen Ereignis auf den Punkt: „Der Hunger ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!"

Im Film selbst sieht man Zieglers Aussage: „Wir sind in der Lage, 12 Milliarden Menschen zu ernähren. Daher ist jedes Kind, das heute an Hunger sterben muß, das Opfer eines Mordes."

Er macht die Lebensmittelkonzerne verantwortlich: „Sie operieren rein profitorientiert."

Ziegler, seit fünf Jahren in den Diensten der UN, unterstützt Fischler in seiner Aussage, daß der Kern des Hungerproblems die Verschuldung der Entwicklungsländer ist und die hohen Zinsen, die sie zahlen müssen. Er rief alle Bürger der demokratischen Zivilgesellschaft auf, ihre Stimme für ein Umdenken in Politik und Wirtschaft zu erheben. Nur „planetarisch" könne man „wirklich etwas unternehmen gegen die Kosmokraten, jene kalten Monster in den Megakonzernen."

Allerdings ist es nicht einfach so, daß die Zinsen um so höher sind, je ärmer ein Land. Vielmehr werden von allen Entwicklungsländern die jeweils höchsten Zinsen abverlangt, die das Land gerade noch ertragen kann, ohne völlig zusammenzubrechen (wobei da auch schon mal übertrieben wird, siehe Argentinien).

Im Moment z. B. muß die höchsten Zinsen Brasilien zahlen, mit fast genau 20 % (über 15% Realzins über der Inflationsrate), weil dort am meisten zu holen ist.
[Anmerkung vom Januar 2008: Heute sind die Zinsen in Brasilien niedriger, bei 11% - immer noch deutlich über der Inflationsrate - und immer noch die höchsten (oder zweithöchsten) aller relevanten Länder auf der Welt.]

Tatsächlich wohnen wir im Moment dem bei weitem größten Völkermord aller Zeiten bei.

Tausende sterben täglich, Zehntausende von Kinder im Monat, Millionen pro Jahr, Opfer von Unter- und Falschernährung aus Armut, von Krankheiten, die längst ausgerottet sein könnten, während die Großkonzerne, -banken und -spekulanten ihre Zinsen bei den Entwicklungsländern eintreiben.

Dieser Massenmord übertrifft selbst die Taten der deutschen Faschisten bei weitem.

All diese Menschen müssen sterben, nicht weil es nicht genug Lebensmittel gäbe, sondern weil die Monster in den Konzernzentralen diese lieber ins Meeer werfen lassen oder verbrennen oder in Lagerhallen vergammeln lassen oder gleich am Strauch, ohne sie zu ernten, als sie zunächst zum Stillen der Mindest-Bedürfnisse der Menschen zu verwenden.

Sie argumentieren, das gesamte Preissystem würde zusammenbrechen, wenn sie diese Agrarprodukte den Hungernden zukommen liessen. Das ist tatsächlich so - und die Armen brauchen auch einen gewissen Preis für Agrarprodukte, damit sie ihre Produkte verkaufen können und davon leben. So ist es im Kapitalismus: Man kann nichts machen, alles läuft immer auf die Bereicherung der Reichen und die weitere Verarmung der Armen hinaus.

Beeindruckend, wie manche Politiker, wenn sie nicht mehr in der Verantwortung stehen, plötzlich durchscheinen lassen, daß sie die ganze Zeit wußten, an was sie da beteiligt waren. Der ehemalige EU-Agrar-Kommissar Fischler war zu aktiven Zeiten einer der Hauptverantwortlichen für diese Verbrechen, denn die Abschottung der EU gegen Agrarimporte ist einer der wichtigsten Gründe, warum diese Länder keinerlei Chance zu einer Erholung haben, selbst wenn sie ausnahmsweise mal eine Regierung hätten, die versuchen würde, etwas für das Volk zu tun.

Die deutschen Wähler haben gerade eben ihre Stimme erhoben für ein Umdenken in Politik und Wirtschaft, nur wollen weder die Angehörigen der deutschen Politiker-Kaste noch die Mainstream-Medien verstehen, was sie ausgedrückt haben. [Anmerkung vom Januar 2008: Das bezieht sich auf die Ergebnisse der Bundestagswahl Ende 2005: Die niedrigste Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen seit Bestehen der Bundesrepublik.]

Die tun so, als hätten sie den Auftrag bekommen, so weiterzumachen wie bisher.

Der UN-Beauftragte legte seinen Finger in die Wunde, wenn er die gnadenlosen Super-Manager als Haupttäter ausmacht und sagt, daß die Konzerne nur auf Profit orientiert sind. Aber er vergißt hinzuzufügen, daß sie gar nicht anders können im Kapitalismus.

Wer die Bedingung ausklammert, daß wir im Kapitalismus leben, mag noch so recht haben, bleibt aber im Kern unredlich. Die Konsequenz aus diesen Erkenntnissen ist der Kampf für den echten Sozialismus.


Dieser Artikel von Elmar Getto erschien ursprünglich am 6. Oktober 2005 in "Rbi-aktuell", hier vom Autor redigiert. Auch in diesem Fall wieder überraschend die Aktualität des Artikels.

Dienstag, 15. Januar 2008

Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 3

Teil 3: 11 Millionen Dollar Strafe

Von Karl Weiss

Einführung des Gottesstaates nach islamischem Vorbild oder freiheitliche Gesetze? Dies ist die Frage, die sich alle modernen westlichen Staaten stellen müssen, denn die „Gottes-Krieger“ in Form evangelischer Sekten, der katholischen Kirche und der sie vertretenden Politker sind in vollem Vormarsch. In den USA veranstaltete eine Baptisten-Kirche eine Anti-Homosexuellen-Demo beim Begräbnis eines Soldaten und der Vater des Toten klagte erfolgreich: Elf Millionen Dollar Strafe. In Deutschland soll noch im Januar die neue Sexualstrafrechts-Regelung heimlich durch den Bundestag laufen. Der Krieg hat begonnen!

Zusatz zum Artikel (November 2008)

Mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 4. November 2008 ( hier: https://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl108s2149.pdf ) sind die wesentlichen Neuerungen dieses absurden Gesetzes nun Wirklichkeit in Deutschland geworden. Wie jeder weiss, hat keine Zeitung, kein Fernsehen, über die Verabschiedung berichtet. Man kann ohne Übertreibung sagen, es wurde heimlich durchgezogen. Dies vor allem, weil den einschlägigen Politikern natürlich klar war, was sie da beschlossen.

Das entscheidende ist, man hat nun Instrumente in der Hand, fast jeden beliebigen Menschen in Deutschland unter schwerste Anklagen zu stellen, die ihn der abscheulichsten Verbrechen anklagen, die man sich vorstellen kann („Kinderporno-Verbreitung“). Da die Regelung der „wirklichkeitsnahen Beschreibungen“, des neuen Kinderporno-Alters bis achtzehn und der Einbeziehung von Personen, die aussehen, als ob sie jünger wären, beschlossen wurden, ist nun fast jeder Porno auch gleich Kinderporno.

Man kann erwarten, dies wird keineswegs breit angewandt werden. Dazu haben die Staatsanwaltschaften auch keine Zeit noch Personal. Es geht darum, Material gegen Dissidenten zu haben. Kann man einen politischen Dissidenten mit einer Anklage wegen Kinderporno überziehen, ist er völlig unglaubwürdig geworden.


Eine der baptistischen Sekten (deren einer auch Bush angehört) hat bei der Beisetzung eines im Irak getöteten US-Soldaten eine Anti-Homosexuellen-Demonstration durchgeführt, in der der sie Tafeln trugen "Gott sei Dank für tote Soldaten" oder "Schwule Soldaten" und ähnliche. Die Baptisten erklärten, Krieg und Tod von Soladaten seien eine Strafe Gottes, weil in den USA die Homosexualität geduldet sei, auch in den Streitkräften.

Hieronymus Bosch Der Garten der Lüste

Der Vater des toten Soldaten hat danach die Verantwortlichen jener baptistischen Kirche auf Schadenersatz verklagt, weil er aufgrund dieser Manifestation Depressionen bekommen hatte. Das Gericht in erster Instanz hat ihm jetzt einen Schadenersatz von 11 Millionen Dollar zugesprochen. Die Kirche wird natürlich in die nächste Instanz gehen.

Wir sind in Europa das, was man als aufgeklärte, liberale Gesellschaften bezeichnet, speziell, was die Stellung zur Sexualität betrifft. Das bedeutet, solange in der Sexualität nicht unerwünschte Gewalt oder Abhängigkeit auftritt, hat der Staat seine Finger davon zu lassen. Das schliesst auch die Ablehnung jener Diskrimination wegen der sexuellen Orientierung ein.

Das deutlichste Beispiel hierfür ist: Zwei (böse Zungen sagen: sogar drei) der grössten europäischen Metropolen haben Gay-Bürgermeister: Paris und Berlin. In beiden Städten wurden Politiker gewählt wegen ihrer politischen Aussagen und Zugehörigkeiten, völlig unbeeindruckt davon, dass man wusste, sie sind homosexuell.

Zweifellos hat dies sehr viel mit dem stark geschwundenen Einfluss der Kirchen und Religionsgemeinschaften in den fortgeschrittenen europäischen Gesellschaften zu tun, aber im Grunde bezieht sich dies auf bürgerliche Werte wie die Aufklärung und den Humanismus, die bereits älter sind.

Hieronymus Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 17

Es ist auch noch nicht so lange her, dass diese liberale Haltung in der Sexualität sich durchgesetzt hat, auch wenn die Werte der Aufklärung und des Humanismus aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen. Der Berichterstatter erinnert sich noch an seine Jugendzeit, Ende der 50er, Anfang der 60er-Jahre: Damals wurden sie nicht als „gay“ oder „homosexuell“ bezeichnet, sondern als „175er“, was gleichbedeutend mit Kriminellen war, denn der Strafparagraph für homosexuellen Beziehungen war der Paragraph 175 der Strafprozessordnung.

Erst Anfang der siebziger Jahre wurde die Bestrafung der Homosexualität abgeschafft, ebenso wie die generelle Strafbarkeit der Abtreibung und es wurde in den „Kinder-Porno“-Bestimmungen die Sicht des Betrachters („obszön“) gestrichen zugunsten einer objektiven Behandlung („sexuelle Handlungen an, vor oder von Kindern“).

Auch in den USA wurden unter dem Einfluss der grossen liberalen Zentren der Mittelklasse (New York, Los Angeles, Chicago, Boston, Baltimore) zu jener Zeit liberalere Gesetze eingeführt, obwohl dort die Kirchen keineswegs an Einfluss verloren. Die Todesstrafe wurde in fast allen Staaten abgeschafft oder nicht mehr praktiziert, die Abtreibung mit Einschränhkungen erlaubt und das Verbot der Homosexualität aufgehoben.

Aber ... und nun kommt das ABER:

Wir leben mitten in einer Epoche, in der all diese Fortschritte im Sinne der Aufklärung und des Humanismus wieder aufgehoben werden und sogar noch absurdere Gesetze geschaffen werden als es sie vor den Siebziger Jahren gab. Ein generelles „Roll-Back“ hat eingesetzt.

Boticelli Geburt der Venus Ausschnitt

Beginnend mit der Wahl des ultrarechten Reagan in den USA Anfang der 80er-Jahre begannen die US-Administrationen, mehr und mehr Teile der freiheitlichen Gesetze aufzuheben und durch restiktive Regelungen nach dem Geschmack der christlich-religiösen Eiferer zu ersetzen.

In fast allen US-Staaten ist die Todesstrafe wieder eingeführt und wird praktiziert, die Regelungen, um Abtreibungen mit gesetzlichen Beschränkungen zu versehen sind Legion, wenn auch das entscheidende Urteil des Oberste Bundesgerichts, das die Abtreibung von Bestrafung ausnahm, noch nicht revidiert ist. Mehr als die Hälfte der US-Bundestaaten haben bereits Gesetze, die den freien und individuellen sexuellen Rechten zuwiderlaufen (siehe dazu hier, hier und hier). Die Bestrebungen, Homosexualität wieder strafbar zu machen, sind in vielen Staaten weit fortgeschritten.

Besonders tiefgreifend aber sind die absurden Regelungen, die extremistisch-christliche religiöse Hysteriker bezüglich der „Behandlung“ von Kindern bereits in weiten Teilen der USA durchgesetzt haben: Wo auch immer die natürliche Sexualität, die auch Kinder schon haben, aufscheint, oder wenn die intensive Neugier von Pubertierenden durchbricht, wird dies als Abartigkeit, als Geisteskrankheit, als Anzeichen von zukünftigen Kinderschändern und ähnlichem behandelt. Die Kinder und Jugendlichen werden ohne Recht auf ein Gerichtsverfahen eingesperrt und von manisch-religiösen „Psychiatern“ behandelt und zum Teil auch gefoltert.

Die Eltern weden durch den Druck der religiösen Gemeinden dazu gebracht, dies zuzulassen. Meistens handelt es sich um baptistische Sekten wie jene, der Bush angehört.

Konzentrierten sich all diese absurden Bestrebungen zunächst auf die Vereinigten Staaten, kommen sie nun mehr und mehr auch nach Europa.

Die ersten restriktiven Gesetze, die nach US-Vorbild im Sexualstrafrecht die Existenz von Jugendlichen abschaffen und alle unter 18 als Kinder definieren, sind bereits in europäischen Staaten verabschiedet. Damit wird in der Tendenz das „Kinderschänden“, das vorher klar auf Kinder (alle bis 14) bezogen war, auf die 15 bis 18-jährigen ausgeweitet, was offensichtlich zu katastrophalen Weiterungen führt. Ebenso wird die Definition von Kinder-Porno auf alles bis 18 ausgeweitet (und sogar noch auf solche, die „wie unter 18 aussehen“) und mit dem Begriff „aufreizend“ die persönliche Sicht des Betrachters wieder eingeführt, statt Kinderporno klar auf objektive Gegebenheiten zu beziehen. Im Einzelnen kann man die Neuerungen aus dem ersten und dem zweiten Teil des Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht entnehmen.

Dies Alles wurde mit einer europäischen Rahmenrichtlinie in Gang gesetzt. Diese bezieht sich auf eine Resolution, die in einem UN-Gremium von der Dominanz der USA durchgesetzt wurde und allen Ländern empfiehlt, die absurden US-Regelungen auch einzführen.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 7

Die EU-Bürokraten haben als gehorsames Schosshündchen der USA nicht gezögert, auf dieser Basis sofort eine Rahmenrichtlinie zu beschliessen. Die deutsche Bundesregierung bezieht sich nun hierauf und sagt, man sei verpflichtet, Rahmenrichtlinien umzusetzen. Noch in diesem Januar 2008 ist vorgesehen, das entsprecende Gesetz durch den Bundestag zu peitschen, obwohl eine irgendwie geartetet Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit über diese Fragen nicht stattgefunden hat und auch nicht angestossen wurde. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dies wird heimlich, still und leise gemacht.

Kurios in diesem Zusammenhang auch: Die EU hat überhaupt keine Recht auf Rahmenrichtlinien über die Sexualstrafrechts-Gesetze. Sie kann lediglich Regeln für die Bestrafung des organisierten Verbrechens aufstellen. Dies ist ja nun wohl nicht gegeben, wenn ein 17-jähriges Pärchen von sich gegenseitig Nackt-Fotos macht und diese in die Hände anderer fallen. Das würde nämlich als „Verbreitung von Kinderporno“ mit Gefängnis bestraft, wenn die Vorlage der Bundesregierung durchkommt.

Nun stellt sich aber die Frage, was steckt dahinter? Warum lässt man die christlichen Extremisten wüten und Gesetze in ihrem Sinne machen? Die Macher, die Mächtigen, die Herrschenden sind ja kühl kalkulierende Monster, die mit christlichen Attitüden, welcher Art auch immer, nichts am Hut haben.

Nachdem man es (noch) nicht geschafft hat, die Gesellschaften in den Ländern Europas mit der Terrorangst zu Angst-Gesellschaften zu machen, die jegliche Abschaffung von bürgerlichen Rechten akzeptieren, weil das doch „gegen de Terror hilft“, wie das weitgehend schon in den USA der Fall ist, versucht man es jetzt mit den „Kinderschändern“ und „Kinderporno-Ringen“.

Man wird dies zu einem der Hauptthemen der täglichen Nachrichten machen, hunderte von „Tätern“ und Verurteilten vorweisen und so die gesamte Gesellschaft zu der “Einsicht“ kommen lassen, sie lauern an jeder Ecke unseren Kindern auf. Dann wird man die letzten Reste von Demokratie und bügerlichen Rechten - so rechnet man – ohne Widerstand der Bevölkerung abschaffen können, denn es ist ja notwendig wegen der Terroristen und Kinderschänder.

Das Land geht unter in Angst und Gewalt, dann haben sie den richtigen Hintergrund für noch höhere Profite. Der Weg zur kapitalistischen Barbarei soll eröffnet werden.


Veröffentlicht am 14. Januar 2008 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel



Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zu hysterischen Kinderporno-Verfolgungen, christlich-extremistischen Absurditäten und Sexualstrafrechts-Verschärfungen:

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger

- ...promt ging die Sache in die Hose –Rasterfahndung hätte um ein Haar eine Firma gekostet

- Schon in den USA, bald auch bei uns – Gefängnis für Sex unter 18

- Die Zukunft der USA unter den extremistischen Christen

- Sex?? Gefängnis!!

- Operation Ore, Teil 1: Der grösste Polizei-, Justiz- und Medien-Skandal des neuen Jahrtausends

- Operation Ore, Teil 2: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigten, die Rolle der Polizei

- Operation Ore, Teil 3: Die Rolle der Politik und der Medien

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2

- Die Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht

- Sex unter 18? – 10 Jahre Gefängnis!

- Schärferes Sexualstrafrecht soll Donnerstag durch den Bundestag

- Hurra! Sie haben es gestoppt

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für „Sex Offenders“

Montag, 14. Januar 2008

Dossier Totale Kreislaufwirtschaft, Teil 2

Dieses Irrenhaus könnte ein Paradies sein!

Den Widerstand gegen den Kapitalismus organisieren!

Von Karl Weiss


Wenn die Menschheit nicht schnellstens aufhört, in völlig unverantwortlicher Weise die vorhandenen Ressourcen im Raubbau-Verfahren zu gebrauchen und zu vernichten, wird nichts für die kommenden Generationen der Menschheit mehr übrig sein, das ihnen noch ein Leben auf dem uns heute geläufigen Niveau gewährleisten könnte.

Würde in der nicht weit entfernten Zukunft ein Geschichtsbuch geschrieben, so würde im Kapitel „Warum wir solche Probleme mit Rohstoffen haben“ zweifellos in etwa folgender Text über unsere Zeit stehen:

„Am Ende des zwanzigsten und am Anfang des 21. Jahrhunderts wurden die auf der Erde vorhandenen wichtigen Rohstoffe in unverantwortlicher Weise verbraucht und vernichtet, obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits die Technologien gab, die einen solchen Raubbau völlig unnötig machten.

Die Gesellschaften damals wurden vollständig dominiert von den Besitzern und Managern von Grosskonzernen und –banken und deren Beauftragten in der Politik. Sie kümmerten sich nicht im mindesten um einen vernünftigen Gebrauch der vorhandenen Ressourcen, sondern wollten ausschliesslich die Profite erhöhen. Dadurch wurde verhindert, dass die damals schon bekannten Techniken eingesetzt wurden, um wertvolle Rohstoffe zu erhalten und für zukünftige Generationen zu bewahren.

Der schreiendste Missbrauch wurde mit dem Erdöl, dem Erdgas und der Kohle betrieben, die wir heute unter grössten Schwierigkeiten aus zähen Schlämmen und aus entlegenen Tiefen heraufholen müssen. Die riesigen vorhandenen Vorkommen wurden im wesentlichen verbrannt, um Energie zu gewinnen für Elektrizität, Heizung und Transport. Zu diesem Zeitpunkt waren aber längst alle Techniken für erneuerbare Energien bekannt und anwendungsreif, wie Solar, Erdwärme, Windkraft, Bio-Energieträger, Wellenkraft, Gezeitenkraft usw. Statt die vorhandenen Mittel zum Ersatz der fossilen Energieträger zu verwenden, wurden langjährige Kriege geführt, um sich die vorhandenen Quellen von Erdöl und Erdgas zu sichern. Diese Kriege kamen zusammen weit teurer als die vollständige Umstellung gekostet hätte.

Der bei weitem grösste Teil der gewonnenen und hergestellten Güter wurde nur einmal gebraucht und dann vernichtet. Obwohl die wichtigsten Recycling-Techniken, die wir heute verwenden, bereits bekannt und anwendungsreif waren, wurden diese Techniken nicht benutzt oder nur in geringem Masse, nämlich dann, wenn wiederum Konzerne Profit daraus schlagen konnten.

Als Beispiel sei genannt die Verwertung von Kunststoff-Abfällen in der damaligen „Europäischen Union“, Zahlen von 2007: 65% wurden verbrannt oder deponiert, nur 35 Prozent wurden verwertet, wurde angegeben. Wenn man genauer nachforscht, stellt sich heraus, die Zahlen waren noch viel schlechter: 20% der Gesamtmenge, angeblich „verwertet“, wurden ebenfalls verbrannt, denn man definierte einfach die Verbrennung zur Energiegewinnung als „Verwertung“, hierunter fällt u.a. die Verwendung von Kunststoff-Abfällen in Hochöfen zur Reduktion als Kohle-Ersatz. In Wirklichkeit wurden also nur 15% wirklich als Kunststoffe verwertet, so wie wir das heute mit fast allen Kunststoffen tun.

Die Tatsache, dass zum Beispiel solche Kunststoffe unter hohem Aufwand polymerisiert worden waren und die aus seiner Verbrennung gewonnene Energie dann (u.a.) dafür eingesetzt werden muss, um wieder einen solchen Kunststoff herzustellen, wurde ignoriert. Also schlichter Wahnsinn. Da diese erneute Herstellung des Kunststoffs aber wieder einem Konzern Profit brachte, wurde dies als vorteilhaft angesehen.

Aber der Wahnsinn war sogar noch unglaublicher: Diese Kunststoffe (damals wurde noch PVC verwendet, das nun schon lange verboten ist) erzeugten beim Verbrennen Dioxine, die der menschlichen Gesundheit damals schwer abträglich und für Tausende Fälle von Krebs, Allergien, Erbgutveränderungen und Sterilität verantwortlich waren. Trotzdem wurde weiter verbrannt, statt mit der ‚Totalen Kreislaufwirtschaft’ anzufangen.

Aber auch viele andere Wertstoffe wurden nicht oder nur in untergeordnetem Masse in einem Kreislaufverfahren der Wiederverwertung zugeführt, wie wir das heute mit 98, 99, oder manchmal 99,9% aller schon verwendeten Stoffe tun.

So kam es, dass Rohstoffe fast völlig verschwanden, z.B. Coltan, Cassiterit, Kobalt und Niob und bestimmte elektronische Geräte und Wekzeuge nicht mehr hergestellt werden konnten. Aber jener unglaubliche Raubbau war auch für die extremen Verknappungen von Kupfer und Uran, Zink und Chrom, Zinn und Aluminium, Tantal und Germanium, Lanthan und Beryllium, Silicium und Wolfram, Niob und Molybdän sowie vielen anderen verantwortlich.

Damals war es völlig üblich und wurde als normal angesehen, dass defekte Geräte nicht repariert, sondern vernichtet wurden. Wenn man alle Rohstoffe nicht nach ihrer Zugänglichkeit und ihrem Wert für die ganze Menschheit, auch die künftige, einschätzt, sondern nur nach den reinen Kosten des Raubbaus, dann kommen solche Irrwitz-Dinge heraus.

Soweit die als „Abfall“ falsch bezeichneten einmal verwendeten Güter nicht verbrannt, sondern auf Abfallhalden geworfen wurden, haben wir heute wenigstens die Möglichkeit, diese Halden systematisch aufzuarbeiten und daraus die benötigten Rohstoffe zu gewinnen. Demgegenüber war die Verbrennung dieses angeblichen „Abfalls“ eine in ihrer Grausamkeit uns gegenüber kaum zu beschreibende Brutalität, denn sie stahl der Menschheit unwiderbringlich einen wesentlichen Teil der Grundstoffe, die diese Erde ihr zur Verfügung gestellt hatte. Es war, als wollte man uns verdammen.“

Soweit also ein Zitat aus einem zukünftigen Geschichtsbuch. Nun ist dies ja kein Geheimnis, dies alles wurde zig mal gesagt und geschrieben, nur kümmert sich die Politik einen feuchten Kehricht darum.

Hier ein Zitat von einem Mahner aus einem Artikel der „Süddeutschen“ vom 8. Januar 2008. Er ist von Joseph Weizenbaum, einem der grossen Pioniere der künstlichen Intelligenz, ehemals Professor am MIT (Massachusetts Institut of Technology), heute 85 Jahre alt und in jener Phase des Lebens angelangt, in der man die Wahrheit sagen kann:

„Diese Wahl [der zu bearbeitenden Themen von Naturwissenschaftlern] ist vom Zeitgeist der Kultur, in der sie getroffen wird, stark geprägt, fast determiniert. Es folgt, dass die Naturwissenschaft sowie die von ihr abgeleiteten Technologien nicht wertfrei sind.

Sie erben ihre Werte von den Werten der Gesellschaften, in die sie eingebettet sind. In einer hoch militarisierten Gesellschaft sind Wissenschaft und Technologie von den Werten des Militärs geprägt.

In einer Gesellschaft, deren Werte hauptsächlich vom Streben nach Reichtum und Macht abgeleitet sind, sind sie entsprechend gestaltet. Die Werte der Wissenschaft, eingebettet in eine vernünftige Gesellschaft, würden vernünftig, also human sein. Dann würden die von ihr abgeleiteten Technologien nicht mehr dem Tod dienen, sondern dem Leben. (...)

Der Glaube, dass Wissenschaft und Technologie die Erde vor den Folgen des Klimawandels bewahren wird, ist irreführend. Nichts wird unsere Kinder und Kindeskinder vor einer irdischen Hölle retten.

Es sei denn: Wir organisieren den Widerstand gegen die Gier des globalen Kapitalismus.

Das Bewusstsein, dass alle Menschen Geschwister sind, muss den Zeitgeist ersetzen. Kooperation statt Konjunktur, Bescheidenheit statt unbegrenzter Konsum, Ehrfurcht vor dem Leben statt Roboter: Diese Ziele müssen unsere heutigen Werte ersetzen.

Würde die weltweite Gesellschaft nur vernünftig sein, könnte das bis heute erreichte Wissen der Menschheit aus dieser Erde ein Paradies machen. In der Tat ist sie kein Paradies, sondern ein Irrenhaus - doch nicht, weil wir etwa nicht genug wissen.“


Zusammengefasst:

Dieses Irrenhaus könnte ein Paradies sein. Wir müssen dazu den Widerstand gegen die Gier des globalen Kapitalismus organisieren!

Veröffentlicht am 14. Januar 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Hier geht es zu Teil 1, zu Teil 3, zu Teil 4 und zu Teil 5 des Dossiers 'Totale Kreislaufwirtschaft'.

Samstag, 12. Januar 2008

Niemand wagt es sich mit denen anzulegen

Eli Lilly - Pharmaskandal unter dem Teppich

Von Karl Weiss

Die Psycho-Droge Z. (Wirkstoff: Olanzapin) vom Pharma-Riesen Eli Lilly, verwendet für Schizophrenie, akute Manie und ‚Bipolare Störungen I’, zeigt heftigste Nebenwirkungen, die bis hin zum Tode führen können, so führt sie z.B. häufig zu Zuckerkrankheit. Außerdem wird sie für andere als ihre zugelassenen Anwendungen vermarktet. Eli Lilly hat bereits in mehr als 28 000 Fällen außergerichtliche Entschädigungszahlungen geleistet mit einem Gesamtumfang von etwa 1,2 Milliarden Dollar. Das Mittel ist weiterhin ohne Einschränkungen im Verkauf und der US-Pharma-Konzern erwartet weiter steigende Umsätze. 192 Millionen Euro Umsatz allein in Deutschand pro Jahr. In drei Artikeln der New York Times wurde der Fall aufgerollt.

Der Fall Z. (hier wird der Name abgekürzt, um nicht Vorwände wegen des Gebrauchs einer geschützten Marke zu liefern) wäre heute noch in geheimen Archiven versteckt, wenn nicht ein Gutachter in verschiedenen Entschädigungsprozessen die gerichtlichen Unterlagen heimlich an einen Rechtsanwalt weitergegeben hätte, der psychisch Kranke vertritt. Der wiederum gab sie dem New York Times-Reporter Alex Berensen, der im Dezember 2006 drei Artikel hierüber veröffentlichte (siehe: Quellen). Inzwischen stehen die Unterlagen auch schon im Internet zum Download für jeden, der interessiert ist (siehe : Quellen).

Es handelt sich sowohl um die einzelnen Beschreibungen der Nebenwirkungen als auch um Propaganda-Material der Eli Lilly, das belegt, mit welchen Methoden der Pharma-Monopol dies Mittel in den Markt drückt.

Bis jetzt hat es Eli Lilly nicht gewagt, den Reporter oder die New York Times zu verklagen, wir können also davon ausgehen, da wurde nichts Falsches erzählt und nicht übertrieben.

Offensichtlich ist Z. einer der ganz großen Pharmaskandale, von ähnlicher Bedeutung wie Vioxx, wahrscheinlich sogar grösser. Ein Anwalt, der an einem der Prozesse um Entschädigungen beteiligt war, sagte: „Das ist schlimmer als alles, was ich je gesehen habe. Es gibt keine Chance dafür, dass die Firma es in dieser Sache zu einem öffentlichen Gerichtsverfahren kommen lässt. Die müssen einen außergerichtlichen Vergleich suchen.“

Um ein wenig deutlich zu machen, wie schwerwiegend die Anklagen sind, hier ein Auszug aus ‚Arzneimitteltelegramm 1/2007’(a-t):

„Olanzapin (Z.) – Risikodaten unterdrückt: Unterdrückung von Negativdaten (a-t 2005; 36: 1-2) behindert die objektive Information zu Nutzen und Schaden von Arzneimitteln. Die New York Times berichtet aktuell über interne Unterlagen der Firma Eli Lilly, nach denen diese ihr bekannte Risiken des Neuroleptikums bewusst verharmlost hat. Bereits 1999 wertete demnach der damalige wissenschaftliche Leiter Gewichtszunahme und Hyperglykämie (s. a-t 1998 Nr. 1: 11) als Gefahr für den ökonomischen Langzeiterfolg des für die Firma wichtigen Produktes.

Die Auswertung von Studien hatte ergeben, dass 16% der Anwender von Olanzapin mehr als 30 kg zunehmen. Nach anderen internen Daten erhöht sich bei 30% der Patienten das Gewicht pro Jahr um mehr als 10 kg. Zudem sei eine Inzidenz von Hyperglykämien unter Olanzapin von 3,6% versus 1,05% unter Plazebo für Gespräche mit Ärzten und für die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA auf 3,1% vs. 2,5% „revidiert” worden (New York Times, 17., 20. und 21. Dez.2006).

In der Fachinformation werden im Abschnitt „Warnhinweise” Hyperglykämie oder Entwicklung oder Verschlechterung, eines Diabetes nach wie vor als „sehr seltene” Störwirkungen (unter 0,01%) bezeichnet (Lilly: Fachinformation Z., Stand Sept. 2006). Obwohl die Firma 28.500 Patienten, die wegen Diabetes oder anderer Störwirkungen unter Olanzapin geklagt hatten, mit insgesamt 1,2 Milliarden Dollar entschädigt, verbreitet sie weiterhin, dass es keine Evidenz dafür gäbe, dass Olanzapin Diabetes verursache (New York Times, 8. Jan. 2007).

Ein Experte, der in einem Gerichtsverfahren Einsicht in Eli Lillys Unterlagen zu Olanzapin hatte, betont, dass die gefährlichsten Effekte von Z. der Öffentlichkeit und den verschreibenden Ärzten vorenthalten würden. Auch der FDA wirft er Unterdrückung von Negativdaten zu Olanzapin vor. Die Behörde weigere sich bis heute, Ergebnisse zu Suizidversuchen aus Studien vor der Marktzulassung offenzulegen (FURBERG, C.)

Dies wurde schon 2002 von einem Kritiker der Pharmaindustrie bemängelt. Seines Wissens liegt die Todesrate unter Olanzapin in den von Eli Lilly der FDA übermittelten Studiendaten höher als unter jedem anderen Neuroleptikum (HEALY, D.)

Auch eine amerikanische Expertin vermisst im FDA-Gutachten Angaben zu Suizidversuchen, obwohl 12 von 20 Todesfällen bei 3.139 Olanzapinanwendern durch Suizide bedingt sind (JACKSON, G.E.)

Vergleichsdaten gibt es aus einer zweijährigen Studie mit knapp 1.000 schizophrenen oder schizoaffektiven Patienten mit hohem Suizidrisiko: Unter Clozapin (L. u.a.) treten signifikant weniger kombiniert ausgewertete Suizide, Suizidversuche oder Hospitalisierungen wegen Suizidalität auf als unter Olanzapin (Hazard Ratio: 0,76, 95% Konfidenzintervall 0,58-0,97; MELTZER, H.Y. et al.: Arch. Gen. Psychiatry 2003; 60: 82-91)." (Genaue Literaturangaben: siehe Quellen)

Der Pharma-Koloss (eine der 10 weltweit grössten Pharma-Firmen) aus Indianapolis in den USA hat außerdem systematisch verschleiert: Viele Erkrankungen gingen mit einer Ketoazidose einher, es kam zu nekrotisierenden Pankreatitiden und 23 Patienten starben, darunter ein 15-jähriger Jugendlicher.

Nun müsste man glauben, die US-Behörde ‚Food and Drug Agency’ (FDA), die für die Zulassung und Nichtzulassung von Pharma-Mitteln zuständig ist, hätte nach einer Reihe von Prozessen und Entschädigungszahlungen reagieren und das Mittel aus dem Handel ziehen müssen, besonders auch deshalb, weil es andere Mittel für diese Krankheiten gibt, die nicht diese Nebenwirkungen aufweisen oder jedenfalls nicht so stark. Doch nichts dergleichen geschah.

Es ist eindeutig so, wie es bereits von Vielen angeklagt wurde: Die Pharma-Industrie und die Zulassungsbehörden sind engstens miteinander verkungelt, mit häufigem Austausch von Personen von der einen zur anderen Seite, mit Aufsichtsratsposten und Beraterverträgen, mit „informellen“ Treffen und mit gegenseitigem Begünstigen. „Lässt du meine Arznei zu, werde ich dafür sorgen, dass du eine hochdotierte Professur bekommst.“ „Wenn ihr mich unterstützt, um Vorsitzender der Kommission zu werden, werde ich euren Antrag auf Zulassung sehr wohlwollend prüfen.“

Das ist übrigens kein US-Phänomen. Auch in Deutschland ist die „Nähe“ des Bundesgesundheitsamts, des Bundesgesundheitsministeriums und anderer öffentlicher Stellen zur Pharma-Industrie Legende.

Zyprexa alt
Dies ist eine Propaganda für das Mittel.

Zyprexa neu
Das haben Selbstschutzgruppen von Geschädigten daraus gemacht.

Z. ist der wichtigste Umsatzbringer für Eli Lilly. Über 30% des Umsatzes werden mit ihm gemacht. Im Jahr 2006 wurden mit Z. etwa 4,36 Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht. In Deutschland ist das Mittel eines der ganz großen Medikamente, an 119. Stelle der meist verordneten Medikamente mit über 853 000 Verordnungen und einem Umsatz von etwa 192 Millionen Euro. Über 10% der Auslandsumsätze der Arznei fallen auf Deutschland.

Gehen wir zurück zur Anwendung dieses Medikaments, so wird nun mancher stutzen: Aber wie ist das möglich, gibt es so viele, die manisch sind, schizophren oder die seltene ‚Bipolare Störung I’ haben?

Nein! Da sind wir nämlich gleich am zweiten Skandal.

Eli Lilly hat nämlich laut den Artikeln in der NYT auch systematisch das Mittel außerhalb seiner zugelassenen Anwendung angepriesen und verkauft und zwar für Demenz, auch leichte Demenz. Die Verkaufsanstrengungen wurden zu den Hausärzten getragen. Es ist offensichtlich, dass Hausärzte bei schwersten psychischen Störungen sicherlich keine Mittelchen verschreiben können und sollen, sondern die Patienten zu Fachärzten und Fachkliniken schicken müssen.

Eli Lilly hat offenbar versucht, bei der FDA auch ein Zulassung für ihr Mittel für alle Arten von Demenz zu erhalten. Da der Wirkstoff aber überhaupt nicht wirkt bei Demenz, erhielt der superschlaue Pharma-Konzern diese Zulassung nicht. Ohne dies aber abzuwarten, begann man, das Mittel für Demenz anzupreisen und zu verkaufen. Es gibt in den Unterlagen, die übergeben worden waren, die Dokumentation einer Verkaufsförderungsveranstaltung „ Viva Z.!“ aus dem Jahr 2000, aus der das vehemente „In-den-Markt-stoßen“ bei leichter Demenz durch Hausärzte hervorgeht. (siehe : Quellen)

Mit dieser Praxis, die Droge für leichte Fälle von Demenz anzubieten und damit vor allem in Alters- und Pflegeheimen phantastische Absätze zu erreichen beschäftigt sich ein US-Blog mit dem Namen ‚Clinical Psychology and Psychiatry - A Closer Look’ (siehe: Quellen).

Das nun aber, das sogenannte „Off-Label-Marketing“, ist ausdrücklich verboten und hätte eigentlich längst zu Verfahren gegen die Eli Lilly führen müssen.

Doch Verfahren gegen eine Eli Lilly in den USA, das ist ungefähr so wahrscheinlich wie der Fußweg zum Mond. Da muss man sich nur einmal die erlauchte Gesellschaft der Eigner, Aufsichtsräte und Vorstände der Eli Lilly ansehen:

Einer der grössten Einzelbesitzer von Aktien der Eli Lilly ist die Familie des Präsidenten Bush. Vater Bush, der frühere Präsident, arbeitete vor seiner Amtszeit als Direktor bei Eli Lilly. Später als Vize-Präsident unter Reagan und dann als Präsident war er der hauptsächliche Lobbyist für Eli Lilly. Sein damaliger Vizepräsident Dan Quayle, ein Rechtsaußen der übelsten Sorte, ist der Sohn des damaligen Mehrheitseigners von Eli Lilly. Donald Rumsfeld war im Aufsichtsrat von Eli Lilly, der frühere Budget-Direktor des Weißen Hauses und heutige Gouverneur von Indiana Mitch Daniels ist ein ehemaliger Vize-Präsident von Eli Lilly. Der Vorstandsvorsitzende Sidney Taurel von Eli Lilly war Beiratsmitglied im Heimatschutzministerium.

Bush Deaths

Hier haben wir ein typisches Anzeichen von staatsmonopolistischem Kapitalismus. Das Monopol und der Staat sind so verflochten, dass es praktisch nicht mehr möglich ist zu sagen, wer zu welchem Zeitpunkt mehr auf der Staats-Seite und mehr auf der Firmenseite ist oder war.

Waren das schon zwei Skandale und die völlige Straffreiheit der „Lilly“ der dritte, so hat die Geschichte auch noch einen vierten Skandal: Die Medien.

Obwohl es niemand entgangen sein kann, da das Thema Inhalt einer Reihe von Artikeln der NYT war, gibt es exakt Null Berichterstattung in den anderen Massenmedien, sei es in den Vereinigten Staaten oder in Good Old Europe. Alle Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehnachrichten und –magazine, alle, alle halten den Rand. Niemand wagt es sich mit denen anzulegen.

Nur im Internet findet man entsprechende Meldungen, kann die Artikel der NYT einsehen und auch die gesamten Unterlagen. Damit hat das Internet einmal mehr bewiesen, wie sehr es nötig ist in einer Zeit der gleichgeschalteten Massenmedien.

Quellen hier

Dieser Artikel wurde veröffentlicht in "Journalismus - Nachrichten von heute" am 5. März 2007.

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